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Ausgabe:

Juli/August/2016

Spalte:

735–746

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Titel/Untertitel:

Karl Beth (1872–1959) und Karl Holl (1866–1926)

Zwei Pioniere der Konfessionskunde orthodoxer Kirchen an der Berliner Theologischen Fakultät

Die Erkenntnis, dass die theologische Auseinandersetzung mit der Geschichte, Theologie und Kultur der orthodoxen Kirchen eine genuine Aufgabe evangelischer Theologie ist und eingehende und konzentrierte wissenschaftliche Aufmerksamkeit verlangt, ist nicht erst die Frucht einer gewissen ökumenischen Euphorie in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts. Sie hat ihre Wurzeln vielmehr – auch! – in bestimmten Strömungen und Vertretern der liberalen Theologie des 19. Jh.s, was überraschen mag. Ich will dies im Folgenden anhand zweier Theologen verdeutlichen, die am Ende des 19. und Anfang des 20. Jh.s aus der Theologischen Fakultät der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin hervorgegangen sind oder sie ganz wesentlich geprägt haben. Der Erste ist heute weitgehend vergessen, der zweite wegen eines weiteren theologischen Schwerpunktes fester Bestandteil der theologiegeschichtlichen Erinnerung geworden. Beide aber haben wesentliche Impulse für die Institutionalisierung eines eigenständigen Faches der Konfessionskunde der Orthodoxen Kirchen von bleibender Bedeutung geliefert.1

I


Karl Beth ist zu Lebzeiten ein berühmter Theologe gewesen.2 Er war dies durch seine Forschungen zur Religionsgeschichte und Religionspsychologie. Zum Verständnis der seelischen Phänomene der Religion stellte er physiologische Studien an, zog die Experimentalpsychologie sowie die Biologie heran und konfrontierte diese naturwissenschaftliche Betrachtungsweise der Religion mit der Religionsgeschichte und Philosophie. Seit 1906 war er o. Prof. für Dogmatik, Symbolik und Ethik an der Evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Wien, schließlich sogar »Hofrat«. In ra­scher Aufeinanderfolge erschien eine große Anzahl von Publikationen.3 Sie füllen anlässlich seines 80. Geburtstages immerhin sieben Spalten in der ThLZ von 1953.4 Im Jahre 1927 gründete Beth die Internationale religionspsychologische Gesellschaft, deren Publikationsorgan er in Wien herausgab, wo er seit 1922 auch ein eigenes Forschungsinstitut für Religionspsychologie leitete.

Anscheinend ist der zu Lebzeiten international angesehene Beth in der Gegenwart etwas in Vergessenheit geraten – jedenfalls in Deutschland.5 In der RGG sucht man ein Lemma Beth, Karl vergeblich. Auch Wikipedia-Deutsch hat in diesem Fall nichts zu be­richten!6 Nur Wikipedia-Englisch bietet einige Informationen. Das wird auch damit zusammenhängen, dass Beth 1939 in die USA emigrierte, wo er noch bis 1945 am Theologischen Seminar der Unitarier in Chicago unterrichtete. Ein Jahr zuvor, im Jahr 1938 – damals war er sogar Dekan in Wien – hatte man ihn aus seinem Lehramt vertrieben, weil er mit einer gebürtigen Jüdin verheiratet war.7 Nach dem Zweiten Weltkrieg weigerte sich Österreich zuerst so­gar, dem in Amerika gebliebenen Beth eine österreichische Beamtenpension zu bezahlen, obwohl er 32 Jahre österreichischer Staatsbeamter ge­wesen war. Die Pension musste erst auf dem Prozessweg erstritten werden.

Seine Ausbildung und wissenschaftliche Qualifizierung hat Beth allerdings an der Berliner Theologischen Fakultät empfangen. Geboren wurde er im Jahre 1872 in der Nähe von Magdeburg, aufgewachsen ist er in Stendal, wo sein Vater als Schulrektor wirkte.8 Zum Studium ging Beth für ein Semester nach Tübingen, um sodann bis zum Examen in Berlin Theologie und Philosophie zu studieren. Als seine wichtigsten Lehrer bezeichnete er Adolf von Harnack (1851–1930)9, dessen Hilfskraft er war, den Systematiker Otto Pfleiderer (1839–1908)10, und den Philosophen Wilhelm Dil-they (1833–1911)11. Im Jahre 1897 wurde Beth dort Licentiatus theologiae, 1898 mit einer Arbeit über Schleiermacher zum Dr. phil. promoviert,12 und im Jahre 1901 habilitierte er sich ebenfalls in Berlin für Systematische Theologie. Schon im nächsten Jahre 1902 ermöglichte ihm dann ein Reisestipendium der Schleiermacherschen Stiftung13 eine Forschungsreise in den östlichen Mittelmeerraum.14 Das Beobachtete und Gesammelte fand seinen Niederschlag in einem 427 Seiten umfassenden Buch unter dem Titel: Die orientalische Christenheit der Mittelmeerländer (Reisestudien zur Statistik und Symbolik der griechischen, armenischen und koptischen Kirche), Berlin 1902. Nach dem Urteil von Ernst Benz hat Beth »mit dieser Darstellung der östlich-orthodoxen Kirche […] eine völlige Um­wandlung der Beurteilung der Orthodoxie im protestantischen Bewußtsein eingeleitet«.15 Ich will dies im Folgenden anhand einiger Beispiele verdeutlichen. Zuerst aber zu der im Titel benutzten Begrifflichkeit »Statistik und Symbolik«.

