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Ausgabe:

Januar/1999

Spalte:

85–87

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Stinglhammer, Hermann

Titel/Untertitel:

Freiheit in der Hingabe. Trinitarische Freiheitslehre bei Hans Urs von Balthasar. Ein Beitrag zur Rezeption der Theodramatik.

Verlag:

Würzburg: Echter 1997. XVIII, 428 S. gr.8 = Bonner dogmatische Studien, 24. Kart. DM 56,-. ISBN 3-429-01886-2.

Rezensent:

Michael Roth

Stinglhammers Promotionsschrift hat Balthasars Theodramatik, die neben Balthasars Ästhetik und der Theologik den zweiten Teil seiner Trilogie bildet und nach Bekunden des Vfs. "das Zentrum der Trilogie wie auch der Theologie Balthasars insgesamt" (5) ist, zum Gegenstand. Zeigt sich im Blick auf die Forschungsliteratur zu Balthasar, daß die Freiheit "noch nicht als systembildendes und formgebendes Thema seiner Theologie und als positive[r] Gehalt seines Denkens zur Darstellung gebracht [wurde]" (3) - nicht zuletzt aus dem Grunde, weil Balthasar gerade vorgeworfen wurde, sein "theozentrisches Denken gebe der menschlichen Freiheit zu wenig Gewicht und pervertiere sie in eine rigorose Gehorsamtheologie" (3) - so macht es sich der Vf. zur Aufgabe, "nachzuweisen, daß Freiheit- und zwar Balthasars eigenes Verständnis von Freiheit als dialogische und gemeinschaftliche Freiheit der Liebe zu einem Du - nicht nur ein Thema, sondern das innerste Movens seiner Theologie und ihren ureigensten Herzschlag ausmacht" (4). Wurzelt nach Ansicht des Autors die Kritik an Balthasars Freiheitsverständnis in einem neuzeitlichen, individualistischen Begriff von Freiheit, "der mit dem Schlagwort der Autonomie als egozentrischer Selbstbestimmung belegt werden kann" (4), so soll gezeigt werden, wie Balthasar "eine humane Gestalt der Freiheit aufzeigen kann, die als Hingabe und Dienst am Du den christlichen Lösungshorizont für die individuellen, sozialen und globalen Probleme der Gegenwart ausmacht" (4 f.).

Die Arbeit gliedert sich nun in zwei Hauptteile. Im ersten Hauptteil (8-110) entfaltet der Vf. diese systematische These. In einem ersten Kapitel (8-38) zeigt St. vor allem aus der Wahl der dramatischen Form die Bedeutung der dialogischen Gestalt der Freiheit für Balthasars Werk. So bietet gerade die theodramatische Inszenierung von Theologie Balthasar die Möglichkeit, "die Problematik des Menschen innerhalb der vielfachen Begrenzungen seiner Freiheit darzustellen und ihr eine theologische Lösung zuzuführen" (37).

In dem zweiten Kapitel (39-71) bietet St. eine Gliederung der Theodramatik und stellt dabei "Freiheit innerhalb der Begegnung von Gott und Mensch als den Inhalt der Theodramatik heraus" (71).

In dem dritten Kapitel des ersten Hauptteils (72-110) formuliert St. seine Thesen zu Balthasars Verständnis der Freiheit. Er zeigt zunächst (72-86), daß für Balthasar Freiheit ein Beziehungsgeschehen ist, das wechselseitige Hingabe und gegenseitige Anerkennung einschließt. Die unendliche Freiheit und die endliche Freiheit werden dabei in Analogie gesetzt, und so beschreibt Balthasar "die Trinität als das theonome Vorbild der menschlichen Freiheit, die sich im Austausch der Hingabe in der liebenden Beziehung mit anderen Freiheiten als Person gewinnt. Die trinitarische Freiheit ist nicht nur deren Grund, aus dem heraus die menschliche Freiheit herkommt. Sie ist auch deren Ziel. Innerhalb der communio sanctorum ist die menschliche Freiheit in die trinitarische Liebesbeziehung Gottes hineingenommen" (85).

Im Anschluß hieran legt St. Balthasars Verständnis der konkreten heilsgeschichtlichen Freiheit des Menschen dar (87-95). "Balthasar bestimmt ... das Wesen der geschöpflichen Freiheit als radikale Verwiesenheit auf Gott" (89). "Die Freiheit und Personalität des Menschen gewinnt sich demnach, wenn dieser in die trinitarische Hingabe der göttlichen Freiheit eintritt. ... Erst wo menschliche Freiheit sich auf Gott übersteigt, wird sie frei zur Hingabe an andere Freiheiten und darin menschliche Person" (92).

Schließlich zeigt der Vf., daß bei Balthasar die Vermittlung der geschichtlichen Freiheit in der Erlösung geschieht (95-110). In Christus gibt Gott dem Menschen Anteil an seiner eigenen Freiheit. "Indem der geschichtliche Mensch sich in der Nachfolge Christi auf Gott hin öffnet und sich für die anderen hingibt, kann er die Grenzen seiner Egozentrik überwinden" (101). In Christus wird der Mensch in die trinitarische Freiheit hineingenommen und damit zur Freiheit befähigt. Gerade so wird der Mensch wirklich frei. So wird nach Balthasar weder Gott durch die Sünde des Menschen in seiner Freiheit beschränkt, noch auch wird im Gnadenhandeln Gottes die Freiheit des Menschen negiert. Vielmehr wird der Mensch durch Gott allererst zu seiner wahren Freiheit gebracht.

In dem zweiten Hauptteil, in dem St. seine These verifizieren will, referiert er - den Text (mit Ausnahme der Prolegomena) entlanggehend - die Theodramatik (111-398). Die vier Kapitel dieses Hauptteils folgen der Gliederung des Werkes und geben je einen Band des Werkes wieder.

Der Vf. selbst beschreibt den Stil seiner Arbeit als "eher referierend und darstellend" (6). St. nimmt Redundanzen in Kauf und verzichtet auf eine Auseinandersetzung mit den Thesen Balthasars ebenso wie auf eine Auseinandersetzung mit der Sekundärliteratur, die größtenteils nur ihrem Titel nach erwähnt wird. Dabei fragt sich jedoch im Blick auf die vorliegende Arbeit, ob ein referierender und darstellender Stil die Ergründung eines Werkes nicht nur begrenzt zu leisten vermag. Hervorzuheben ist sicherlich das dritte Kapitel des zweiten Hauptteiles, in dem St. einen Einblick in die Intentionen Balthasars gibt. Doch gerade indem der Vf. auf die Auseinandersetzung mit Balthasar verzichtet, kann er die Kritik an Balthasar nicht als unberechtigt aufweisen.