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Ausgabe:

Juni/2016

Spalte:

631-633

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Kim, Young Richard

Titel/Untertitel:

Epiphanius of Cyprus. Imagining an Orthodox World

Verlag:

Ann Arbor: University of Michigan Press 2015. XVI, 278 S. m. 1 Abb. Geb. US$ 85,00. ISBN 978-0-472-11954-7.

Rezensent:

Katharina Greschat

Mit dem zypriotischen Bischof Epiphanius von Salamis haben sich bis in die Gegenwart hinein nur wenige Forscher beschäftigt; zu unsympathisch war vielen wohl dieser Repräsentant eines fanatischen Christentums in der Spätantike; dieser Bischof, der überall Häretiker witterte und mit unermüdlicher Leidenschaft all jene bekämpfte, die in seinen Augen vom Intellektualismus eines Origenes infiziert waren.
Der Vorzug der vorliegenden, überaus gelungenen Monographie von Young Richard Kim ist, dass sie gar nicht erst versucht, Epiphanius in einem vorteilhafteren Licht zu zeichnen. Vielmehr will K. das keineswegs allzu simple Denken seines Protagonisten auf dem Horizont der eigenen Zeitumstände plausibel machen, ohne es dabei zu verkürzen oder gar zu karikieren. Dazu wählt K. einen interessanten Zugriff, indem er in das opus magnum des Epiphanius, sein Panarion – den Medizinkasten gegen alle Häresien – hineinhorcht und es nicht als Quelle für die Rekonstruktion häretischer Ansichten, sondern als Zeugnis für Epiphanius eigene Auffassungen begreift: »I will demonstrate how we can read the text as a reflection of Epiphanius’ own formation, convictions, and worldview, even as he dedicated his energy to the rhetorical construction and destruction of the heterodox.« (7) Damit folgt er bewusst einem gegenwärtigen Forschungstrend, wonach die häresiologische Literatur weniger für die Kenntnis der gegnerischen Ansichten als für die ihrer jeweiligen Verfasser aufschlussreich sei.
Sehr geschickt wählt K. kleinere autobiographische Anekdoten aus dem Panarion, die – sorgsam gedeutet – gleichsam einige Fens­ter in die Welt des Epiphanius aufstoßen.
So blickt der Leser im ersten Kapitel (17–43) auf das monastische Ägypten des 4. Jh.s mit Athanasius als wichtiger Leitfigur im Kampf für den rechten Glauben. Sehr konkret verweist Pan. 26,17,1–18,6, wo sich Epiphanius als Häresieexperte und Wächter der Rechtgläubigkeit darstellt, auf dessen wohl erste Begegnung mit der Häresie in Form einer gnostischen Frau, die er beim zuständigen Bischof anzeigte. Im zweiten Kapitel (44–80) verlässt K. die Biographie des Epiphanius und interpretiert die ersten Abschnitte des Panarion als Wegweiser zur biblisch fundierten Geschichtskonstruktion des Epiphanius, die in dem unbeschnittenen und nichtjüdischen Adam bereits ein rechtgläubiges Christentum verwirklicht sehen wollte. Demgegenüber sei der Hellenismus als die eine grundlegende Urhäresie zu verstehen, die in der Idololatrie als Ursprung von Poesie, Kunst, Historie und Philosophie wurzele. Auf diese Weise wird auch Epiphanius Verachtung jeglicher Form von griechischer paideia plausibel. Die andere Urhäresie begegne im Judentum, für das sein Unverständnis gegenüber Christus, d. h. Be­schneidung, Bund und Gesetz nicht typologisch auf Christus hin zu verstehen, charakteristisch sei. Im nächsten Kapitel (83–103) wendet sich K. wieder der Biographie des Epiphanius zu und macht deutlich, dass Epiphanius nach dem Aufenthalt in Ägypten in seine palästinische Heimat zurückkehrte, um auch dort in monastischen Kontexten zu leben; doch zugleich veränderte sich diese Welt nachhaltig, weil das Heilige Land zum heftig umkämpften Zentrum der christlichen Welt wurde. In Pan. 30,5,1–8 bringt Epiphanius zum Ausdruck, dass er sich dort als einer der wenigen Rechtgläubigen von intriganten Häretikern umlagert sah; während er sich in Pan. 40,1,1–9 als jemanden zeichnet, der jeder Häresie die Stirn bot.
Das vierte Kapitel (104–137) nimmt noch einmal das Vorbild des Athanasius als Vorkämpfer für den rechten Glauben in den Blick und kommt zu dem überraschenden Ergebnis, dass der so unflexibel wirkende Epiphanius durchaus auf ganz eigenständige Weise seine theologische Position zur Sprache bringen konnte. Während er im Ancoratus an der einen Hypostase festhielt und eine originelle Theologie des Namens entwickelte, um die Verschiedenheit der Personen zum Ausdruck zu bringen, ließ er sich später dann von der neunizänischen Position der drei Hypostaseis überzeugen: »An important observation here is that Epiphanius, known by modern scholarship as a rigid and intolerant dogmatist, demonstrated an evolution in his theology and an apparent willingness to adapt and change his position« (130). Das fünfte Kapitel (141–172) kehrt wieder zur Biographie des Epiphanius zurück und begleitet ihn nach Zypern, da für einen Mann seines Zuschnitts in der Kirche seiner Heimat offensichtlich kein Platz war. Zypern stand hingegen fest in athanasianischer Tradition und bot zudem dem berühmten palästinischen Asketen Hilarion in seinen letzten Jahren Zuflucht. Wie die Sequenz in Pan. 77,20,1–24,5 zeigt, verstand sich auch der Bischof Epiphanius als engagierter Verfechter für die rechte Lehre und schreckte nicht davor zurück, sich bei seiner Parteinahme für Paulinus von Antiochia über das Kirchenrecht hinwegzusetzen. In der inzwischen gewohnten Weise widmet sich das sechste Kapitel (173–203) der rhetorischen Komposition des Panarion und konzentriert sich auf dessen neuartige Taxonomie der Häresie. Nach dem Muster antiker Naturgeschichte vergleicht Epiphanius die giftigen Angriffe der Häretiker mit Eigenschaften und Besonderheiten von Schlangen, Nattern, Ottern, Medusen, Drachen, Spinnen, Skorpionen etc., gegen die man mit allen Mitteln kämpfen müsse. Das abschließende Kapitel (204–236) taucht dann in dessen Schlacht gegen den Origenismus ein, die Epiphanius in seinen letzten Jahren geradezu verkörperte und in der er bewusst die Rechte gegnerischer Bischöfe verletzte, um sie zum Handeln zu zwingen. So gelang Epiphanius zwar, Paula und Hieronymus zu instrumentalisieren, doch musste er erkennen, dass er von Theophilus von Alexandrien im Kampf gegen Johannes Chrysostomos benutzt worden war, indem jener sehr geschickt auf die antihäretische Karte gesetzt hatte: »his identification […] of the Origenists as serpents, must have pushed all the right buttons« (229).
So steht dem Leser am Ende ein zwar vollkommen gescheiterter Epiphanius vor Augen, dessen Werk aber dennoch einer intensiveren Beschäftigung lohnt, weil es ihm dank der sorgfältigen Analysen K.s noch einmal ganz neu aufgeschlossen wurde.