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Ausgabe:

Oktober/2016

Spalte:

1070–1072

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Becking, Bob, and Hans M. Barstad [Eds.]

Titel/Untertitel:

Prophecy and Prophets in Stories. Papers Read at the Fifth Meeting of the Edinburgh Prophecy Network, Utrecht, October 2013.

Verlag:

Leiden u. a.: Brill 2015. 286 S. = Oudtestamentische Studiën, 65. Geb. EUR 110,00. ISBN 978-90-04-28909-3.

Rezensent:

Klaus-Peter Adam

Exegese in den Prophetenerzählungen konzentriert sich im europäischen Raum im Gefolge Analyse des Materials im DtrG bzw. in Chr häufig auf redaktions- und quellenkritische, religionsgeschichtliche, biblisch-theologische Fragestellungen oder grundlegend auf die formgeschichtlichen Unterschiede von Orakelsammlungen und reinen Prophetenerzählungen. Der von M. Barstad und B. Becking herausgegebene Tagungsband mit 15 Beiträgen zu Prophetie in Prophetenerzählungen, neun davon zu den biblischen Prophetenerzählungen, weitet den Blick von diesen klassischen Themen auf Prophetie als kontinuierliches Phänomen innerhalb und außerhalb der Bibel. Die Herausgeber verstehen den vielfältigen Rekurs auf Prophetie grundsätzlich als eine behauptete bzw. teils erfundene Anbindung und prophetische Tradition (7). Folgerichtig geht die Sammlung weit über Themen biblischer Prophetenforschung hinaus und bezieht nachbiblische Prophetie im weiteren Sinne mit ein, um dadurch eine Schnittmenge dessen abzubilden, was als Prophetie verstanden wird und wie sich in ihr ein allgemein-anthropologisches Phänomen ausdrückt (1).
Im ersten Teil zur Prophetie im Nahen Osten findet sich der Beitrag von Meindert Dijkstra, Prophets, Men of God, Wise Women: Dreams and Prophecies in Hittite Stories. D. beschreibt hethitische Überlieferungen zur Traumdivinatorik sowie Prophezeihungen in der Erzählüberlieferung (11–28), etwa von Gottesmännern oder von Träumen mit Orakeln. D. stellt diese als Reflexe divinatorischer Praxis grundsätzlich in eine Beziehung zur biblischen prophetischen Tradition.
Neun Beiträge behandeln im 2. Teil Prophetie in der Hebräischen Bibel.
Anne-Mareike Wetter, The Prophet and the King: Is there Such a Thing as Free Prophetic Speech? (29–44), klärt die Bedingungen der Möglichkeit freier Rede in der Zeit der biblischen Propheten. Der Typus des Propheten in der Wüste sei der Prototyp des Propheten schlechthin und das Ideal »institutionalisierter« Prophetie in der Erzählungüberlieferung.
Graeme Auld, Isaiah and the Oldest »Biblical« Prophetic Narrative (45–63), beschreibt die sprachlichen Eigenheiten der vier Überlieferungen, die sich sowohl in Samuel als auch in Chronik finden: Gad/David; Micha/Josaphat; Jesaia/Hiskia; Hulda/Josia; z.B. den Gebrauch von yesh, hineh; von hayom/hayom ha zeh; sowie des inf. abs. Diese Merkmale unterscheiden diese Überlieferungen sowohl von Sam/Kön als auch von Chr. Die Sam/Kön und Chr gemeinsamen prophetischen Überlieferungen seien zeitlich vor dem jeweils nur in Sam/Kön oder Chr gefundenen prophetischen Material anzusetzen.
William L. Kelly, Prophets, Kings and Honour in the Narrative of 1Kings 22 (64–75), sucht durch narratologische und sozialkritische Forschung an einer exemplarischen Erzählung zu zeigen, dass »Ehre« eine Schlüsselkategorie für das genaue und nuancierte Verstehen von falscher und wahrer Prophetie sei und wie dieses Verständnis über das klassische Verständnis der prophetischen Legitimationsfunktion für die Feldzüge des Königs im Kriegsfall hinausführe.
Reinoud Oosting, Text and History of Isaiah 20: Its Development within the Isaianic Tradition (76–91), bietet eine literarkritische Analyse des Kapitels im Spannungsfeld seiner historischen Anspielungen auf den Aschdodaufstand gegen Sargon II 711 v. Chr. Die Anspielungen auf Ägypten am Kapitelende stellen Fragen nach seiner Einordnung. Anhand sprachlicher Merkmale nimmt O. eine ältere Grundschicht einer Jesajaerzählung mit dtr Überarbeitung an.
Thomas Wagner, From Salvation to Doom: Isaiah’s Message in the Hezekiah Story (92–103), beschreibt drei Phasen der Integration der Jesajaerzählung in das Großjesajabuch, die von einem Verständnis Jesajas als Heilsprophet zum Unheilsprophet führen. Jesajas prophetische Unheilsbotschaft wird dem König überbracht, betrifft aber eine spätere Generation. W. beschreibt die Veränderungen der Jesajabotschaft im Zuge der Integration in die Hiskiaerzählung (mit Verweis auf Sweeney: c.3 6f. vom 7.–6. Jh.; c.38f. im Zuge der frühnachexil. Verknüpfung mit II-Jesaja; danach Hiskiapsalm), u. a. die Beschreibung des Einflusses eines Einzelnen auf die Gerichtsbotschaft sowie die Verzögerung des Gerichts.
