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Ausgabe:

Juli/August/2016

Spalte:

780–782

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Baumkamp, Eva

Titel/Untertitel:

Kommunikation in der Kirche des 3. Jahrhunderts. Bischöfe und Gemeinden zwischen Konflikt und Konsens im Imperium Romanum.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2014. X, 376 S. = Studien und Texte zu Antike und Christentum, 92. Kart. EUR 89,00. ISBN 978-3-16-153686-1.

Rezensent:

Katharina Greschat

Die hier zu besprechende für den Druck überarbeitete Dissertation von Eva Baumkamp, die 2011 in Münster bei Johannes Hahn fertiggestellt wurde, beschäftigt sich mit den Kommunikationsstrukturen zwischen Gemeinden und Bischöfen mittels Briefen und Netzwerken, wie sie schon seit der paulinischen Korrespondenz greifbar sind. B. konzentriert sich jedoch auf das etwas vernachlässigte 3. Jh. und nimmt gezielt die Briefcorpora von Cyprian von Karthago und Dionysius von Alexandrien in den Blick, deren Quellenwert sie mit großer Sorgfalt zu bewerten weiß. Beide Corpora sind nicht zuletzt deshalb von erheblicher Bedeutung, weil sich in ihnen die schwierigen Prozesse spiegeln, die zur Ausbildung christ licher Identität angesichts der Verfolgungssituation führten und die zugleich auf das Engste mit der Durchsetzung des bischöf-lichen Führungsanspruchs in der eigenen Gemeinde, der Region bzw. Provinz sowie im gesamten Imperium verbunden waren. Dieses Vorgehen ist auch deshalb plausibel, weil uns für die ersten Jahrhunderte hier schlichtweg die Quellen fehlen: »Fragen nach den Beziehungen und Interaktionsmöglichkeiten einzelner Teile der Gemeinden zueinander oder der Ausgestaltung von Organisations- und Kommunikationsstrukturen können aufgrund fehlender Zeugnisse kaum beantwortet werden« (113 f.).
Die ersten beiden Kapitel (17–57 und 58–64) stecken den Rahmen für die Untersuchung ab, indem sie über Versammlungsorte und Informationsaustausch in den Gemeinden informieren, den Brief als zentrales Kommunikationsmedium charakterisieren und auf der Höhe der Forschung über die Christenverfolgungen der Mitte des 3. Jh.s, d. h. das decische Opferedikt und die Verfolgung unter Valerian, Auskunft geben. Damit ist die Basis für die Beschäftigung mit Dionysius von Alexandrien gelegt (65–104), dessen Briefe deutlich machen, dass es dem angesichts der Verfolgung geflohenen Bischof mit dem Mittel des Osterfestbriefes gelang, seine Gemeinde auch weiterhin zu leiten. Mehr noch: »Die Institutionalisierung des Festbriefes kann als erfolgreicher Versuch des alexandrinischen Bischofs gesehen werden, seinen Amtssitz gegenüber anderen ägyptischen Bischofssitzen zu stärken« (103). Diese Stärkung war auch in Auseinandersetzung mit häretischen Gruppen wichtig, allerdings konnten sich auch diese – wie der Kampf mit den »Sabellianern« in der Cyreanaica zeigte – eigener Netzwerke bedienen und sich etwa in Rom Unterstützung holen. Das vierte Kapitel (105–206) zeichnet Cyprian von Karthago als einen aus der lokalen Elite stammenden Bischof, dessen schnelle Karriere Neider auf den Plan rief, denen die Verfolgung, in der sich der Bischof versteckt hielt, ganz neue Handlungsspielräume eröffnete. Cyprian bediente sich je­doch anderer Mittel als Dionysius, um seine Autorität aufrecht zu erhalten: er setzte auf eine straffe Neuorganisation der Gemeinde und wandte nicht unerhebliche eigene finanzielle Mittel auf, um loyale Kleriker zu gewinnen: »Die materielle Fürsorge diente ihm als Mittel, seine Position in der Gemeinde über den ›Kauf von Anhängern‹ zu behaupten« (147). B. schildert anschaulich und spannend, wie Cyprian ab Mitte 250 zunehmend als »Verwalter des ›Heilsgutes‹ der Gemeinde« (158) agierte, so dass die theologische Frage nach Wiederaufnahme