Beide Begriffe machen nämlich deutlich, aus welcher theologischen Tradition Beth stammte. Denn der Begriff »Statistik« geht in diesem Zusammenhang auf Schleiermacher zurück. In der Kurzen Darstellung16 hat Schleiermacher bekanntlich der von Philosophischer und Praktischer Theologie unterschiedenen Historischen Theologie neben Exegese, Kirchengeschichte, Dogmatik und Ethik auch die von ihm sogenannte Statistik zugeordnet und diese eng mit der Dogmatik verbunden. Beide stehen hier unter der gemeinsamen Überschrift »Von der geschichtlichen Kenntnis des Christentums im gegenwärtigen Zustande«.17 Die Aufgabe dieser von Schleiermacher gewissermaßen neu ins Leben gerufenen theologischen Disziplin sollte nach seinen Worten darin bestehen, »die religiöse Entwicklung […], die kirchliche Verfassung und die äußeren Verhältnisse der Kirche im gesamten Gebiet der Christenheit (zu betrachten)«.18 Die Kenntnis des gegenwärtigen Zustandes der Christenheit war dabei für Schleiermacher eine »unerläßliche Forderung an jeden evangelischen Theologen«.19 Mit dem Begriff »Symbolik« führte Beth die der lutherischen Lehrtradition entstammende Terminologie für einen dogmatischen Lehrvergleich weiter.20

Beth entstammte also dem theologischen Liberalismus des 19.Jh.s und hat sein gesamtes wissenschaftliches Werk auf eine liberale, ganz auf Erfahrung bezogene Religionstheorie gegründet. Gleichwohl hat er in grundlegendem Unterschied zu seinem Lehrer Harnack erkannt, dass es nicht angeht, die Prinzipien der liberalen Theologie nun ihrerseits zum Dogma zu erheben, um von da her andere Gestalten des Christentums – und so auch die östliche – einer Bewertung zu unterziehen. Indem er – an den Methoden der Religionswissenschaft geschult – als konfessionskundlicher Forschungsreisender die Orthodoxie nach ihren eigenen Maßstäben in den Blick nahm, entdeckte er wieder ihre eigene Würde und Bedeutung. Es ist die Erkenntnis der Kontextbezogenheit des Christen tums und seiner kulturellen Einbettung, die hier – vermittelt durch direkte Begegnung – zu neuen Urteilen führte.

Beth ging bei seiner Wahrnehmung der Orthodoxie allerdings nicht von einem Bild der Alten Kirche und den Anfängen aus, in dem das altkirchliche Dogma – im Sinne Harnacks – als »eine vom Evangelium her nicht legitime, daher der christlichen Religion nicht wesensgemäße, durch die Reformation faktisch auch bereits abgetane Glaubensnorm« betrachtet wurde.21 Schon von dieser Prämisse liberaler Theologie her ist ja ein verständnisvolles Urteil über die orthodoxen Kirchen ausgeschlossen. Beth lehnte auch je­den Versuch ab, die Prinzipien der Reformation zu Beurteilungskriterien für die Orthodoxie zu erheben oder sogar in erzieherischer Absicht an sie heranzutragen. Strikt wandte er sich gegen jeden Proselytismus. Er erkannte vielmehr, dass man dem orthodoxen Chris­tentum nur gerecht wird, wenn man es als geschichtlich ge­wordene eigenständige Gestalt des Christentums eigenen Rechts und eigener Würde gelten lässt, zu der es infolge einer wechselseitigen Inkulturierung von Orient und Christentum geworden sei. Mit den Worten Beths: »Was hier festgestellt werden soll, ist nur dies beides: einmal, dass in der orientalischen Christenheit […] eine eigentümliche Art, das Christentum zu verstehen, geschichtlich geworden ist, eine Art, die sowohl im ersten Entstehen jenes Processes als auch in einzelnen Weiterbildungen im großen und ganzen aus dem Wesen des orientalischen Gesamtlebens heraus verstanden werden will; zum anderen, dass eine Reformation innerhalb der orienta-lischen Christenheit nur möglich ist eben auf der Grundlage des orientalischen Gesamtlebens. […] Das aber hiesse doch sehr kleinlich vom Christentum denken, zu fordern, dass es die Formen, die es auf der Grundlage des occidentalischen Gesamtlebens für dieses Ge­samtleben gefunden und angenommen hat, in derselben Weise auch in der orientalischen Welt und für sie haben müsse.«22

Für Beth zeigt sich die Bedeutung des Christentums also geradezu darin, dass es sich unterschiedlich inkulturiert, aber dabei durchaus im Innersten seines Wesens mit sich identisch bleibt. Beth operiert hier im Jahre 1902 noch ganz unbefangen mit dem Begriff der Rasse, wenn er formuliert: »Darin gerade documentiert sich das Christentum als die […] Weltreligion, dass es seinen Eingang in die Rassenindividualitäten nimmt, und zwar so, dass es seines eigenen Wesens Kern unangetastet (be)wahrt«.23

Das steht nun in kategorialem Gegensatz zu den Urteilen Harnacks, der kurz zuvor im Jahre 1899/1900 mit größter Öffentlichkeitswirkung in seiner Vorlesung über Das Wesen des Christentums geurteilt hatte, dass das orthodoxe Christentum gar nicht in die Geschichte der christlichen Kirche hineingehöre, weil es sich dabei »um eine griechische Schöpfung mit einem christlichen Einschlag« handele, für die »es in dem ältesten Christentum nicht einmal einen Ansatzpunkt« gebe.24 Der Harnackschüler Beth hat also mit seinen Einsichten der protestantischen Kulturhegemonie der Liberalen eine klare Absage erteilt. Und dies schlägt sich nun in einer Fülle konfessionskundlicher Details nieder, die er aus eigener An­schauung erforscht, dargestellt und beurteilt hat, und von denen hier nur wenige Beispiele genannt werden können.