Blaženka Scheuer, Huldah: A Cunning Career Woman? (104–123), erörtert, ob der Name Hulda und sein Verständnis in der späteren Überlieferung die Lesung der älteren Huldaüberlieferung in 2Kön beeinflusst hat. Die positive Bedeutung »Wiesel« wird später teils negativ als »Ratte« umgedeutet. Die Verbindung von Frauen und Wieseln hat alte Wurzeln; die Hebamme wird bei der Geburt des Herkules in ein Wiesel verwandelt. S. fragt nach möglichen Einflüssen auf die christliche Überlieferung.
Matthijs de Jong, Rewriting the Past in Lof the Present: The Stories of the Prophet Jeremiah (124–140), beschreibt die Entwicklung vom Orakel zur Prophetenerzählung ausgehend von assyrischen und griechischen Parallelen, in denen die Erzählform den Abschluss der Überlieferung darstellt. Die Jeremiatradenten standen vor der Herausforderung Jeremias Unheilsankündigung erzählerisch als ergebnisoffene Warnung darzustellen, nicht als bereits be­schlossenes Unheil angesichts des Ungehorsams. Sie prägten das Verständnis Jeremias als Unheilsprophet.
Pancratius C. Beentjes, King Asa and Hanani the Seer: 2Chronicles 16 as an Example of the Chronicler’s View of Prophets and Prophecy (141–151), versteht das Bündnis Asas mit Benhadad von Damaskus als Grund für die Einschaltung der Prophetenerzählung über Hanani 2Chr 16,7–10 und stellt die chronistische Theologie in dem Abschnitt dar.
Bob Becking, Haggai and Zechariah in the Stories of Ezra and 1 Esdras (152–165), hebt die Bedeutung der Propheten zur Überwindung der Krise der Wiedererrichtung des Tempels hervor. Anders als in der biblischen Esraüberlieferung bereite in 1Esdras die Erzählung von drei Wachmännern diese Wendung vor. Haggai und Sacharja werden als positive prophetische Gegenbilder zu den schlechten Propheten stilisiert, die den Wiederaufbau verhindern wollten.
Der dritte Teil stellt unter dem Titel »Nachleben« die nachbiblische Prophetenüberlieferung vor.
Hannes Bezzel reflektiert über Ha­bakkuk in the Lion’s Den, Dan 14,33–39 (Bel 33–39), (169–182). Die Entrückung Habakkuks mit dem Zweck, Daniel zu versorgen, ist keine unabhängige Tradition über die Beschaffung koscheren Es­sens in der Diaspora (gg. Kottsieper), sondern eine für ihren jetzigen Kontext verfasste Überlieferung (proto-)apokalyptischer Kreise über zwei verwandte Gestalten, Habakkuk stärkt Daniel im We­sentlichen durch seine Botschaft, in deren Zentrum Hab 2,4b steht.
Drei Beiträge reflektieren jüdische, christliche und muslimische Prophetenbilder.
Elizabeth Hayes, More than just a Pretty Coat: The Story of Joseph the Dreamer from Jewish, Christian and Islamic Perspectives (183–194), spürt Varianten des »Träumers Joseph« in einer Vielzahl kultureller Verarbeitungen in der Poesie, der darstellenden Kunst sowie im Drama nach.
Eric Ottenheijm, Elijah and the Messiah (b.Sanh. 98a), (195–213), geht den Varianten rabbinischer Eliabilder nach. Elia übernimmt eine Vielzahl von Rollen, er wird als Prototyp des heilenden Lehrers verstanden; wird als Helfer der Lehrer gezeichnet und ferner als Lehrer der Eschatologie oder des Rechts. Elias verschiedene Funktionen sind jeweils legitimiert durch Elias Himmelfahrt sowie durch seine Funktion als Verkünder der Endzeit bzw. für die Rabbinen – sowohl als Kommentator als auch als legitimierende und autorisierende Figur.
Marcel Poorthuis, From Noah to Nuḥ: The Making of a Prophet (214–229), beschreibt die facettenreichen Bilder von Noah/Nuḥ in der jüdischen, christ-lichen und muslimischen Überlieferung und wie seine besondere Weise des Umgangs mit hereinbrechendem Un­heil im Einzelnen dargestellt wird: Die neutestamentliche Überlieferung betont deren Unerwartetheit, während die syrisch-christ­liche und die muslimische Überlieferung Noah in seiner Funktion als ernsthaften Warner verstehen, den seine Umgebung jedoch der Lächerlichkeit preisgibt.
Der abschließende Beitrag von Willem Frijhoff, An Early Modern Young Prophet: The Heavenly Messages of Evert Willemsz Bogaert and their Recognition, 1622–23 (230–242), beschreibt wie die Visionen des Waisenjungen E. W. Boogert, offiziell durch die lokalen Autoritäten als authentische, wahre Prophetie bestätigt, dem Visionär den Weg ins geistliche Amt in der Reformierten Kirche öffneten, das ihn schließlich nach New York führte.
Eine Bibliographie und Autorenregister runden den Band ab. Wenn­gleich die Herausgeber die Auswahlkriterien für die Beiträge zur Wirkungsgeschichte nicht benennen, ist deren Einschluss in einen Band über biblische Prophetie zu begrüßen.