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Ausgabe:

Oktober/2016

Spalte:

1057–1059

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Wehnert, Jürgen [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Der Klemensroman. Übers. u. eingel. v. J. Wehnert.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2015. 338 S. = Kleine Bibliothek der antiken jüdischen und christlichen Literatur. Kart. EUR 35,00. ISBN 978-3-525-53461-8.

Rezensent:

Tobias Nicklas

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Albrecht, Felix [Hrsg.]: Die Weisheit Salomos. Übers. u. eingel. v. F. Albrecht. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2015. 70 S. m. 2 Abb. = Kleine Bibliothek der antiken jüdischen und christlichen Literatur. Kart. EUR 10,00. ISBN 978-3-525-53464-9.
Lang, Bernhard [Hrsg.]: Die Taten des Petrus. Übers. u. eingel. v. B. Lang. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2015. 88 S. m. 1 Abb. = Kleine Bibliothek der antiken jüdischen und christlichen Literatur. Kart. EUR 10,00. ISBN 978-3-525-53463-2.
Gesche, Bonifatia [Hrsg.]: Die Esra-Apokalypse. Übers. u. eingel. v. B. Gesche. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2015. 72 S. = Kleine Bibliothek der antiken jüdischen und christlichen Literatur. Kart. EUR 10,00. ISBN 978-3-525-53462-5.