So hat Beth wohl zum ersten Mal zutreffend erkannt, dass zwischen der zentralen Bedeutung des Dogmas in der Orthodoxie und gelebter Frömmigkeit kein Widerspruch besteht. Mit seinen Worten: »Dogma ist ja dort auch die Liturgie selbst, Dogma ist der gesamte Gottesdienst, Dogma ist die empirische Kirche mit allem, was sie verlangt. Das alles gehört zum Glaubensinhalt des orthodoxen Christen. Ihm ist das Dogma nicht nur etwas Begriffsmä-ßiges. […] Die Kirche hat dem Laien das Dogma nahe gebracht, so nahe, dass er seine Augen dagegen nicht verschliessen kann. Er sieht, wie Jesus auf die Erde kommt, das Evangelium zu verkündigen, sich zu opfern […]: die liturgischen Handlungen des Priesters versinnbildlichen den Zug des Heils über die Erde. […] Er nimmt die Handlungen als das, was sie sind: symbolische Darstellungen der Heilsmomente. Diese Symbole eignet er sich […] an. […] So nährt der Laie an diesem Dogma, an dem ›Glauben‹, den er vor sich sieht, den Glauben in sich«. 25

Beth hat weiterhin erstmals eine detaillierte Analyse des der orthodoxen Eucharistiefeier zugrundeliegenden Opfergedankens im Unterschied zur damaligen römisch-katholischen Messopfertheologie vorgenommen. Er hat damit nicht nur dem Harnackschen Verdikt des heidnischen Synkretismus widersprochen, sondern die orthodoxe Göttliche Liturgie, in der Christus selbst »der Darbringende und Dargebrachte«26 ist, dem abendländischen Christen erschlossen.27 Beth hat schließlich mit dem Vorurteil des angeblichen Absterbens des ethischen Bewusstseins in der Orthodoxie aufgeräumt und ist vor allen Dingen auch in der Beurteilung der Volksfrömmigkeit, der Fastenpraxis und der Heiligen- und Bilderverehrung zu bemerkenswert positiven Urteilen gekommen. Gerade hier hatte Harnack ja am schärfsten geurteilt.28 Beth setzt dagegen: »Vielmehr muss ich sagen, es wird endlich Zeit, dass wir die griechische Kirche so verstehen, wie sie ist und wie ihr eigener Geist es verlangt. Mit der Tradition, sie möglichst nah ans Heidentum zu rücken, muss gebrochen werden.«29

So begegnen uns in dem ersten größeren Werk dieses Theologen der Berliner Theologischen Fakultät bedeutende neue Impulse für eine konfessionskundliche Betrachtung der orthodoxen Kirchen, wie sie sich im 20. Jh. dann allgemein durchsetzen sollten. Das schon zehn Jahre vor Beths Reisestudie erschienene Lehrbuch der vergleichenden Confessionskunde des Gießener Systematikers Ferdinand Kattenbusch (1851–1935)30 hatte zwar seine Verdienste, indem Kattenbusch nicht nur erstmals den Begriff »Konfessionskunde« einführte und gegenüber der »Symbolik« auch Kultus, Verfassung und Organisation als »empirische Erscheinungen« der orthodoxen Kirchen in der Konfessionskunde berücksichtigen wollte.31 Aber das Werk des Gießeners war eben nur am Schreibtisch entstanden und aus anderen Büchern erhoben worden. Es mangelte ihm an eigener Erfahrung, Begegnung und »Augenzeugenschaft«, wie Beth zu Recht kritisierte32, und so blieb auch er herkömmlichen Vorurteilen verhaftet.33

II


Es mag gewagt erscheinen, Karl Holl (1866–1926) als Pionier der Konfessionskunde Orthodoxer Kirchen zu bezeichnen, denn seine größte Bedeutung ist bekanntlich mit dem 1. Band seiner Gesammelten Aufsätze von 1921 unter dem Titel »Luther« verbunden.34 Aber der schon 1926 verstorbene Holl – ebenfalls ein Schüler Harnacks – ist nach dessen Urteil ein »universaler Kirchenhistoriker« gewesen,35 dessen Arbeiten – häufig in Gestalt umfangreicher Aufsätze – vom Neuen Testament über die Alte Kirche und die Reformationszeit bis zu Fragestellungen seiner Gegenwart reichten. Der Schwerpunkt seiner Forschungen lag jedoch zeitlebens dort, wo er begonnen hatte: bei der Alten Kirche. Er hatte dabei allerdings einen Blick auf die Geschichte und Theologie der Alten Kirche, der ihm von Anfang an den Horizont für das östliche Christentum eröffnete.

Holl, der der historisch-kritischen Arbeitsweise der »Tübinger Schule« Ferdinand Christian Baurs verbunden war, war ein »Tübinger«, der sogar in Tübingen im Jahre 1866 geboren war.36 Im Jahre 1894 kam er nach Berlin, wo ihm Harnack eine Stelle als »Wissenschaftlicher Hilfsarbeiter« – so die offizielle Bezeichnung – bei der Kirchenväterkommission der Preußischen Akademie der Wissenschaften angeboten hatte. Im Jahre 1896 wurde er an der theologischen Fakultät habilitiert mit einer Arbeit über die sogenannten Sacra Parallela des Johannes von Damaskus († vor 754)37, also zu dem Werk eines Theologen, der schon ins 8. Jh. gehört und damit zeitlich am Rande der üblicherweise als »Alte Kirche« bezeichneten Epoche steht. Die sich früh zeigende ökumenische Weite seines Denkens und Forschens wird auch darin deutlich, dass das erste Kolleg, das Holl nach seiner Habilitation im Sommersemester 1897 in Berlin hielt, der Konfessionskunde galt– noch unter der Bezeichnung »Symbolik«.

