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Ausgabe:

Oktober/2016

Spalte:

1052–1054

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Thompson, Richard Jude

Titel/Untertitel:

Terror of the Radiance. Aššur Cov-enant to YHWH Covenant.

Verlag:

Fribourg: Academic Press Fribourg; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2013. X, 266 S. = Orbis Biblicus et Orientalis, 258. Geb. EUR 80,00. ISBN 978-3-7278-1737-3 (Academic Press Fribourg); 978-3-525-54381-8.

Rezensent:

Klaus-Peter Adam

Die im NELC Department der Harvarduniversität entstandene überarbeitete Dissertation von Richard Jude Thompson untersucht die These des grundsätzlichen Verständnisses M. Noths, der Abfall Israels und die Untreue gegenüber dem Gesetz seien das Zentrum des Deuteronomistischen Geschichtswerkes und die argumentative Grundlage für den Landverlust. Die Untersuchung sucht das zugrundeliegende Bundesverständnis durch eingehende synchrone Lesung zu erhärten und fasst die o. g. Aussage des DtrG zusammen: Yahweh erkläre anderen Göttern Krieg, befehle seinen Nachfolgern Eroberungsfeldzüge, um den Berg der Amoriter (Dtn 1,7) und das Land Kanaan (Dtn 32,49) Yahweh zu weihen sowie die dortigen Bewohner zu töten (Dtn 7,1–2). Folgerichtig belohnten YHWH und seine Sprecher, die Propheten, Gehorsam bzw. bestraften Ungehorsam. Israels Ungehorsam verursachte die Durchsetzung des Reichsrechts, d. h. die Verurteilung zum kollektiven Tod bzw. Exil (1).
Im Anschluss an eine Bestandsaufnahme der Forschung am DtrG erschließt T. fünf Elemente des dtr Militärbundes: Kriegserklärung, inklusive Verpflichtung zur Ausrottung; Gehorsam ge­genüber Yahweh und den Propheten; Durchsetzung durch Androhung des individuellen bzw. kollektiven Todes bei Fehlverhalten; universale Autorität der Gottheit; ein starkes Militär unter prophetischer Führung (42).
Diese These veranschaulicht T. in drei Durchgängen: Zunächst stellt er die religiöse Kultur Jerusalems des 8.–7. Jh.s im Kontext der levantinischen Bronze- (bzw. Eisenzeit-)Kulturen dar; exemplarisch an der ugaritischen Kultur. Strukturell finde sich dort die triadische Götterfamilie; El, Paredros, Göttersöhne, die sich vom dyadischen Modell Yahwehs und seiner Mittler/Propheten in Israel unterscheide. Diese levantinische Religion kenne also kein Bêt `āb-Paradigma; d. h., Israels vor-dtr Religion unterscheide sich von seiner levantischen Umwelt und folgerichtig könne das dtr Bundes-Paradigma nicht aus den levantinischen Umweltkulturen hergeleitet werden (48–74).
Der zweite Durchgang (75–112, Kapitel 4) widmet sich der u. a. von Mendenhall gestellten Frage nach den rechts- und kulturgeschichtlichen Analogien des dtr Bundesverhältnisses in hethitischen Vasallenverträgen. T. analysiert die einschlägigen Verträge des 14.–13. Jh.s, hethitische Religion, Annalen und Kriegsberichte, und vergleicht sie in groben Linien mit der dtr Bundestheologie. Die Loyalitätsforderung sei in beiden Kulturen ähnlich; beide definierten Unrecht im Sinne von Bündnisbruch; in beiden kollidierten die patrilineare Herrscherfolge mit übergeordneten Regeln des Reiches; in beiden Kulturen fungierten Vasallenverträge faktisch als Rechtsbegründung für militärische Eroberungen; bei beiden Bundesvorstellungen handele es sich jeweils um eine autokratisch errichtete rechtliche Herrschaft; die Dtr verwendeten allerdings ein der Struktur nach internationales Vertragsformular für Yahwehs Bund mit dem eigenen Volk; eine den israelitischen Propheten entsprechende Instanz fehle in der hethitischen Verwaltung; die hethitischen Verträge könnten insgesamt nicht als Quelle oder Vorläufer der dtr Bundesvorstellung gelten (109–112).
