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Ausgabe:

November/2016

Spalte:

1271–1273

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Pemsel-Maier, Sabine

Titel/Untertitel:

Gott und Jesus Christus. Orientierungswissen Christologie.

Verlag:

Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer 2016. 238 S. m. 4 Abb. = Theologie elementar. Kart. EUR 29,00. ISBN 978-3-17-023414-7.

Rezensent:

Michael Fricke

Die Karlsruher katholische Professorin für Dogmatik und ihre Didaktik legt ein Lehrbuch vor, das sich nicht als eine weitere Einführung in die Christologie unter vielen versteht. Vielmehr orientiert sie ihre Darstellung »an christologischen Grundfragen und Perspektiven […], die sich in besonderer Weise im Kontext Schule stellen«, mit dem Ziel, dadurch reflexive, hermeneutische, fachwissenschaftliche und fachdidaktische Kompetenzen von Lehrkräften zu stärken (13–15).
Inhaltlicher Ausgangspunkt des Buches ist die These, dass im Religionsunterricht »explizit christologische Themen« wie Gottessohnschaft, Auferstehung und Erlösungswerk Jesu Christi ausgeklammert würden und stattdessen die »Dominanz einer Jesulogie« bestehe, die die Person Jesus von Nazareth in den Mittelpunkt rückt (25). Dem gegenüber betont P.-M., dass es nicht nur aus theologischen, sondern auch aus pädagogischen Gründen heraus ge-boten sei, eine eigene »Christologiedidaktik« zu entwerfen, denn Kinder und Jugendliche »denken darüber nach, was an diesem Menschen Besonderes ist, suchen nach eigenen christologischen Zu­gängen und treffen christologische Aussagen« (ebd.).
Methodisch geht P.-M. so vor, dass sie – nach einem einführenden Kapitel über Begriffs- und Zielklärungen zur Christologie und einem weiteren zur empirischen Erforschung der Aneignung von Christologie durch Schüler – 17 ausgewählte christologische Themen jeweils nach der Logik des bekannten religionspäda-gogischen Elementarisierungsmodells (Nipkow/Schweitzer) er­schließt: Zunächst wird im Abschnitt »Theologische und wissenschaftstheoretische Zugänge« die existentielle Relevanz der nachfolgenden Überlegungen dargelegt. Daran schließen sich die »Re­ligionspädagogischen Herausforderungen« an, in denen P.-M. Ergebnisse empirischer Studien zur Frage vorstellt, wie sich Kinder und Jugendliche christologische Inhalte zum jeweiligen Themenfeld aneignen. Mit der Schüleraneignung sind Problemanzeigen sowie Chancen für den Unterricht verbunden. Das folgende »Chris­tologische Basiswissen« repräsentiert den fachwissenschaftlichen Anteil und nimmt den größten Raum ein. Schließlich werden in den »Didaktischen Perspektiven« »inhaltliche Leitlinien« eröffnet, die die Auswahl und den Einsatz »elementarer Lernformen« vorbereiten, sie sind aber nicht als »Konkretisierungen« oder methodische Hinweise zu verstehen (13–15).
Die von fachwissenschaftlicher Seite her vorgegebenen Stichworte bilden die Grundlagen für die Themenbereiche, die neutes­tamentlich, kirchengeschichtlich und dogmatisch behandelt werden: Geschichtliche Überlieferung und Glaubensüberlieferung, Frage nach dem historischen Jesus, Botschaft und Handeln Jesu, erlösendes Handeln Jesu Christi, neues Volk Gottes, Kreuzweg, implizite Christologie, Botschaft von der Auferweckung, christologische Würdetitel, christologische Konzepte im Neuen Testament, Heilsbedeutung des Todes Jesu, Erlösung von Sünde, Mensch oder Gott, wahrer Mensch und wahrer Gott, Erwartung von Wiederkunft und Gericht, bleibende Gegenwart Jesu Christi im Geist und schließlich Trinität.
Die Grundstruktur des Ansatzes von P.-M. erscheint aus religionspädagogischer Perspektive sachgerecht und stimmig, denn theologische Inhalte sind im schulischen Kontext immer in Zu­sammenhang und Dialog mit den Aneignungsweisen der Schüler zu denken, und didaktische Folgerungen ergeben sich aus der Zusammenschau der Zugangsmöglichkeiten und den theologischen Überlegungen. Dennoch seien einige kritische Anmerkungen erlaubt:
Die von P.-M. eingangs vertretene und nachvollziehbare Programmatik, dass es nicht »die eine« Christologie gibt (18), findet in den fachwissenschaftlichen Ausführungen weniger Resonanz als man erwarten würde – so kommt P.-M. zu Aussagen wie »Der christliche Glaube ist der Überzeugung, dass Jesus von Nazareth von Beginn seines Lebens an der verheißene Christus war« (20). Auch in den fachdidaktischen Folgerungen sind eindeutige Vorgaben stärker präsent als die Idee, dass gerade unterschiedliche, einander auch widersprechende christologische Standpunkte wichtige Lernfelder für Schüler sein können (vgl. F. Kraft/H. Roose, Von Jesus Christus reden im Religionsunterricht, Göttingen 2011, 51.85 f.). Die pauschale Gegenüberstellung von »katholischer« und »evangelischer« Theologie (182–185) ist wenig hilfreich, da sie den Eindruck erweckt, als lehne evangelische Theologie die altkirchlichen Bekenntnisse ab (vgl. aber CA I und III) und als würde sich jede katholische Position diesen bedingungslos anschließen. Gewagt ist die Behauptung, Jesus habe seine Bar Mizwa gefeiert (58) – diese ist erst im Hochmittelalter nachzuweisen.
Die Entscheidung, die christologischen Themen in so viele Teilaspekte zu zerlegen, zieht nach sich, dass die Abgrenzungen nicht immer nachvollziehbar sind (so befassen sich Kapitel 6, 13 und 14 mit erlösendem Handeln sowie 8 und 13 mit dem Kreuz). Die didaktischen Perspektiven bringen auf den Punkt, welche Entscheidungen P.-M. wichtig sind. Drei Genres sind hier anzutreffen: grundsatzartige Aussagen, die Orientierungen bieten, ohne den Lehrkräften eigene Entscheidungen abzunehmen (etwa zur Gottesherrschaft, 74), konkrete Handlungsvorgaben, so sollten etwa Lehrer – der Primar- oder der Sekundarstufe? – »den Fehler vermeiden, einzelne Perikopen als erratische Blöcke isoliert zu behandeln« (48), und schließlich »ma­terialhaltige« Verweise auf Gestaltungsvorschläge anderer Autoren. Für die angestrebte Stärkung der fachdidaktischen Lehrerkompetenzen sind diese drei Formen je unterschiedlich geeignet.
Das Buch fordert dazu heraus, im Religionsunterricht »mehr Christologie« zu behandeln. Dem ist beizupflichten, allerdings mit einer Nuancierung (von Kraft/Roose s. o., 86): »Die Christologie stellt kein fixes, unumstößliches Lehrgebäude dar, das auf kanonischen Texten und dogmatischen Sätzen gründet und als solches insgesamt anzunehmen oder abzulehnen ist, sondern es stellt ein ›Spielfeld‹ dar, auf dem verschiedene Positionen vertreten werden und das zum Mitspielen einlädt.«