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Ausgabe:

Juli/August/2016

Spalte:

858–860

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Gavrilyuk, Paul L.

Titel/Untertitel:

Georges Florovsky and the Russian Religious Renaissance.

Verlag:

Oxford: Oxford University Press 2013. 320 S. = Changing Paradigms in Historical and Systematic Theology. Geb. £ 79,00. ISBN 978-0-19-870158-3.

Rezensent:

Sergii Bortnyk

Dieses Buch wurde nicht zufälligerweise in die Serie »Changing Paradigms in Historical and Systematic Theology« aufgenommen. Dies erklärt sich durch den Beitrag von George Florovsky (1893–1979), der die Veränderung der Paradigmen in der orthodoxen Theologie des 20. Jh.s in den Blick nimmt. Gerade durch seinen Einfluss entwickelte sich die orthodoxe Theologie der folgenden Jahrzehnte hauptsächlich unter dem Motto »zurück zu den (östlichen) Kirchenvätern«.
Der Autor Paul L. Gavrilyuk (* 1972), der aus der Ukraine stammt, ist Diakon in der Orthodox Church of America. Ein Hauptgebiet seiner theologischen Forschungen ist die Patrologie, er ist Autor des Buches »The Suffering of the Impassible God: The Dialectics of Patristic Thought« (Oxford: Oxford University Press, 2004).
G. beschreibt den Lebenslauf von Florovsky und meint, dass es in seinem Buch um »the genesis of Florovsky’s thought and about the reception of his neopatristic vision« geht (VII). Er verwertet neue Archivmaterialien, die nach Florovskys Tod bei den Erben blieben. Zentral ist die Idee der Opposition, charakteristisch besonders für die »russische religiöse Renaissance«. Dazu gehörten solche hervorragenden Denker zu Beginn des 20. Jh.s wie Vladimir Solov-yov C und Pavel Florensky (Kapitel 2, 25–41). Für das Verständnis ihres Werks ist es wichtig zu wissen, dass Florovsky selbst, wie auch die genannten Autoren, keine systematische akademische theologische Bildung erhielt. Er hat die historisch-philologische Fakultät absolviert und beherrschte mehrere alte und neue Sprachen.
Kapitel 3 (42–59) handelt von der Geschichte der »Renaissance in the Dispersion«. G. beschreibt kurz die Vertreibung der intellektuellen Elite aus dem bolschewistischen Russland, die Idee eines neuen Aufbaus von Russland im Ausland sowie die Lage der russischen Kirche nach der Revolution 1917.
G. zeigt Florovsky als einen engagierten Denker. Insbesondere konzentriert er sich auf »The Eurasian Temptation« von Florovsky und seine Rezeption von Spenglers Idee eines »Untergangs des Abendlandes«. Obwohl »his association with the Eurasians is commonly viewed as having had little impact on his subsequent his-torical and theological work«, meint G., dass seine »brief participa-tion in the Euroasian movement holds important clues for understanding his later thought« (Kapitel 4, 60–79: 60).
Wichtig für das Entstehen des theologischen Systems von Florovsky war sein Unterrichten in Saint-Serge in Paris (1926–1948). Gerade in dieser Zeit entwickelt sich seine Konzeption der Neo-Patristik als Opposition zum sophiologischen Kontext, der von seinem älteren Kollegen Sergij Bulgakov unterstützt worden ist. Während Bulgakov den Weg der Annäherung der Theologie und der religiösen Philosophie versuchte, trat Florovsky für Treue dem »Geist der Kirchenväter« und dem »griechischen Charakter der orthodoxen Religion« gegenüber ein (Kapitel 7–8, 114–158).
Das bekannteste Werk von Florovsky trägt den Titel »Wege der russischen Theologie« (1937). In ihm wird die Treue der russischen Tradition zu den griechischen Mustern der Epoche des 4. bis 8. Jh.s zum Maß der echten Theologie erklärt. In Kapitel 9 (159–171) beschreibt G. die Umstände, unter denen dieses Werk geschrieben wurde.
Zum wichtigen Aspekt wird für Florovsky die Idee der »westlichen Pseudomorphose« der russischen Theologie. Besonders interessant ist der Vergleich von Florovskys »Östliche Kirchenväter« mit »Wege der russischen Theologie« (von 1931 bis 1937 nacheinander veröffentlicht). Wichtig ist hier die Idee der »eastern patristic norm and the Ukrainian theological tradition« sowie »the criterion of theological truth« im Rahmen der einheitlichen Tradition der ostchristlichen Theologie (Kapitel 10, 172–191).
G. lenkt seine Aufmerksamkeit auf die »frühe Rezeption« der »Wege«. Nikolai Berdjajew war der Ansicht, dass Florovsky die Genesis der russischen Tradition der Theologie beschriebe, weniger die »Wege« denn die »Unwegsamkeit der russischen Theologie« (Kapitel 11, 192–200). Darauf folgt das Kapitel über den christlichen Hellenismus als philosophia perennis, in dem die Vorstellung von der »Westernisierung der russischen Theologie« als Antwort auf die »Hellenisierung des frühen Christentums« von Adolf von Harnack betrachtet wird (Kapitel 12, 201–219). In seinen systematischen Schlussfolgerungen erörtert G. die »divine revelation and ecclesial experience« und »the modalities of theological reasoning« etc. (Kapitel 13, 220–231). Darauf folgt die Beschreibung der Rezeption von Florovsky durch die orthodoxen Theologen verschiedener Länder bis hin zu den neueren Arbeiten (in Frankreich, USA, Griechenland und Russland) (Kapitel 14, 232–258).
Da die Frage der Positionierung Florovskys im Rahmen der Polarisierung und der Entgegensetzung (mit Solovyov, Bulgakov, Spengler, von Harnack) wichtig ist, ist das abschließende Kapitel der Arbeit »Beyond the polarizing narrative« interessant (Kapitel 15, 259–271). Hier schreibt G. über »vier Typen der Synthese« sowie über die Notwendigkeit der Interpretation der Wege der russischen Theologie im 20. Jh. außerhalb standardmäßiger Narrative. Vor allem plädiert er dafür, trotz der »polemical subtext of the neopatristic synthesis« das Projekt von Florovsky nicht als »theological alternative to the Renaissance«, sondern als »theological option within the Renaissance« (271) zu betrachten.
Insgesamt bietet das Buch von G. einen wertvollen Einblick in die Geschichte der Entstehung und in die Dynamik der Überzeugungen Florovskys, der als einer der hervorragendsten religiösen Denker der russischen orthodoxen Tradition gelten kann. Besonders zu empfehlen ist diese Arbeit auch solchen Lesern, die mit der Geschichte des russischen theologischen Denkens im 20. Jh. wenig vertraut sind.