der lapsi in die Gemeinde, die in seinen Augen allein der Bischof zu klären hatte, unauflöslich mit der Frage nach seiner eigenen Position im Gefüge seiner karthagischen Gemeinde, der Provinz Afrika und des Reiches verbunden wurde. Hartnäckig und mit diplomatischem Geschick bemühte sich Cyprian auf den verschiedenen Ebenen darum, dem Amt des Bischofs sowohl theologische als auch organisatorische Kontur zu verleihen. So konnte er etwa an die confessores in Karthago schreiben, um sie dazu zu bewegen, sich wieder in die Gemeinde integrieren zu lassen, andererseits in einer für ihn höchst schwierigen Situation gezielt den brieflichen Kontakt zu anderen afrikanischen Bischöfen suchen, seinen Klerus um loyale Männer erweitern, andere exkommunizieren, auf innovative Weise einen Stellvertreter benennen und auch mit den confessores in Rom in Kontakt treten, um seine Ansichten durchzusetzen. Durch behutsame Interpretation, die sich immer der Schwierigkeit bewusst ist, dass das Briefcorpus ein bestimmtes Bild von Cyprian zeichnen will, gelingt es B., die Hintergründe der Gesprächssituationen aufzuhellen und in diesem Zusammenhang auch plausibel zu machen, dass Cyprian in Rom lange keinen Ansprechpartner fand und seine Briefe vom römischen Klerus, der aufgrund der Verfolgungssituation keinen neuen Bischof gewählt hatte, ganz offensichtlich ignoriert wurden. Erst unter Novatian nahm der römische Klerus das Gespräch mit Cyprian wieder auf; hier hatte sich der Kontakt mit den römischen confessores, die – anders als diejenigen in Karthago – keine Wiederaufnahmebescheinigungen für die lapsi ausstellten, ausgezahlt.
Dass sich auch nach dem Ende der decischen Maßnahme strukturell wenig änderte, macht das fünfte Kapitel (207–315) deutlich. Rom besaß nun zwar mit Cornelius wieder einen Bischof und Cyprian kehrte in seine Stadt zurück, doch blieben auch jetzt die Diskussionen um das Problem der Wiederaufnahme der Gefallenen in Rom und Karthago aufs Engste mit der Frage nach der Position des Bischofs verknüpft. Persönliche Begegnungen bzw. Synoden, die im 3. Jh. auch in Afrika verbreiteter werden, waren ebenso wie Synodalbriefe, die die Ergebnisse der Synoden bekannt machten, dazu gedacht, einheitsstiftend zu wirken, doch zeigt die rasche Ausbreitung des ursprünglich römischen Schismas der Novatianer, wie wenig das tatsächlich gelang. »Es ist wenig wahrscheinlich, dass dieses Schisma eine solche Strahlkraft entwickelt hätte, wenn nicht gleichzeitig die Frage der Wiederaufnahme in den Gemeinden diskutiert worden wäre« (256). Interessanterweise wussten sich auch die Novatianer des Instrumentariums der persönlichen Begegnungen, der Reisen und des Austauschs von Briefen sehr gezielt zu bedienen, so dass selbst ein so wichtiger Bischof wie Dionysius von Alexandrien – anders als Euseb von Caesarea es gerne hätte – im Osten nur wenig gegen sie ausrichten konnte, während im Westen wohl der römische Bischof und Cyprian von Karthago die entscheidenden Schnittstellen waren. Weiteren Konfliktstoff lieferte der Ketzertaufstreit, der deutlich macht, dass es in diesem Kommunikationsgeschehen zwischen Afrika, Kleinasien und Rom vor allem darum ging, außerhalb der eigenen Provinzgrenzen Verbündete zu suchen.
Sehr knapp nimmt das sechste Kapitel (316–326) die wenigen Briefe aus der Zeit der Verbannung Cyprians in der valerianischen Verfolgung in den Blick, die ebenso wie die von Pontius verfasste Vita des Cyprian nur unfreiwillig dessen umstrittene Stellung erkennen lassen.
B.s Arbeit leistet einen sehr willkommenen und wichtigen Beitrag zur Erforschung der Institutionswerdung der Kirche im 3. Jh. und lässt einmal mehr erkennen, dass es sich bei den medialen Austauschprozessen auch damals schon um ein sehr komplexes Ge­schehen handelte.