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Ausgabe:

Dezember/2016

Spalte:

1358–1360

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Aletti, Jean-Noël

Titel/Untertitel:

Justification by Faith in the Letters of Saint Paul. Keys to Interpretation. Transl. from the French by P. M. Meyer.

Verlag:

Rom: Gregorian & Biblical Press 2015. 227 S. = Analecta Biblica Studia, 5. Kart. EUR 27,00. ISBN 978-88-7653-678-6.

Rezensent:

Roland Bergmeier

Als sollte es ein Geschenk zum Reformationsjubiläum werden, legt der Jesuit und Neutestamentler am Päpstlichen Bibelinstitut in Rom einen Beitrag zur paulinischen Rechtfertigung vor, in dem er nicht müde wird, das »by faith alone« immer wieder zu wiederholen. Die Untersuchung stellt in Kapitel I das Wortfeld der Rechtfertigungssprache vor (20–22) und erhebt sodann in den Kapiteln II–IX schrittweise Umfang und Bedeutung der paulinischen Rechtfertigungslehre: II »Justification in 1 and 2 Corinthians« (29–41), III »Justification in Galatians 1–2« (43–59), IV »Justification in Galatians 3–4« (61–80), V »Galatians 3:15–4:7. Promise, Law and Justification« (81–100), VI »Paul’s Exhortations in Gal 5:16–25. Believers and Their Justice« (101–117), VII »The Arrangement of Rom 1–3 and the Ques­tion of Justification« (119–138), VIII »The Justification of Abraham, the Model for All Justification. Romans 4« (139–170), IX »The Effects of Justification Once Again. Romans 5–8 and Philippians 3« (171–188). Ein zehntes Kapitel beleuchtet »Paul and James on Faith and Works« (189–201) und führt zu dem Ergebnis, »that Paul and James are not speaking of the same thing and that it is for this reason erraneous to oppose them« (199).
Mehr noch als in allen anderen Kapiteln lässt A. in diesem die Exegese von der Analyse rhetorischer Stilmittel profitieren, s. die Tabelle zu Jak 2,14–26 in der Disposition einer Chrie (194). Die »These« Jak 2,17 in der Form einer Maxime und die Schriftbezüge auf Gen 22,9 und 15,6 seien nicht zufällig einander zugeordnet, »clearly they are alluding to Gal 3:6 and Rom 4:3, 9, 22« (196). So kann »Jakobus« gegen eine Meinung polemisieren, die sich nur zu Unrecht auf Paulus als Gewährsmann berufen könnte. Der abschließenden Zusammenfassung (203–210) folgen noch ein Abkürzungsverzeichnis, eine Bibliographie (213–224) und ein Autorenindex, der selbst die Seitenzahlen der Bibliographie auflistet. Was lässt sich als Ergebnis der Untersuchung resümieren? Anders als der lutherischen Tradition bleibt es dem Exegeten versagt, »justification by faith alone« als Herzstück oder Zentrum paulinischer Theologie zu bezeichnen, denn erst mit dem Römerbrief »the Apostle’s thought on justifi-cation becomes a prolegomenon to all soteriological and theological discussion in general« (209, vgl. 100.178). Den Nachweis dafür freilich hat A. nicht im hier angezeigten Buch erbracht, fehlen doch der exegetischen Feldbestellung, allein schon was den Römerbrief be­trifft, wesentliche Teile. Doch wer hier einen Mangel empfindet, wird gebeten, sich in den bibliographierten Beiträgen A.s eigenständig zu informieren (17). In wünschenswerter Klarheit hat A. herausgearbeitet, dass es bei »justification without works of the Law« speziell darum geht, dass Nichtjuden nicht durch Beschneidung »subjects of the Law« und also Juden werden müssen, um Zugang zu den Abrahamverheißungen zu erlangen. Schwankend aber bleibt die konkrete Wiedergabe und Deutung der griechischen Formulierungen – bis hin zur Einfügung der jedenfalls bei Paulus nicht (anders nur beim Gericht nach den Werken) belegten Attribuierungen »by their observance of the Law« (52) oder »by their own works« (S. 71) und entsprechend »by his faith« (53.64, vgl. auch 24). Den Ausdruck πίστις Ἰησοῦ Χριστοῦ bezeichnet A. als zweideutig, er bedeute »faith in Jesus/Christ« oder »faithfulness of Christ« (54). Aber bleibt dann nicht auch »by faith alone« zweideutig? Bis zum Ende (vgl. 209) umgeht A. eine eindeutige Entscheidung, wohl, weil er nicht sehen kann, dass »faith in Jesus/Christ« durchaus nicht bedeuten muss, dass Paulus »made the human act of faith the instrumental cause of justification« (142, vgl. auch 99). Es ist ja auch zu erwägen, ob Paulus nicht meint, der Christusglaube, den er mit seinem Evangelium (Gal 1,23) verkündet, sei Grund und Inhalt der Rechtfertigung, weshalb vom πιστεύειν erst in einem zweiten Schritt die Rede ist (Gal 2,16; Röm 3,22).
A. hofft gezeigt zu haben, dass eine exegetische Untersuchung zum Thema Rechtfertigung in den Paulusbriefen »has to be made without confessional preconceptions« (203). Gleichwohl treten differierende Anliegen und Wahrnehmungen hervor, wie z. B. die Ausführungen zu Röm 1–3 zeigen können. So habe »punitive divine justice«, mit der Paulus in Röm 1,18 ff. beginne, mit Rechtfertigung in »the Gospel’s perspective« nichts zu tun (119), aber die Stellen 1Thess 1,10; 5,9 belegen und das »Evangelium« des Paulus nach Röm 2,16 bezeugt, dass Paulus das anders sieht. Nicht theologisch oder anthropologisch, so A., rede Paulus von der Allgemeinheit der Sünde (vgl. 135, Anm. 34), sondern nehme nur rhetorisch jüdische und judenchristliche Sprache auf, in der Absicht nämlich, »to avoid a prior objection that would come from a pious Jew (a disciple of Christ or not), who is the implied reader of this first argumenta-tion« (120). Nahe dabei liegt wohl auch, dass A. vom Anfang bis zum Ende der Untersuchung nicht müde wird zu betonen, Rechtfertigung sei nicht nur forensisch, sondern auch transformativ (20–27.32.36.40 f.54 f.100 f.117.144.165.203.205). »Gerechtigkeit in ihm« (2Kor 5,21) muss er dann instrumental verstehen (41), würde aber einen anderen Klang annehmen, wenn das neue Sein extra nos als ein solches ἐν Χριστῷ aufzufassen wäre, in dem sich die heilsperfektische Auferstehung Christi von der noch zukünftigen Auferstehung der Glaubenden deutlich unterscheidet, zumal von einem »raised with him« (172) auch in Röm 6,5 nicht die Rede ist. Luthers Brief an Georg Spenlein vom 8. April 1516, aus dem A. auf S. 16 zitiert, markiert in der Tat eine Gegenposition: »Hüte dich, dass du nie nach einem so hohen Grad von Reinheit strebst, dass du dir nicht mehr als Sünder erscheinen oder gar kein Sünder mehr sein willst. Denn Christus wohnt nur in Sündern.« Die Bemerkung (ebd., Anm. 13), dass Rechtfertigung für Luther forensisch bleibe, wäre im Übrigen nicht nötig gewesen, weil auch ihm iustificare nicht nur reputare iustum, sondern auch iustum efficere bedeutete.