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Ausgabe:

Januar/1999

Spalte:

82 f

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Petzoldt, Matthias G.

Titel/Untertitel:

Christsein angefragt. Fundamentaltheologische Beiträge.

Verlag:

Leipzig: Evang. Verlagsanstalt 1998. 232 S. 8. Kart. DM 29,80. ISBN 3-374-01668-5.

Rezensent:

Hartmut Rosenau

Matthias G. Petzoldt, Professor für Fundamentaltheologie und Hermeneutik an der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig, legt in diesem Sammelband eine repräsentative Auswahl seiner Vorträge und Aufsätze zwischen 1985 und 1998 vor, die - abgesehen von zwei Erstveröffentlichungen - bislang nur sehr verstreut erschienen und zugänglich sind. Sie beziehen sich thematisch auf vier unterschiedliche Bereiche und vermitteln so insgesamt einen guten Einblick in die Arbeitsweisen einer in der evangelischen Theologie erst seit kurzem, in der katholischen Theologie seit langem etablierten Disziplin, nämlich der Fundamentaltheologie. P. versteht sie "als systematisch-theologische Rechenschaft über den christlichen Glauben angesichts äußerer Herausforderungen und innerer Suche nach Ver gewisserung" (14). Dieser Intention folgend gibt es im vorliegenden Band vier Beiträge zur "Fundamentaltheologie" im engeren Sinne, drei zur "theologische(n) Apologetik vor dem Atheismus", nochmals drei zum Themenkreis "Religion im Säkularisierungsprozeß" und zuletzt zwei Beiträge zur Frage nach der "Kirche in der Gesellschaft". Ein ausführliches Personenregister schließt den Sammelband ab.

Sucht man einen fundamentaltheologischen Fokus dieser teils grundsätzlichen, teils sich auf aktuelle Problemstellungen von Kirche und Theologie (insbesondere im Osten Deutschlands) beziehenden Texte, so stößt man auf P.s kritisch an E. Brunner geschultes personal-dialogisches Glaubens- und Wahrheitsverständnis (34; 39), mit dem einer vorausgesetzten "Grundlagenkrise des Glaubens und der Theologie" (11) etwa in bezug auf das reformatorische Prinzip "sola scriptura" zu begegnen sei. Denn christlicher Glaube konstituiert sich nicht durch "Sachwahrheiten" gemäß einer Korrespondenztheorie der Wahrheit (20 f.), sondern vielmehr durch "eine Begegnung von Person zu Person" (21/22), letztlich durch eine "Begegnung mit dem in der Person eines Menschen entgegentretenden Du Gottes" (37), schlicht: mit Jesus von Nazareth als dem Christus (39).

Mag diese dogmatische Feststellung auch eher eine fundamentaltheologische Problemanzeige als schon eine Antwort des vielfach angefragten Christseins bieten, so begründet P. doch damit seinen vor allem in der Auseinandersetzung mit Feuer-bachs und marxistischer Religionskritik gewonnenen (142) konsequenten Verzicht auf allzu leicht durchschaubare Apologetik im Sinne klassischer "praeambula fidei" oder eines religiösen Apriori zugunsten einer auch und gerade fundamentaltheologisch immer schon in Anspruch genommenen und konfessionell geprägten Glaubensperspektive (59; 66). Das entlastet und entkrampft z. B. den gesuchten Dialog zwischen christlichem Schöpfungsglauben und naturwissenschaftlicher Kosmologie (51). Allerdings ist so P.s Verständnis von Fundamentaltheologie zwar klar von religionsphilosophischer, aber nicht mehr klar von systematisch-theologischer, speziell dogmatischer Reflexion zu unterscheiden.

Aber P. ist ungeachtet dessen darin sicher zuzustimmen, daß die Infragestellungen und Herausforderungen des christlichen Glaubens in unserer säkularisierten Gesellschaft weniger aus intellektuellen Problemen erwachsen, sondern sich vielmehr aus einem "sich an kirchlicher und kirchenpolitischer Praxis entzündenden Verdacht auf Unwahrheit des Glaubens" ergeben (116). Insofern wird nun zu Recht "Kirche" zum fundamentaltheologischen Thema erhoben, zumal sich ihr personal-dialogischer Grund, die "personale Beziehung zu Jesus als dem Christus" als solche allen - sei es bedauerten, sei es begrüßten - Tendenzen einer Säkularisierung entzieht, wie P. vor allem gegen T. Rendtorffs Säkularisierungsthesen darlegt (169; 173). Fundamentaltheologische Relevanz gewinnt Kirche aber nach P. in der gegenwärtigen pluralistischen Gesellschaft weniger durch die Übernahme (begrenzter) politischer Mandate (222), schon gar nicht durch verzweifelte Flucht in Fundamentalismen (188), sondern nur durch eine "identitätsorientierte Suche nach den Fundamenten (der eigenen Tradition)" (190) in Wahrnehmung ihres "Öffentlichkeitsauftrages" (222).

Die fundamentaltheologische Pointe und Besonderheit der durchweg anregenden, wenn auch qualitativ unterschiedlichen Beiträge Petzoldts liegt daher m. E. nicht so sehr in seinem noch klärungsbedürftigen und darum problematischen personal-dialogischen Glaubens- und Wahrheitsverständnis, sondern im Aufmerksamwerden auf die Rolle der nach ihrer eigenen Identität fragenden Kirche.