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Ausgabe:

Oktober/1999

Spalte:

998 f

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Newport, John P.

Titel/Untertitel:

The New Age Movement and the Biblical Worldview. Conflict and Dialogue.

Verlag:

Grand Rapids-Cambridge: Eerdmans 1998. XV, 614 S. gr.8. Kart. $ 35.-. ISBN 0-8028-4430-8.

Rezensent:

Reinhart Hummel

Dieses umfang- und detailreiche Buch gewährt nicht nur Einsichten in die New Age-Bewegung, sondern vor allem in die hierzulande wenig bekannte zeitgenössische evangelikale Theologie der USA. Deren Verständnis des Evangeliums ist nämlich mit dem "biblical worldview" gemeint. Der Autor, emeritierter Professor für Religionsphilosophie des "Southern Baptist Theological Seminary" in Fort Worth/Texas, mißt das New Age-Denken an diesem "worldview" und greift dabei auf die neuere evangelikale Literatur zurück, vor allem über "christliche Apologetik" (vieles davon ist in der InterVarsity Press erschienen).

Newport beschreibt New Age als eine spirituelle Bewegung, die eine individuelle und soziale Transformation durch mystische Vereinigung mit einem dynamischen Kosmos anstrebt und ein utopisches neues Zeitalter von Harmonie und Fortschritt erhofft. Diese Betonung der Transformation und Zukunftshoffnung gibt nicht nur die New Age-Botschaft, zumindet einen ihrer wichtigen Aspekte, angemessen wieder, sondern stellt auch ein tertium comparationis zwischen ihr und dem Evangelikalismus dar. Denn auch diesem geht es um Transformation und Zukunftshoffnung. Verwandte Ziele, aber gegensätzliche Weltanschauungen ergeben darum "Kollision" und "Konflikt" zwischen beiden, wie N. wiederholt feststellt. Neben diese apologetische Dimension tritt allerdings die Bereitschaft, mit der New Age-Bewegung dort zu kooperieren, wo dies sinnvoll erscheint, und "halbrichtige" New Age-Einsichten anzuerkennen. Diese fänden sich freilich auch in der "biblischen Spiritualität", stünden dort aber im Kontext der richtigen Weltanschauung. Biblische Spiritualität ist der New Age-Spiritualität überlegen und erfüllt das Sehnen nach Frieden und Hoffnung, von dem die letztere getrieben ist.

Wer von der hiesigen Diskussion (und derjenigen, die eher im Osten der USA beheimatet ist) ausgeht, wird das Buch als einen allzu konservativen Fremdkörper empfinden, weil es ein vorgegebenes und normatives Verständnis des Christlichen voraussetzt. Der im Untertitel erwähnte selbstkiritische Dialog wird zwar befürwortet, tritt aber hinter dem Bedürfnis nach evangelikaler Affirmation und Selbstvergewisserung zurück. Der Autor hat eine Studie schreiben wollen, die Gemeinden, Studenten und christliche Laien über den Dialog mit New Age zu einem vertieften Verständnis des "biblischen worldview" führt. Diesem Anliegen wird man theologische Legitimität schwerlich absprechen können, auch wenn man sich mit dem evangelikalen Ansatz nicht identifizieren kann.

Mißt man N.s Werk an der traditionell evangelikalen Verteufelungsstrategie gegenüber New Age, die auf C. Cumbeys immens einflußreiches Pamphlet (deutsch: "Die sanfte Verführung", 1986) zurückgeht, so stellt es einen großen Schritt in Richtung einer verantwortungsvollen, kritischen Würdigung dar. N. verzichtet auf billige Polemik, zeigt sich gut informiert, schöpft einerseits aus den anerkannten Standardwerken über New Age und die neureligiöse Szene, wie denen von Melton, Hanegraaff, Heelas und T. Miller, andererseits aus der neueren evangelikalen Anti-New-Age-Literatur und aus dem SCP-Journal, der vielfach angefeindeten kultkritischen Zeitschrift des "Spiritual Counterfeits Project". Es ist in mehrfacher Hinsicht hilfreich, daß man auf eine evangelikal ausgerichtete Auseinandersetzung mit New Age verweisen kann, die sich nicht der Feindbildpflege verpflichtet fühlt, sondern eine klare theologische Position mit Fairness und Kompetenz verbindet.

