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Ausgabe:

Juli/August/2016

Spalte:

850–852

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Fröhling, Christian

Titel/Untertitel:

Bild und Bildung. Die Relecture der Mystagogie Meister Eckharts.

Verlag:

Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer 2015. 240 S. m. 1 Abb. = Praktische Theologie heute, 139. Kart. EUR 35,00. ISBN 978-3-17-026287-4.

Rezensent:

Konstanze Kemnitzer

Christian Fröhling ist Lehrer für katholische Religion/Philosophie und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Religions-pädagogik, Katechetik und Didaktik der Philosophisch-Theolo-gischen Hochschule St. Georgen Frankfurt am Main. Dort wurde seine Untersuchung als Dissertation angenommen. Das Buch präsentiert den Forschungsverlauf in umgekehrter Reihenfolge: »Der Zusammenhang von Bild und Bildung stand am Ende des Arbeitsprozesses und steht jetzt am Anfang der Arbeit.« (24)
Das Werk ist »einem ›methodischen Komplementärmodell‹ verpflichtet, das sowohl systematische als auch historische Refle-xionsperspektiven kontrastiv verwendet« (22). Der wissenschaft-liche Dis­kurs der gegenwärtigen Religionspädagogik soll rekonstruierten Diskurspraktiken des spätmittelalterlichen Dominikaners Eckhart von Hochheim (gest. 1328) gegenübergestellt werden. Die Auseinandersetzung mit Eckhart dient als Spiegel, »in dem die verschiedenen religionspädagogischen Modelle zumindest teilweise in einem anderen Licht erscheinen und durch den die Widersprüchlichkeit mancher hermeneutischer Vorentscheidungen erst sichtbar wird« (24).
Leitfrage der Untersuchung ist: »Wie kann Didaktik – als Reflexion auf didaktisches Handeln – so formuliert werden, dass darin kein Abbilddenken Verwendung findet?« (16) F. erkennt durch die Auseinandersetzung mit Eckhart als Antwort, dass Religion, Bildung und Didaktik ebenso wie Lernen, Lehren und Verstehen zu entflechten seien:
»Religionspädagogik muss […] das idealistische und universalistische Erbe des Bildungsbegriffs hinter sich lassen, um die Beziehung von Theologie und Pädagogik gleichwürdig zu fassen, ohne beides in ein Wertungs- oder Begründungsverhältnis zu bringen. Denn sowohl ›allgemeine‹ als auch ›religiöse Bildung‹ ist Bildung ohne Grund.« (199)
Anthropozentrik und Subjektorientierung seien zu verabschieden: »Das Anfangsstadium von Bildung lässt sich mit der Subjekt-Objekt-Relation beschreiben, aber eben nicht mehr die Überschreitung.« (190) Lehren sei »die Kunst zu leiten, ohne zu bilden« (200). Eine Religionsdidaktik, die den mimetischen Charakter hinter sich lassen will, müsse »exemplarisch, pragmatisch und semiotisch« (202 f.) sein. »Ob eine solche Didaktik schul- und damit institutionentauglich ist«, kann er freilich nur als »offene Frage« an die Leserinnen und Leser weiterreichen (203).
F. entwickelt seine Thesen in drei Schritten: Im ersten Hauptkapitel (27–95) stellt er Positionen religionspädagogischer Hermeneutik vor. Er konstruiert ein Panorama von drei Modellen (91–95), repräsentiert durch ausgewählte Autoren: (1.) integrativ-strukturalistisch-dialektisch (Kunstmann, Baudler, Halbfas, Biehl), (2.) transzendentalphilosophisch/theologisch (Peukert, Werbick, Englert) und (3.) dekonstruktiv-aporetisch-experimentell (Zilleßen). Die zügige – manchmal aber zu knappe – Analyse der Positionen macht das Kapitel zu einem informativen Lesevergnügen. Souverän wird hier auch die Rezeptionsvarianz der Eckhart’schen Theologie in der Religionspädagogik überblickt, von abwertenden (Dohmen und Rupp) bis zu euphorischen Aufnahmen (Kunstmann und Schambeck).
Das zweite Hauptkapitel stellt »Kunst und Mystagogie bei Meis­ter Eckhart« (97–175) vor. F. hält fest, dass »Eckhart eine partizipative Ontologie vertritt, die sich gerade durch seine Henologie von vermittelnden Ansätzen […] absetzt« (145). Bildhauen und Gebären seien die zentralen Metaphern Eckharts.
»Der Lehrer hilft die Hindernisse an den Werken zu entfernen, ohne dass die Neigung (inclinatio) des Schülers beschädigt wird und sogar am Werk leuchtet und in ihm aufgeht.« (175) »Lehrer und Schüler sind unter der Perspektive von Lehren und Lernen ungleich, unter der Perspektive des Erkennens und der Liebe zum Erkennen sind sie gleich. Dadurch werden beide ›Liebhaber der Form‹ und dadurch Freunde der Weisheit.« (174)
Das dritte Hauptkapitel (177–215) arbeitet an der Relecture der Mystagogie Eckharts. Dazu wird das Kunstwerk »Die junge Schulmeisterin« (1736) von Jean-Baptiste Siméon Chardin als modellhafte Darstellung des Scheiterns von Bildungsbemühungen im didaktischen Prozess (212), die F. schon zu Beginn des Buches (13–16) beschreibt, bearbeitet: Das Kind und die Lehrerin zeigen jeweils auf etwas Anderes. Der Lehrerin geht es um den »Sinn der Sache, den sie fälschlicherweise im Kopf der Schülerin verortet. Diese ›Abbildung der Sache‹ erscheint als Ursache für das Scheitern des Lernens.« (213) Lernerfolg würde sich nur einstellen, wenn die Lehrerin auf das schauen würde, was das Kind zeigt, und überprüfen würde, »in welcher Korrespondenz das, was es am Material zeigt, mit dem was es sagt, steht. Das Werk ist also Mittel die Schülerin kennenzulernen« (213).
»Die Überschreitung und damit das Ziel von Bildung besteht also nicht in einer unmittelbaren Ausrichtung auf den Schüler, das Subjekt und auch nicht auf das Werk oder den Gegenstand. Sondern es scheint darum zu gehen, dass die Werke zum Mittel werden, an dem der Lehrer das Lernen falsifizieren kann.« (215)
Entscheidend ist dabei, dass im didaktischen Dreieck nicht ein Werk, sondern zwei Werke verhandelt werden: »das eine, was der Lehrer vorstellt und das andere, was der Schüler hervorbringt« (191).
Die von F. aufgeworfenen metatheoretischen Fragen der religionspädagogischen Hermeneutik und Bildungstheorie sind drängend. Die Auseinandersetzung mit Eckhart dafür nutzen zu können, erweist einmal mehr das herausragende Potential dieses spätmittelalterlichen Denkers und kann als ein Verdienst dieser Arbeit angesehen werden. Allerdings steht durch F.s durchgängig recht abstrakte Reflexionen erneut das Desiderat im Raum, die religionspädagogischen und -didaktischen metatheoretischen Grundfragen sprachlich eingängiger, gegenwartsorientierter und zukunftsweisender aufzuarbeiten.