Gleich vier Bände der neuen, von Jürgen Wehnert herausgegebenen Reihe »Kleine Bibliothek der antiken jüdischen und christlichen Literatur« gilt es hier vorzustellen. Leider beinhaltet keiner der vorzustellenden Bände ein Vorwort des Herausgebers, das den Hintergrund der Reihe erläutert – jedoch geht es ganz offensichtlich darum, wichtige nichtkanonische Texte des frühen Judentums wie auch des antiken Christentums in einer günstigen Ausgabe in deutscher Übersetzung vorzulegen. Dies ist sicherlich sinnvoll und zu unterstützen. Die folgenden zum Teil kritischen Anmerkungen verstehen sich vor diesem Hintergrund und wollen vor allem Impulse bieten, um die (hoffentlich) folgenden nächsten Bände zu optimieren.
Alle vier Bände bieten je eine knappe Einleitung in den zu übersetzenden Text, eine kurze Auswahlbibliographie sowie eine deutsche Übersetzung mit nur sehr dünnem Anmerkungsteil. Meine Diskussion orientiert sich weniger an Details der Übersetzung als am erkennbaren Konzept der Reihe.
Bereits auf den ersten Blick auffallend und etwas verstörend sind die Titel der vorgelegten Bände. Während deutlich ist, welcher Text mit der »Weisheit Salomos« gemeint ist, kann man bei den »Taten des Petrus« – übersetzt werden Texte, die üblicherweise als Petrusakten bezeichnet sind – schon etwas stutzen. Gerade für ein Nicht-Fachpublikum mag das irritierend wirken. Ähnlich ist dies der Fall bei der »Esra-Apokalypse«, bei der der Text gemeint ist, der üblicherweise als 4Esra bezeichnet wird (ohne Kapitel 1–2 sowie 15–16, die als 5 und 6Esra gelten), und nicht die griechische Esra-Apokalypse. Als Klemensroman angeboten wird eine Übersetzung der pseudoklementinischen Homilien – es handelt sich um eine überarbeitete Fassung der Übersetzung, die erst vor wenigen Jahren im gleichen Verlag, aber in anderer Reihe – »Kommentare zur apokryphen Literatur« – erschienen ist.
Trotz dieser »Doppelung« ist natürlich die Übersetzung des »Klemensromans« besonders verdienstvoll, wird doch dieser be­deutsame Text so überhaupt erst einem breiteren deutschsprachigen Publikum zugänglich gemacht. Warum dagegen die Weisheit Salomos eines eigenen Bändchens gewürdigt werden muss, die doch eigentlich als für Katholiken deuterokanonischer und auch im protestantischen Bereich wenn auch apokrypher, so doch hochgeschätzter Text leicht in Bibelausgaben zugänglich ist, erschließt sich mir nicht.
Dies liegt auch daran, dass die Bände zwar Übersetzungen, je­doch z. B. im Vergleich zu den Ausgaben in den jüdischen Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit doch sehr wenige erläuternde Anmerkungen zum Text bieten. Für ein Publikum z. B. von Studierenden wären jedoch vielleicht wenigstens durchgängige Hinweise zu den wichtigsten Parallelstellen, aber auch konsequente Erläuterungen zu Übersetzungsentscheidungen interessant und hilfreich gewesen.
Die Einleitungen zu den einzelnen Texten sind solide, besonders sinnvoll für Erstleser erscheinen mir vor allem die Angaben zu Inhalt und Aufbau des jeweiligen Werks, die leider beim Klemensroman, der doch dem Leser (wenigstens passagenweise) einiges an Geduld abnötigt, etwas knapp ausfallen. Besonders hilfreich ist sicherlich auch die Übersicht über die wichtigsten Figuren der Handlung, wie sie bei den Petrusakten vorgenommen wird. In einigen Fällen ergibt sich Kritik im Detail, die der Vollständigkeit halber angeführt sei: Die Aussage, es befänden sich »unter den Weisheitsbüchern der Septuaginta Schriften, deren Zugehörigkeit zum Kanon der biblischen Bücher angezweifelt wird und die deshalb nicht von allen Christen als kanonisch anerkannt werden, die sogenannten deuterokanonischen Schriften« (Weisheit, 10), ist so na-türlich schief formuliert: Christen, die die Weisheit Salomos nicht als kanonisch anerkennen, bezeichnen sie als »apokryph«, während diese in der katholischen Kirche als »deuterokanonisch« eingeordnet werden. Das dritte Makkabäerbuch als eine »Weisheitsschrift« zu beschreiben (Weisheit, 11) ist doch zumindest eigenartig. Die vorgelegte (doch sehr) konkrete, in der Forschung keineswegs unumstrittene Datierung des Textes in die »frühe römische Kaiserzeit« und dies nur aufgrund seiner »Sprachgestalt« (Weisheit, 13) halte ich für kühn; ob für ein studentisches Zielpublikum Hinweise auf Kommentierungen des Textes durch Nerses von Lambron (1153–1198), »Angehöriger des hethumidischen Hochadels« (Weisheit, 14), hilfreich sind, wage ich zu bezweifeln. Hilfreicher wäre sicherlich eine Einordnung in die alttestamentliche Pseudepigraphie und dabei vor allem breitere Hinweise auf Bezüge zu anderen Salomo-Schriften – das sich zumindest implizit auf Salomos Autorität berufende Buch Kohelet bleibt dabei unerwähnt.
Im Band zur »Esra-Apokalypse« wird schon dadurch, dass die Autorin mit dem 4. Buch Esra parallel zwei verschiedene Kompositionen – einerseits 4Esra 3–14, andererseits alle 16 Kapitel der Komposition aus 4–6Esra – beschreibt, die Verwirrung um die verschiedenen Esra-Texte nicht unbedingt verringert (Esra-Apokalypse, 7–8); die allzu sichere Datierung des Textes auf das Jahr 100 n. Chr. (aufgrund von 4Esra 3,1) ist umstrittener, als die Autorin das zu­gibt; gleichzeitig scheinen mir die angegebenen Verortungen nach »Rom oder Palästina« (Esra-Apokalypse, 9) doch erklärungsbedürftiger, als sie sich hier geben. Dies hängt auch damit zusam men, dass die Frage der ursprünglichen Sprache des Textes in der Einleitung ungeklärt bleibt. Hochkompetent ist die Einleitung zum Klemensroman, stark auch die zu den Petrusakten – auch wenn ich daran zweifeln würde, dass dessen Szene vom sprechenden Hund durch 2Petr 2,16 angeregt ist (Taten des Petrus, 11). Hier werden Antworten auf Einleitungsfragen argumentativ entwickelt und so deutlich gemacht, dass es sich hierbei nicht um fixes Wissen, sondern Ergebnisse eines Diskurses, einer Auseinandersetzung mit dem Text handelt.
Etwas unklar bleiben die Kriterien zur Auswahl der Sekundärliteratur in der Kurzbibliographie: Warum ein so wichtiges Werk wie Michael Stones monumentaler Kommentar zum Vierten Esrabuch (Minneapolis, 1990) oder die (auch aufgrund ihrer ausführlichen Bibliographien) wichtige Reihe wie die von Jan Bremmer betreuten »Studies on Early Christian Apocrypha« unter den Tisch fallen, erschließt sich mir nicht. Gleichzeitig wird Fickers Einleitung und Übersetzung der Petrusakten aus dem Jahr 1904 angegeben.
So ergibt sich als Fazit, dass die junge Reihe zwar willkommen ist, ja eine sicherlich wertvolle Initiative darstellt, die Qualität der bisher erschienenen Einzelbände doch sehr schwankt. Zugleich zeigen sich einige »Kinderkrankheiten«, die in Griff zu bekommen sind, wenn noch konsequenter, als dies bisher der Fall zu sein scheint, darüber nachgedacht wird, wer denn das Zielpublikum der weiteren zu erwartenden Bände sein mag.