Schon 1898 legte er eine weitere Monographie vor. In ihr widmete er sich der Identifizierung einer Schrift des byzantinischen Ausnahmemystikers Symeon († 1022), der nun schon ins 10./11. Jh. nach Konstantinopel gehört und bis dahin fast nur in orthodoxen monastischen Kreisen gelesen wurde. In der orthodoxen Theologie ist Symeon eigentlich erst wieder seit der Mitte des letzten Jh.s entdeckt worden.38 Ausgehend von dieser von ihm identifizierten Schrift Symeons über die Beichte39 ist Holl der Frage nach dem Verhältnis von Enthusiasmus und Bußgewalt beim Griechischen Mönchtum nachgegangen, und zwar bis ins 13. Jh.! Dazu hat er als Kern seiner Untersuchung auf ca. 100 Seiten die Lebensumstände und die Theologie Symeons so dargestellt, dass das bis heute grundlegend ist. Holl erarbeitet dazu jede seiner Aussagen direkt aus den 34 Katechesen, 15 Orationes und 57 Hymnen Symeons. Er macht dabei deutlich, dass er sich in der byzantinistischen Literatur seiner Zeit auskennt, ebenso in der orthodoxen Liturgie und dem orthodoxen Kirchenrecht bis zu den Kanonisten des 12. Jh.s. Vor allem aber hat er die auf persönlichen mystischen Heilserfahrungen basierenden Aussagen Symeons mit höchstem Einfühlungsvermögen darzustellen gewusst. Er hat die nach damaliger Überzeugung angeblich nur im Protestantismus beheimatete Fragestellung nach persönlicher und individueller Heilsgewissheit als genuin in orthodoxer Frömmigkeit verankert erwiesen und als Erster in Symeon den Vertreter einer Erfahrungstheologie erblickt, als die sich die orthodoxe Theologie in der Gegenwart selbst definiert. 40

Holls Meisterleistung aber war die – neben der ab 1906 übernommenen zweiten kirchengeschichtlichen Professur neben Harnack! – bis zu seinem Lebensende kontinuierlich weitergeführte Edition der Werke des Epiphanios von Salamis in 3 Bänden für die Reihe Die Griechischen Christlichen Schriftsteller der ersten drei Jahrhunderte (GCS).41 Vor und neben der jahrzehntelangen Editionsarbeit am Epiphanios hat Holl nun auch eine große Anzahl von Aufsätzen vorgelegt, die durchaus als wichtige Untersuchungen einer historisch-kritisch fundierten Konfessionskunde orthodoxer Kirchen zu bezeichnen sind. Im Band II seiner Gesammelten Aufsätze sind sie unter dem Titel »Der Osten« versammelt. Hier finden sich Studien zum Ursprung des Epiphaniefestes, zur Entstehung der Fastenzeiten in der griechischen Kirche – mit »griechischer Kirche« ist der älteren Nomenklatur entsprechend bei Holl immer die Or­thodoxie gemeint –, zur Entstehung der Ikonostase, zum »griechischen« Mönchtum, zum Bilderstreit, zur Bedeutung Konstantinopels im Mittelalter und zu Tolstoj u. a. m.42

Schließlich – und nicht zuletzt: Holl hat auch der Erforschung der Russischen Orthodoxen Kirche beträchtliche Aufmerksamkeit gewidmet. Er hatte 1916 im 50. Lebensjahr noch Russisch gelernt, um Tolstoj, Dostojewskij, Blok und Mereschkowskij – und russische Zeitungen! – lesen zu können. Im Jahre 1925 ist er nach Moskau und Leningrad gereist. Die in konfessionskundlichem Interesse erfolgte Erforschung der russischen Kirche setzte in der deutschen evangelischen Theologie eigentlich erst mit Karl Holl ein. Ich möchte dies im Folgenden anhand einer kleineren Arbeit Holls aus dem Jahre 1913 verdeutlichen. Sie trägt den Titel: Die religiösen Grundlagen der russischen Kultur und ist zuerst in dem Sammelband Rußlands Kultur und Volkswirtschaft publiziert worden, den der Berliner Nationalökonom Max Sering herausgegeben hatte.43 Holl rechnete sich zu diesem Zeitpunkt noch dem theologischen Liberalismus zu.44 Er hat hier ein Jahr vor dem Beginn des Ersten Weltkrieges und der Kriegserklärung des Deutschen Reiches an Russland eine Studie des religiösen, geistigen und kulturellen Lebens der Russischen Orthodoxen Kirche vorgelegt, in der er unter Vermeidung aller Polemik dessen grundlegende »geistige Kräfte von bleibendem Wert« herausarbeiten wollte. Er wendet sich darin explizit gegen das Urteil, dass die russische Kultur, in der die »alte Kultur von Byzanz« fortlebe, wesensmäßig durch »Rückständigkeit« gekennzeichnet sei und ein »Hindernis für den wirklichen Fortschritt des Lebens« darstelle.45 Harnack hatte sich ein Jahr zuvor nochmals verschärft gerade in diesem Sinne geäußert.46

Holl widmet sich in dieser Schrift zuerst der – wie er es nannte – orthodoxen »Gottesvorstellung«, eine Thematik, die durchgängig im Zentrum seines theologischen Denkens stand. Er charakterisiert sie als durch den »Gegensatz« »einer oberen, geistlichen, und einer unteren, sichtbaren Welt« bestimmt. Dieser Gegensatz aber werde dort zu einer in der »Tiefe des Erlösungsgedankens« empfundenen Gleichzeitigkeit der »Erhabenheit und herablassenden Güte Gottes« 47: »Jene beiden Welten, die sonst durch eine breite Kluft geschieden sind, sind tatsächlich einmal zusammengekommen; Himmel und Erde haben sich einmal wirklich berührt. Das war in der Erscheinung des Gottmenschen.«48

