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Ausgabe:

Dezember/2016

Spalte:

1420

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Grotefeld, Stefan

Titel/Untertitel:

Verantwortung von Unternehmen. Überlegungen in theologisch-ethischer Absicht.

Verlag:

Zürich: Theologischer Verlag Zürich 2015. 108 S. = Theologische Studien. Neue Folge, 10. Kart. EUR 19,90. ISBN 978-3-290-17810-9.

Rezensent:

Dierk Starnitzke

Stefan Grotefeld beschäftigt sich in seiner Studie mit dem bisherigen Mangel an Ansätzen zur theologischen Unternehmensethik. Im 1. Kapitel (9-21) entfaltet er sein Ziel, nach Grundlagen für die Entwicklung einer Unternehmensethik zu suchen (13). Deshalb setzt er sich mit bereits vorhandenen Ansätzen in Philosophie und Ökonomie auseinander, um diese für die genannte Aufgabe nutzen zu können. Im 2. Kapitel wird untersucht, ob Korporationen moralische Verantwortung tragen können (23-60). Gerade die christliche Theologie habe wesentlich dazu beigetragen, dass moralische Verantwortung als etwas »zutiefst Individuelles begriffen wurde« (35). Auf diesem Hintergrund untersucht G. vier Konzepte korporativer Verantwortung. Er beginnt mit der These von Peter French, dass Korporationen als »vollwertige moralische Personen« aufgefasst werden können (37). Das wird relativiert durch den Ansatz von Patricia Werhane, dass Korporationen zwar nicht selbständig, aber als »se­kundäre Akteure« handeln können (43). Nach dem Konzept von Christian Neuhäuser können Korporationen durch die Zu­schreibung von Intentionalität als moralische Akteure aufgefasst werden. Der Ansatz von Dubbink und Smith betont schließlich die politische Notwendigkeit korporativer moralischer Verantwortung von Unternehmen, die sie wahrnehmen müssen und können. Am Ende seiner Analyse kommt der Verfasser aber zu dem Ergebnis, dass keines der Konzepte eine plausible Begründung für die These moralischer Verantwortlichkeit von Korporationen liefere. Dies sei eine »Individuen vorbehaltene Eigenschaft« (58).
Wenn G. im 3. Kapitel das Thema »Moralische Verantwortung von Unternehmen« behandelt (61-90), dann meint er deshalb im­mer die Verantwortung von Personen in diesen Organisationen. Er un­tersucht vier Konzepte, die auf die Frage der Zuschreibung einer moralischen korporativen Verantwortung Antworten geben wollen: die Shareholder-Orientierung im Anschluss an Alfred Rappaport, die Stakeholder-Orientierung im Gefolge von Edward Freeman und das Konzept des Marktversagens nach Joseph Heath. Anknüpfend an Heath betrachtet er schließlich mit Goldschmidt und Ho­mann die »Moralische Verantwortung im globalen Kontext« (85).
Die Studie ist gerahmt von Überlegungen zur EKD-Denkschrift »Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive«. Auch dieser Denkschrift fehle es »an einer eigentlichen Konzeption sozialer Verantwortung von Unternehmen« (93). G. sieht im Ansatz von Heath beim Marktversagen und in Verbindung mit Goldschmidt und Homann gute Anknüpfungsmöglichkeiten. Deshalb hält er es für nötig, zunächst »nach dem theologischen Verständnis vom Zweck der Wirtschaft zu fragen« (96), um von dort her eine theologische Unternehmensethik konzipieren zu können.
G. behandelt gekonnt und differenziert eine hoch relevante ethische Fragestellung. Dabei verharrt er jedoch einerseits in einer individualethischen Perspektive, die für Unternehmen keine eigenen ethischen Gestaltungsmöglichkeiten erkennen kann, und an­dererseits in einer wirtschaftsethischen Sicht, die Unternehmensethik aus ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung ableiten möchte. Die innovativen Ansätze z. B. der Systemtheorie, die im Handeln von Organisationen eine wesentlich größere Autonomie wahrnehmen, bleiben dabei außer Acht.