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Ausgabe:

Dezember/2016

Spalte:

1409–1411

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Gnau, Dorothea

Titel/Untertitel:

Person werden. Zu Wesen und Bestimmung des Menschen in der Theologie von Panagiotis Nellas, Christos Yannaras und Ioannis Zizioulas.

Verlag:

Würzburg: Echter Verlag 2015. XI, 304 S. = Studien zur systematischen und spirituellen Theologie, 51. Kart. EUR 36,00. ISBN 978-3-429-03819-9.

Rezensent:

Sergii Bortnyk

Der Titel dieser Arbeit beschreibt eine Thematik, die für griechische Theologie der 1960er Jahre charakteristisch war. Die Arbeit wurde 2005 als Dissertation geschrieben und an der Theologischen Fakultät der Albert-Ludwig-Universität in Freiburg im Breisgau angenommen. Ihre Autorin Dorothea Gnau (* 1971) ist katholische Theologin und Nonne, sie lebt zurzeit in Graz und ist in der Jugendarbeit engagiert.
Das Buch besteht aus drei Teilen, vor denen eine kurze Einleitung steht. Zur Erklärung, warum das Thema aktuell ist, schreibt G.: »Die theologische Anthropologie im ökumenischen Dialog war kaum explizit Gegenstand der Auseinandersetzung.« (2–3) G. verzichtet bewusst auf ein systematisch vergleichendes Herangehen, sondern zieht es vor, den Beitrag eines jeden der drei im Untertitel genannten Theologen für die Anthropologie einzeln zu betrachten. Gemeinsam ist allen drei Theologen, dass sie in der griechischen Theologie zur »Generation der 1960er« gehören. Christos Yannaras (* 1935) und Metropolit Ioannis Zizioulas (* 1931) setzen ihr theologisches Schaffen heute fort. Wegen seines vorzeitigen Todes ist Panagiotis Nellas (1936–1984) für die junge Generation auf ihrem Hintergrund weniger bekannt.
Im ersten Teil der Arbeit, der »Babylonische Gefangenschaft« heißt (15–57), betrachtet G. die den drei behandelten Theologen gemeinsame theologische und soziale Umgebung. Unter anderem beschreibt sie die Linien der Entwicklung der griechischen Theologie bis zur Mitte des 20. Jh.s: Fall Konstantinopels, Übernahme scholastischer Methodik, Konfessionalisierung und Ausbildung einer akademischen Theologie. Daneben beschreibt sie die Entstehung der Zoi-Bewegung, die bemerkenswerten Einfluss auf die behandelten Theologen hatte. Hier erwähnt sie auch die Brüche und Kontakte, die in dieser Phase der Entwicklung der griechischen Theologie aufgetreten sind und die zur Veränderung der theologischen Paradigmen beigetragen haben.
Im zweiten Teil der Arbeit, der etwa 70 % ihres gesamten Volumens ausmacht, konzentriert G. ihre Aufmerksamkeit auf die ausführliche Betrachtung des jeweiligen Beitrags der drei Theologen. Wichtig ist ihr dabei vor allem Panagiotis Nellas (59–137). Wie auch bei den beiden anderen Theologen bringt G. eine kurze Beschreibung von Leben und Werk. Danach erklärt sie die Hauptthemen seiner Anthropologie: »der Mensch als Bild Gottes«, »der Mensch nach dem Sündenfall« und »der Mensch in der Welt«. Nellas widmet in seinen Werken besondere Aufmerksamkeit der Bedeutung von Nikolaos Kabasilas (er veröffentlichte zwei Bücher über diesen vor Kurzem heiliggesprochenen Laientheologen). Der wichtigste Beitrag Nellas’ für die Anthropologie ist sein Buch Das Tier, das zur Theosis gerufen ist.
Die Werke von Christos Yannaras zeigen eine bemerkenswerte Neigung zur philosophisch-existentialen Terminologie, da er viele Jahre einen Lehrstuhl für Philosophie innehatte. G. zeichnet konsequent seinen Beitrag für die Anthropologie nach (139–193). Hier werden folgende Aspekte betrachtet: »Ontologie der Person«, »der Mensch als Person«, »Freiheit und Sünde« und »Ethos statt Ethik«. Unter seinen methodischen Prinzipien wählt G. die »Abgrenzung von einer moralistischen Engfügung« und die »dualistische Aufspaltung des Menschen in Leib und Seele«. In Blick auf Yannaras’ Rückgriff auf biblische Texte urteilt G., dass seine exegetischen Forschungen »vorher gewonnene Thesen« untermauerten (191). Zu­dem stehen G. zufolge die »Abgrenzungen von« manchmal »in der Gefahr der Einseitigkeit«, was sich in der Tendenz zeigt, »die Natur abzuwerten, wo es im Grunde um die Betonung der Person geht« (192).
Der zweite Teil endet mit der Betrachtung des Nachlasses von Metropolit Ioannis Zizioulas (195–260). Zizioulas’ Hauptthese ist nach Meinung G.s die Phrase Being as Communion, die den Titel der ersten bekannten Artikelsammlung von Zizioulas wiederholt (veröffentlicht im Jahr 1985). Leider berücksichtigt G. die Entwicklung dieser Konzeption in der späteren wichtigen Sammlung von Zizioulas’ Communion and Otherness nicht, da diese erst im Jahr 2007, nach der Beendigung ihrer Arbeit, herausgegeben wurde. G. widmet besondere Aufmerksamkeit den folgenden Themen: »Menschliches Personsein«, »Christus als Person«, »Die ekklesiale Existenzweise«, »Die Aufgabe des Menschen in der Welt«. Sie diskutiert ausführlich die grundsätzliche Frage nach dem Verhältnis von trinitarischem und anthropologischem Personbegriff (253–260). Unter anderem unterstützt sie die Meinung, dass »bei den Kappadoziern weder von einem eindeutigen Personalismus noch vom Gegenteil, einem durchgängigen Essentialismus gesprochen werden könne« (255). In der Zusammenfassung ihrer Diskussion der Personkonzeptionen bei Yannaras und Zizioulas schreibt G. zu Recht: Sie »liefern einen Antwortversuch, der jedoch, wie deutlich wurde, auch innerhalb der neueren orthodoxen Theologie nicht durchgehend konsensfähig ist« (260).
Der dritte Teil des Buches »Zusammenschau« (261–283) bietet einige wichtige Schlussfolgerungen. Hier schreibt G. über den »Personbegriff als Schlüssel zum christlichen Menschenbild«, über »Anthropologie als Dimension der gesamten Theologie« und über »Ontologie der Person«. Im ökumenischen Teil wird die Frage betrachtet, inwiefern die Anthropologie der behandelten orthodoxen Theologen eine »andere« ist als die Anthropologie des »Westens«. Sowohl in der westlichen als auch in der östlichen Theologie bleibt der Personbegriff umstritten – das betrifft seine biblische Herkunft und die Abhängigkeit von der Philosophie der Moderne.
Zugleich ist es wichtig zu bemerken, dass die neuere griechische Theologie von der Voraussetzung der Notwendigkeit der spirituellen Praxis her denkt und in der Mönchstradition verwurzelt bleibt. Die Sündhaftigkeit des Menschen und die Majestät Gottes werden zusammengedacht: »Orthodoxe Theologie kann groß vom Menschen denken, weil sie ihr Menschenbild von Gott ableitet, von dem sie groß denkt.« (279–280)