Implizit verrät dieses Buch auch etwas darüber, daß es in den USA eine starke evangelikale Basis gibt: Eine Frauenbewegug, in der ein "evangelikaler Feminismus" diskutiert wird, auch eine evangelikale Männerbewegung einschließlich der "Promise Keepers"; ferner eine "christliche Schulbewegung", die sich für stärkeren christlichen Einfluß in der Erziehung einsetzt; christliche Geschäftsleute, die erfahren sollen, wie ein christliches Verständnis von Business aussieht im Unterschied zu New Age-Praktiken, die sich zunehmend im Managertraining breitmachen. Auch im Bereich von Gesundheit und Heilung sowie von Naturwissenschaft und Kunst schärft N. das evangelikale Profil und stellt den Gegensatz heraus zu neureligiösen Heilungstheorien bzw. -praktiken, auch zu New Age-Naturwissenschaftlern wie F. Capra und zu New Age-Einflüssen in Fantasy-Filmen usw. In N.s detaillierter Auseinandersetzung spürt man die Entschlossenheit, den evangelikalen "worldview" in allen Lebensbereichen zur Geltung zu bringen, freilich auch das Bedürfnis des Emeritus, die Ernte seiner Lebensarbeit zu präsentieren.

Ein "worldview" ist für N. eine religiös verwurzelte Vision des Lebens. Der biblische "worldview" ist in seinen Augen unvereinbar mit demjenigen der wissenschaftsgläubigen Moderne, aber auch mit dem des New Age-Denkens. Der Mensch ist ein Sünder - kein potentieller Gott. Er bedarf der Rettung von außen (der "outside intervention") - nicht der Realisierung der eigenen Göttlichkeit. Gott ist der Schöpfer von Welt und Natur - nicht mit dieser identisch. Christus ist einmalig - nicht einer von vielen. Das sind "nonnegotiables". Insbesondere der Schöpfungsglaube ist N. wichtig für eine christlich verstandene Ökologie sowie für die Auseinandersetzung mit Naturwissenschaft und mit dem New Age-Monismus.

Die 15 Kapitel beschäftigen sich über das New Age-Denken hinaus auch mit "Magie, Hexentum, Neuheidentum und der Göttinnen-Bewegung" sowie mit dem "modernen Satanismus und schwarzer Magie". Der Autor hatte sich schon früher als Experte in der theologischen Auseinandersetzung mit dem Okkultismus ausgewiesen. In dem längsten Kapitel über "Bewußtsein und radikale Transformation" werden auch neureligiöse Gruppierungen aus den östlichen Religionen sowie Themen der Mystik und Psychologie abgehandelt, vor allem aber jene Gruppierungen, die Erfahrungen der Transformation im christlichen Kontext am kräftigsten anstreben, nämlich die pentekostale und die charismatische Bewegung. Das Verhältnis zu ihnen war für den Evangelikalismus schon immer von besonderer Dringlichkeit. Indem N. sie im Zusammenhang mit New Age- und verwandten Gruppierungen behandelt, bringt er die typisch evangelikale Distanz zu ihnen zum Ausdruck. Insbesondere das Wohlstandsevangelium von K. Hagin u. a. verfällt der Ablehnung.

N. endet nicht mit dem hierzulande obligatorischen Ausblick auf ein multireligiöses Paradies, sondern mit der Aufforderung, die christliche Botschaft als "dynamische und überlegene Alternative zu New Age" mit anderen zu teilen. Mag das nun ein Beweis für illusionäres Denken oder ein Indiz für neu erwachtes evangelikales Selbstbewußtsein sein - gerade in dieser Fremdartigkeit erweist N.s Studie sich als herausfordernd.