Durchaus zutreffend sieht er so im Inkarnationsglauben den Schlüssel zu allem Weiteren und entwickelt dann von daher konfessionelle Spezifika der Orthodoxie. So sei in der Erhabenheit Gottes das Verständnis der Religion als »Heilige Ordnung« begründet.49 Holl kommt hier zu einer bemerkenswert positiven Würdigung der hochkomplexen Ordnungen des Kirchenjahres, der Fas­tenordnungen und der Fülle von Riten in der Orthodoxie: »Das Kirchenjahr wird durchlebt als ein ständiges Sichhinüberschwingen vom einen Ende der christlichen Stimmung zum anderen; und der zugrundeliegende Gedanke (ist): keine Freude ohne ernsthafte Bereitung, wie umgekehrt: keine Trauer ohne befriedigende Lösung«.50 Holl hat sich auch damit deutlich gegen das Urteil gestellt, dass die in der Form unabänderliche Fülle heiliger Handlungen der Orthodoxie Inbegriff von Starrheit und Gesetzlichkeit seien. Es war ja Harnack, der in der beherrschenden Stellung von Zeremonien und Ritual den schärfsten Gegensatz zu einer Religion sah, in der nur das »Erlebte und das Innerliche Wert« habe.51 Holl aber hatte völlig zutreffend gesehen, dass es gerade die strenge Bindung an die Form ist, die in der Orthodoxie unmittelbar gelebte religiöse Erfahrung möglich macht: »Die reiche Fülle der Satzungen gehört zur Sache […]. Ihre Mannigfaltigkeit erweckt beim Griechen und beim Russen nur Be­wunderung gegenüber der Kraft, die das einzelne so kunstvoll zu gestalten verstand. […] Er fühlt sich dadurch gehoben, wie derjenige sich gehoben fühlt, der die Form beherrscht. […] Er fühlt sich dadurch geheiligt und begnadet […], sieht sich getragen und umhegt durch die Majestät, vor der er sich beugt.«52

»Tiefer hinein in das innere Empfinden« führe aber der orthodoxe Glaube an die »Güte Gottes. […] Hier fühlt man erst den eigentlichen Herzschlag der griechischen Frömmigkeit. […] In der Person Christi sind Kräfte der oberen Welt, Kräfte des Lebens und der Unsterblichkeit in die Sichtbarkeit hineingetragen worden. Sie wirken fort in den heiligen Handlungen […]. So erscheint dann jede von Gott gesetzte Ordnung zugleich als ein Ganzes von Kräften und Segnungen, das sich vom Himmel herab auf die Erde herniedersenkt«.53 »Auf dieser Überzeugung ist vor allem auch der ganze griechische Gottesdienst aufgebaut. Es wird dort nicht wie bei uns in erster Linie geredet – was nützt das viele Reden? –, sondern die Sache selbst wird vorgeführt.«54

Nachdem er sodann die geistliche Bedeutung der Ikone und des Mönchtums herausgearbeitet hat, fragt Holl schließlich, was durch die äußeren Formen »als lebendige Kraft in den Herzen der Menschen« wirke.55 Und er beschreibt dann mit großem Einfühlungsvermögen die »Erfahrung kindlicher Freude« im orthodoxen Gottesdienst. Hier würden Antriebe freigesetzt, die in den Alltag hineinwirken. Als solche benennt er: das starke Zusammengehörigkeitsgefühl im Volk, Wohltätigkeit als selbstverständliche Pflicht, Dankbarkeit und geduldiges Gottvertrauen, getroste Sicherheit und heldenmütige Standhaftigkeit in allen Dunkelheiten des Le­bens. In alldem war Holl nicht unkritisch, nicht idealisierend; er macht auch grundlegende Schwächen deutlich.56

Gewiss müssen manche Urteile Holls – wie auch Beths – 100 Jahre später und nach den Ereignissen des 20. Jh.s und unter dem theologischen Blickwinkel und den Herausforderungen der Ge­genwart neu gewogen werden. Aber es ist doch beeindruckend, wie auch Holl gegen das von scheinbar höchster theologischer Autorität genährte Ressentiment zu einem vertieften und sachgemäßen Urteil über die Orthodoxie gelangt ist. Holl hat früh die Prägekraft der russischen Orthodoxie erkannt, die heute kultur- und gesellschaftsbildend auch nach 70 Jahren schwerster Verfolgung und dem Versuch der Vernichtung aller Religion wieder an diese von Holl beschriebenen »religiösen Grundlagen der russischen Kultur« anknüpfen will.57

Karl Beth und Karl Holl, zwei Theologen der Theologischen Fa­kultät der Friedrich-Wilhelms Universität an der Wende des 19. zum 20. Jh., sind im engeren Sinne keine Konfessionskundler gewesen. Beide sind auf anderen Feldern der Theologie berühmt geworden. Beide stammen aus der Tradition des theologischen Liberalismus des 19. Jh.s. Aber beide haben bedeutende Impulse von bleibender Bedeutung für eine Konfessionskunde orthodoxer Kirchen gegeben und können insofern m. E. zu Recht als »Pioniere« dieses Faches be­zeichnet werden. Diese Impulse kann man folgendermaßen zu­sam­menfassen:

1. Sachgemäße Kenntnisse der Konfessionskunde sind in der Tradition Schleiermachers eine »unerläßliche Forderung an jeden evangelischen Theologen«.

2. Die wissenschaftliche Konfessionkunde als theologische Disziplin erhebt die Prinzipien der Reformation nicht a priori zu Urteilskriterien über die orthodoxen Kirchen.

3. Sie sucht vielmehr die direkte Begegnung und die – ich ergänze – wissenschaftliche Partnerschaft mit der Orthodoxie.

4. Sie ist sich der Kontextualität jeder Gestalt des Christentums bewusst und fragt nach den spezifischen kulturellen Prägekräften der Orthodoxie.

5. Sie spielt nicht das Dogma gegen die religiöse Erfahrung aus.

6. Sie arbeitet historisch-kritisch und erfordert kritische Kompetenz im Bereich der Geschichte und Theologie der Alten Kirche.