Im dritten Teil sichtet T. chronologisch geordnet Belege für Bündnisvorstellungen in neuassyrischer Zeit von Assurnasirpal II bis Assurbanipal (Kapitel 5, 113–154), und skizziert auf der historischen Grundlage neuassyrische Königsideologie in Grundzügen, wie etwa die Repräsentanzfunktion des Königs für den Reichsgott Assur, das Konzept des göttlichen Strahlglanzes sowie die Gehorsamsforderung und die Stellung der Klasse der Schreibkundigen (ummiānū, 153–154).
Der vierte Teil untersucht die Beziehungen der neuassyrischen Herrschaft zu den levantinischen Staaten anhand der Inschriften aus Tell Fe­heriye, der Mesha-Inschrift, der Inschrift Kilamuwas von Send-shirli, Zakkurs von Hamath, Panammuwas, den Sfirestelen, Azatiwadas aus Karatepe, Barrakibs aus Sam’al (Kapitel 6, 155–188) auf deren Stellung im Spannungsfeld zwischen assyrischen Bündnisforderungen und lokaler Kultur und Autonomie, die mehrheitlich eine Tendenz zur Assimilation mit Assur zeigten; nur die Panammuwainschrift sei frei von assyrischen Einflüssen, während die Meschainschrift, die Kilamuwainschrift, die Zakkurinschrift, die Azatiwada- und Barrakibinschriften Ideologien imperialer Unterdrückung darböten (187–188).
Kapitel 7 vergleicht den Assurbund mit dem Yahwehbund (189–234) anhand der prophetischen Reaktion im levantinischen Jerusalem im Bereich der materialen Kultur, der Geschichte und der Literatur. Im Gefolge Ottos sieht T. eine tiefreichende Absorption von und Anpassung an imperiale Werte und Ideologien zur spezifischen Situation in Jerusalem im DtrG (231). Beispielsweise sei das Konzept des göttlichen Strahlglanzes aus der neuassyrischen Ideologie in die Beschreibung Yahwehs übernommen worden, vgl. Dtn 2,25; Jos 2,9; 4,24; 1Sam 12,14; 2Sam 22,13–14; 1Kön 8,40 u. a. (228). Der Auftrag zur Vernichtung fremder Kulturen reflektiere die Annexionspolitik Tiglath-Pilesars III, einschließlich der üblichen Deportationen oder der Vernichtung verbleibender Be­völkerungsgruppen. So solle das Land in den produktiven Dienst der göttlichen Armee gestellt werden (232). Die Klasse der prophetischen Schreiber, die das DtrH verfassten, habe ihr Vorbild in den Schreibern aus Assyrien, namentlich seien der arad oder ardat Nabû, die Diener Nabus, in ihrer Funktion als militärische und politische Ratgeber zu vergleichen (230–233). Der Löwenanteil des DtrG sei in einem ersten Exil (732–587 v. Chr.) sowie im zweiten Exil in Babylon verfasst worden und bezeuge die Veränderung von einem lokalen phönizischen bzw. kanaanäischen Gottesbild in ein militärisch-imperiales (234).
Die klar gegliederte, gut lesbare, anregende und knappe Studie versteht sich nicht als Diskussionsbeitrag zur historischen und literarischen Komplexität des Prophetenbildes im DtrG, das sie nur in Umrissen in den Blick nehmen kann. Sie argumentiert vor allem religionsgeschichtlich und ist insofern verdienstvoll, als sie im englischsprachigen Bereich Noths Theorie und gegenwärtige Theoriediskurse aufgreift und das biblische Bundesverständnis im DtrG im Licht gegenwärtiger Forschung zu hethitischen, neuassyrischen und levantinischen Urkunden konzeptionell diskutiert.