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Ausgabe:

Oktober/2016

Spalte:

1054–1057

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Vita, Juan-Pablo

Titel/Untertitel:

Canaanite Scribes in the Amarna Letters.

Verlag:

Münster: Ugarit-Verlag 2015. XII, 179 S. u. 78 Taf. = Alter Orient und Altes Testament, 406. Kart. EUR 97,00. ISBN 978-3-86835-098-2.

Rezensent:

Schreiber

Ziel der Untersuchung des spanischen Altorientalisten Juan-Pablo Vita Barra ist es, aufbauend auf ähnlichen Beobachtungen von J. A. Knudtzon (Die El-Amarna-Tafeln I.II, Leipzig 1907/1915) und petrographischen Untersuchungen eines israelischen Teams (Goren, Y./ Finkelstein, I./Na’aman, N., Inscribed in Clay. Provenance Study of the Amarna Tablets and Other Ancient Near Eastern Texts, Tel Aviv 2004) durch genaue paläographische Beobachtungen des Schreibstils und der jeweils verwendeten Spracheigentümlichkeiten die Amarna-Briefe einzelnen Schreibern zuzuordnen. Mit dieser wichtigen und die Forschung stark weiterführenden Arbeit ist ihm dies voll und ganz gelungen.
Das Buch besteht im Wesentlichen aus fünf Teilen. Auf eine Einführung, in der kurz die Methodik vorgestellt wird, folgt als Hauptteil der gesamten Monographie eine Behandlung der einzelnen Absenderorte der Briefe (»Localities and Scribes«). Darüber hinaus gibt es einen Abschnitt 3 »Case studies and perspectives«, ein umfangreiches Register (mit Bibliographie) und insgesamt 78 Tafeln mit Abbildungen der einzelnen Briefe.
Der Hauptteil der Arbeit mit den Absenderorten ist in verschiedene Großregionen (Mittlerer Orontes, Amurru und benachbarte Königtümer, Beqa‘-Ebene, Mittelsyrien, Phönizien, nördliches sowie zentrales und südliches Palästina) unterteilt. Innerhalb dieser geographischen Grobgliederung werden dann die einzelnen Absendeorte aufgelistet und ausführlich behandelt.
Das konkrete Vorgehen soll hier am Beispiel der Stadt Megiddo vorgestellt werden. Biridiya, der Herrscher von Megiddo, ist aufgrund der Absenderangabe jeweils der Absender der Briefe EA 242–247 und 365 (vom Vf. als »Historical corpus« bezeichnet). EA 365 wurde erst nach der Erstellung der umfassenden Erstpublikation von Knudtzon bekannt. Der Duktus all dieser Briefe ist derselbe, so dass trotz kleiner sprachlicher Unterschiede von einem einheit-lichen Schreiber ausgegangen werden kann.
Der Vf. zeigt hier für jeden einzelnen Brief die einheitliche Herkunft auf. Biridiyas Schreiber verfasste, wie derselbe Schriftduktus zeigt, auch die Briefe EA 248 (aus Taanach) und 250 (aus Rechob), die aufgrund der Absenderabgabe nicht von Biridiya stammen. Dies wurde schon von Knudtzon bei seiner Analyse des Schriftduktus richtig erkannt. Der »Linguistic corpus«, also die aufgrund von linguistischen Kriterien einem bestimmten Ort zuzuschreibenden Briefe, umfassen somit EA 242–247, 248, 250 und 365 und können allesamt einem in Megiddo ansässigen Schreiber zugewiesen werden (»Scribe 1«). An anderen Orten lässt sich dagegen beobachten, dass die Briefe von bis zu neun (so bei Byblos) unterschiedlichen Schreibern verfasst wurden. Die gründliche Untersuchung der »Handschrift« der Schreiber, mit deren Hilfe auch Texte von anderen Orten einem bestimmten Schreiber zugeordnet werden können, bildet den wesentlichen Erkenntnisfortschritt der Arbeit. Eine Bibliographie zu den einzelnen Briefen schließt die jeweiligen Orte ab.
Diese Vorgehensweise des Vf.s ist sehr überzeugend und hilfreich. In Einzelfällen haben sich neue Herkunftsangaben der Briefe ergeben. Allerdings muss bemängelt werden, dass die Fragen der historischen Topographie und damit der genauen lokalen Verortung der Briefe bei dem Vf. kaum eine Rolle spielen. Die meisten seiner Ortslagen sind sicher lokalisiert (z. B. Megiddo, Gezer), andere dagegen sind umstritten. Hier vermisst man eine gründliche Recherche. Anaharat wird beispielsweise im Gefolge von Goren et al. mit Tel Rekhesh identifiziert, »located on the western shore of Lake Tiberiad« (72). Die Identifikation mit Tel Rekhesh ist wahrscheinlich, aber nicht unumstritten, da man in der Vergangenheit auch viele andere Ortslagen mit diesem Tell gleichgesetzt hat. Tel Rekhesh liegt zudem gut 10 km Luftlinie südsüdwestlich des Sees (richtig eingezeichnet auf der Karte S. 11). Solche Lokalisationen sind aber wichtig, um die Beziehungsstrukturen zueinander zu verstehen.
Das abschließende Kapitel »Case Studies and Perspectives« bietet dann einige weitere Ergebnisse. Hierzu gehören die ausführliche Begründung der Zuweisung von EA 308 zum Corpus von Aschkelon, aber auch einige paläographische Äußerungen. Als historisch-topographisches Problem wird Sabuma (nicht als Zaphon zu lesen!) in EA 274:16 besprochen. Der Ort ist in der Gegend von Gezer zu suchen und mit dem biblischen Zeboim identisch (1Sam 13,18; Neh 11,34). Historisch ist vor allem bemerkenswert, wie eng Aschkelon mit dem ägyptischen Hof zusammenarbeitete; hier wurden mehrere Briefe auch für andere Orte verfasst. Einige Orte haben nach der Untersuchung des Vf.s kein linguistisches Corpus mehr (Irqata, Ardatu, Haschabu, Ziri-Baschan, Qanu, Tubu, Naziba, Schas’imu, Taanach und Sapuma). Bemerkenswert ist, dass die Schreiber von Muschikhuna, das in der Beqa‘-Ebene gesucht werden muss, für Briefe von zahlreichen Herrschern in der Beqa‘, aber auch im Hauran verantwortlich sind, während die Schreiber von Amurru die Briefe der syrischen Küstenstädte verfassten. Insgesamt lassen sich 103 verschiedene Schreiber nachweisen, die je bis zu 23 Briefe verfasst haben. Offenbar gehörte in der Regel zu jedem Herrscher ein eigener Schreiber. Wurden Briefe von anderen Schreibern verfasst, kann dies z. B. mit der Abfassung in ägyptischen Zentren oder mit Besuchen bei einem anderen König (»Konferenz«) begründet werden.