Für die moderne evangelische Konfessionskunde sind also auch An­sätze liberaler Theologie konstitutiv geworden, die in Weiterführung eines Grundanliegens Schleiermachers das Forschungsspektrum evangelischer Theologie enorm erweitert haben. Für K. Beth gilt dies in Hinsicht auf eine Religionsphänomenologie der orthodoxen Kirchen Südosteuropas und des Nahen Ostens; für K. Holl in Hinsicht auf die byzantinische Kirchengeschichte und die Russische Orthodoxe Kirche. Dieses Erbe hat nicht nur das Profil der Berliner Theologischen Fakultät bis in die Gegenwart be­stimmt.58 Es hat das Selbstverständnis der Konfessionskunde orthodoxer Kirchen an evangelisch-theologischen Fa­kultäten in Deutschland geprägt, deren Existenz als eigenständiges und konzentriert betriebenes Fach in der Gegenwart unmittelbar bedroht ist.59 Mit einem solchen Verlust ginge auch ein wichtiges Erbe liberaler Theologie verloren.

Abstract


The major impetus for modern denominational studies of the Orthodox churches dates back to K. Beth and K. Holl, who were both theologians of the Berlin theological faculty in the tradition of the liberal theology of the 19th century. The judgments of A. v. Harnack about the Orthodox churches must not be considered to be representative for this theological tradition. The loss of denomi-national studies of the Orthodox churches as a separate subject at Protestant theological faculties would also entail the loss of a le-gacy of liberal theology.

Fussnoten:

1) Der Aufsatz basiert auf einem Vortrag des Verfassers am 01.07.2015 bei einem Festakt anlässlich seines 65. Geburtstages. Für die Druckfassung wurde er überarbeitet.
2) Im Jahre 1926 wurde seine autobiographische Lebensbeschreibung zusammen mit den Biographien von K. Girgensohn, H. Lietzmann, F. Loofs, O. Procksch und E. Schaeder in den zweiten Band der von E. Stange herausgegebenen Reihe »Die Religionswissenschaft der Gegenwart in Selbstdarstellungen«, Leipzig 1926, 1–40, aufgenommen.
3) Ich nenne nur: K. Beth, Die Moderne und die Prinzipien der Theologie, Berlin 1907; ders., Die Entwicklung des Christentums zur Universalreligion, Leipzig 1913; ders., Einführung in die vergleichende Religionsgeschichte, Leipzig 1920; ders., Die Frömmigkeit der Mystik und des Glaubens, Berlin/Leipzig 1927; ders., Die Krisis des Protestantismus, Berlin 1932.
4) E. Schneider, Das Lebenswerk Karl Beths, in: ThLZ 78 (1953), 695-704.
5) Vgl. aber: I. Noth, Karl Beth über Religionspsychologie, Seelsorge und Freud. Ein Beitrag zur Auseinandersetzung der Wiener Theologischen Fakultäten mit der Psychoanalyse, in: Wiener Jahrbuch für Theologie, Bd. 8, Berlin 2008, 313–326.
6) Auch in der zum 200-jährigen Jubiläum im Jahre 2010 erstellten Geschichte der Humboldt-Universität fehlt der Name von K. Beth: R. vom Bruch/H.-E. Tenorth (Hrsg.), Geschichte der Universität Unter den Linden: 1810–2010, Bd. 4.5, Berlin 2010.
7) Der Juristin und Orientalistin Marianne Beth von Weisl (1890–1962).
8) Zur Biographie vgl. die in Anm. 2 genannte Selbstdarstellung.
9) Der Kirchenhistoriker, Dogmengeschichtler und Wissenschaftsorganisator lehrte seit 1888 an der Berliner Theologischen Fakultät. Im Jahre 1890 wurde Harnack ordentliches Mitglied der Königlich-Preußischen Akademie in Berlin. Von 1905 bis 1921 war er parallel dazu Generaldirektor der Königlichen Bibliothek (ab 1918 Preußische Staatsbibliothek). Im Jahre 1911 wurde er zum Präsidenten der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (heute Max-Planck-Gesellschaft) gewählt. Zu Harnack s.: K. Nowak/O. G. Oexle (Hrsg.), Adolf von Harnack. Theologe, Historiker, Wissenschaftspolitiker, Göttingen 2001; K. Nowak/O. G. Oexle/T. Rendtorff/K.-V. Selge (Hrsg.), Adolf von Harnack. Christentum, Wissenschaft und Gesellschaft, Göttingen 2003; Ch. Nottmeier, Adolf von Harnack und die deutsche Politik 1890–1930. Eine biographische Studie zum Verhältnis von Protestantismus, Wissenschaft und Politik, Tübingen 2004.
10) Pfleiderer, ein international gefeierter, führender Vertreter der deutschen liberalen Theologie mit größter Resonanz im englischsprachigen Ausland, lehrte ab 1874 bis zu seinem Tode an der Berliner Fakultät. Er gilt als der letzte Repräsentant der Tübinger Schule F. C. Baurs. Sein Schwerpunkt lag bei Religionsphilosophie und in der Geschichte des Urchristentums. Vgl.: Fr. W. Graf: Pfleiderer, Otto, in: TRE 26 (2000), 429–437.
11) Dilthey lehrte von 1883 bis 1908 in Berlin. Selbst examinierter Theologe, galt sein Bestreben dem Verstehen der Eigengesetzlichkeit des menschlichen Geis­tes gegenüber dem herrschenden Naturalismus und von daher einer Begründung der Geisteswissenschaften. Vgl.: U. Herrmann, Dilthey, Wilhelm, in: TRE 8 (1981), 752–763; F. R. u. G. Kühne-Bertram, Dilthey und die hermeneu-tische Wende in der Philosophie, Göttingen 2008; G. Scholtz (Hrsg.), Diltheys Werk und die Wissenschaften. Neue Aspekte, Göttingen 2013.
12) Das Thema der Dissertation lautete: Die Grundanschauungen Schleiermachers in seinem ersten Entwurf der philosophischen Sittenlehre.
13) Die Schleiermachersche Stiftung existiert bis heute, vergibt aber keine Reise­stipendien mehr; vgl.: http://schleiermachersche-stiftung.theologie.uni-halle. de/index.htm.
14) »In den 5 Monaten pflegte ich steten Verkehr mit den Patriarchen, Bischöfen, Priestern und Laien der christlichen Konfessionen in Ägypten, Palästina, Syrien, Kleinasien und Konstantinopel [...]. Größtes Entgegenkommen wurde von allen Seiten bewiesen […], nichts wurde vorenthalten oder versagt.«: K. Beth, Selbstdarstellung (wie Anm. 2), 11 f.
15) E. Benz, Die Ostkirche im Lichte der protestantischen Geschichtsschreibung von der Reformation bis zur Gegenwart, Freiburg/München 1952, 282.
16) F. D. E. Schleiermacher, Kurze Darstellung des theologischen Studiums zum Behuf einleitender Vorlesungen, 1811 (KGA I/6, 243–315); ders., Kurze Darstellung des theologischen Studiums zum Behuf einleitender Vorlesungen. Zweite umgearbeitete Ausgabe, 1830 (KGA I/6, 317–446). Im Folgenden abgekürzt KD.
17) KD 1811, § 43 (KGA I/6, 294). Im Unterschied zur heutigen Begriffsverwendung meint der Begriff Statistik in seiner Grundbedeutung die Staatenkunde als Beschreibung der inneren und äußeren Verhältnisse der Staaten. In diesem Sinne wandte Schleiermacher den Begriff auf das Gebiet der Religion an.
18) Ebd.
19) KD 1830, § 244 (KGA I/6, 411).
20) Die sogenannte »Symbolik« gehört mit der »Polemik« zu den Vorformen des Faches Konfessionskunde. In der Zeit erneuter Konfessionalisierung und der Kulturkämpfe des 19. Jh.s diente sie Theologen vornehmlich dazu, »die dogmatischen Superioritätsansprüche ihrer eigenen Kirche zu legitimieren«, F. W. Graf, Art. Konfessionskunde, in: RGG4 4 (2001), 1552 f.1552.
21) W. Elliger, 150 Jahre Theologische Fakultät Berlin, Berlin 1960, 79.
22) K. Beth, Die orientalische Christenheit der Mittelmeerländer (Reisestudien zur Statistik und Symbolik der griechischen, armenischen und koptischen Kirche), Berlin 1902, 184 f.
23) A. a. O., 184.
24) A. v. Harnack, Das Wesen des Christentums, Leipzig 21900, 135-152 = ders., Das Wesen des Christentums, hrsg. u. kommentiert von Trutz Rendtorff, Gütersloh 1999, 206–223 (»Die christliche Religion im griechischen Katholizismus«).
25) K. Beth, Die orientalische Christenheit (wie Anm. 22), 270 f.
26) Dies ist die zentrale und in den orthodoxen Dogmatiken vielzitierte Schlussformulierung des priesterlichen Gebetes während des »Großen Einzuges« in der Feier der Göttlichen Liturgie: »Denn du Christus, unser Gott, bist der Darbringende und Dargebrachte, der Empfangende und der Austeilende (ὁ προσ-φέρων καὶ προσφερόμενος καὶ προσδεχόμενος καὶ διαδιδόμενος), und dir senden wir den Lobpreis empor samt deinem anfanglosen Vater und deinem allheiligen und guten und lebenschaffenden Geist, jetzt und immerdar und in alle Ewigkeit. Amen.« Vgl. A. Kallis (Hrsg.), Liturgie. Die Göttliche Liturgie der Orthodoxen Kirche. Deutsch-Griechisch-Kirchenslawisch, Münster 62005, 100/ 101.
27) A. a. O., 279–282.
28) »Dieses offizielle Kirchentum mit seinen Priestern und seinem Kultus, mit all den Gefäßen, Kleidern, Heiligen, Bildern und Amuletten, mit seiner Fastenordnung und seinen Festen hat mit der Religion Christi gar nichts zu tun. Das ist antike Religion […], welche das Evangelium aufgesogen hat«, A. v. Harnack, Das Wesen des Christentums (wie Anm. 24), 220 f.
29) K. Beth, Die orientalische Christenheit (wie Anm. 22), 350.
30) Ders., Lehrbuch der vergleichenden Confessionskunde, Bd. I: Prolegomena und erster Theil: Die Orthodoxe Anatolische Kirche, Freiburg i. Br. 1892. Kattenbusch verfasste fast ausschließlich theologiegeschichtliche und konfessionskundliche Studien. Von seiner Confessionskunde erschien nur Bd. 1. Eine autobiographische Selbstdarstellung findet sich in Bd. 5 der von E. Stange herausgegebenen Reihe (wie Anm. 2), 1929, 85–121.
31) Ders., Lehrbuch (wie Anm. 30), 1–20.
32) K. Beth, Die orientalische Christenheit (wie Anm. 22), Vorwort, VIII.
33) Vgl. z. B. ders., Lehrbuch (wie Anm. 30), 134 f.: »Das russische Christentum stellt im besonderen Maasse die schlaffe cultische Genussseligkeit, das stumpfe Sichfreuen an dem Prunk der Kirche, das Verharren in dem Eindrucke, dass in der Kirche Alles selbstverständlich sei, dar. […] Natürlich giebt es gebildete und gelehrte Leute in Russland, wenigstens seit der Zeit der zweiten Katharina. […] Es giebt auch gelehrte Theologen in Russland. Aber das alles bedeutet Nichts. Der Volksgeist hat nie Befruchtung erfahren durch den Geist des Alterthums. Nur das Phlegma desselben, das orthodoxe Kirchenthum von Byzanz, hat sich dem Volksgeiste dort assimilirt.« (Hervorhebung im Original)
34) K. Holl, Gesammelte Aufsätze zur Kirchengeschichte. Bd. 1: Luther, Tübingen 1921 (71949). Zu seiner Bedeutung am Beginn der sogenannten »Lutherrenaissance« vgl.: H. Assel, Der andere Aufbruch – Die Lutherrenaissance (FSÖTh 72), Göttingen 1994.
35) So Harnack in seiner Rede bei der Gedächtnisfeier der Universität Berlin für K. Holl am 12.06.1926. Vgl.: H. Karpp (Hrsg.), Karl Holl (1866–1926). Briefwechsel mit Adolf von Harnack, Tübingen 1966, 83–92, 83.
36) Zur Biographie Holls vgl.: J. Wallmann, Karl Holl und seine Schule, in: ZThK 1978, Beiheft 4, 1–33; R. Stupperich, Karl Holls Oststudien und ihr Einfluß auf sein politisches Denken, in: HZ 215 (1972), 345–367.
37) K. Holl, Die Sacra Parallela des Johannes Damascenus (TU 16), Leipzig 1896.
38) Vgl. z. B.: V. A. Krivošeine, Catéchèses. Simeon. Novus Theologus, 949–1022 (SC 96.104.113), Paris 1963.1964.1965; I. Alfeyev, St. Symeon the New Theologian and Orthodox Tradition, Oxford 2000. Dazu: E. M. Synek, 1000 Jahre Erfahrungstheologie: Symeon Neos Theologos, in: OstkSt 50 (2001/2), 79–105.
39) Ἐπιστολὴ περὶ ἐξαγορεύσεως, ed. K. Holl, in: Ders., Enthusiasmus und Bußgewalt beim Griechischen Mönchtum, Leipzig 1898 (ND Hildesheim 1969), 110–127.
40) Vgl.: J. Wasmuth, Art. Theologie II/4.3. Orthodoxe Theologie, in: TRE 33 (2002), 290–299, 294–297. Vgl. jetzt auch: K. O. Pol’skov, Gibt es eine theologische Methode?, in: R. Flogaus/J. Wasmuth (Hrsg.), Orthodoxie im Dialog. Historische und aktuelle Perspektiven (FS H. Ohme) (AKG 130), Berlin 2015, 435–444.
41) Epiphanius: Ancoratus und Panarion, ed. K. Holl (GCS 25.31.37), Berlin 1915.1922.1933.
42) K. Holl, Gesammelte Aufsätze zur Kirchengeschichte. Bd. 2: Der Osten, Tübingen 1928.
43) Jetzt in: K. Holl, Gesammelte Aufsätze Bd. 2 (wie Anm. 42), 418–432. Zeitgleich erschien die Studie auch in: Die Zukunft 21 (1913).
44) Vgl.: J. Wallmann, Karl Holl und seine Schule (wie Anm. 36), 16.
45) K. Holl, Gesammelte Aufsätze Bd. 2 (wie Anm. 42), 418.
46) Die Schrift Holls war möglicherweise eine Auftragsarbeit, die eine Gegenposition zu A. v. Harnacks zuvor gehaltenem Vortrag »Der Geist der morgenländischen Kirche im Unterschied von der abendländischen« (ders., Aus der Friedens- und Kriegsarbeit, Gießen 1916, 101–140) deutlich machen sollte. Harnack hatte hier alle radikalen Urteile aus dem »Wesen des Christentums« wiederholt und nochmals verschärft und damit endgültig alle Brücken zwischen Protestantismus und Orthodoxie abgebrochen. E. Benz fasste die Thesen Harnacks folgendermaßen zusammen: »Irgendein innerer Zusammenhang mit dem abendlän- dischen Protestantismus wird grundsätzlich geleugnet. Der Unterschied zwischen morgenländischem und abendländischem Katholizismus wird ganz zugunsten des römischen Katholizismus dargestellt. Von Harnacks Beurteilung aus sind alle Brücken zu irgendeiner ökumenischen Begegnung vollständig abgebrochen, da jede Möglichkeit eines gegenseitigen Verstehens fehlt. Die orthodoxe Kirche ist das Ganz-Andere schlechthin, sie ist versteinerter orientalischer Synkretismus des 3. Jahrhunderts« (ders., Die Ostkirche [wie Anm. 15], 256).
47) K. Holl, Gesammelte Aufsätze Bd. 2 (wie Anm. 42), 419.
48) A. a. O., 419.
49) A. a. O., 420.
50) A. a. O., 420.
51) A. v. Harnack, Das Wesen des Christentums (wie Anm. 24), 220.
52) K. Holl, Gesammelte Aufsätze Bd. 2 (wie Anm. 42), 421.
53) A. a. O., 421.
54) A. a. O., 422.
55) A. a. O., 426.
56) Etwa wenn er das Fehlen von religiösen Antrieben zu einer »grundlegenden Besserung der Zustände, die die Not verursachen« beschreibt, a. a. O., 428.
57) Vgl. dazu z. B.: J. Wasmuth, Die aktuelle Situation der Russischen Orthodoxen Kirche (ROK), in: OstkSt 62 (2013), 143–160, 151–153; J. Willems, Religions- und Ethikunterricht in Russland – Was wollen Staat und Kirche?, in: Erfurter Vorträge zur Kulturgeschichte des Orthodoxen Christentum 9, Universität Erfurt. Lehrstuhl für Religionswissenschaft 2010.
58) S.: H. Ohme/J. Wasmuth, Zur Lage des Faches Konfessionskunde orthodoxer Kirchen an evangelisch-theologischen Fakultäten in Deutschland, in: ThLZ 138 (2013), 1059–1070.
59) Vgl. dazu: H. Ohme/J. Wasmuth, Zur Lage des Faches Konfessionskunde orthodoxer Kirchen, a. a. O.