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Ausgabe:

Mai/2016

Spalte:

567-68

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Christ, Heinrich

Titel/Untertitel:

Zwischen Religion und Geschäft. Die Basler Missions-Handlungs-Gesellschaft und ihre Unternehmensethik, 1859–1917.

Verlag:

Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2015. 273 S. m. Abb. u. Ktn. = Beiträge zur Europäischen Überseegeschichte, 103. Kart. EUR 49,00. ISBN 978-3-515-11083-9.

Rezensent:

Ulrich van der Heyden

In der bis in die erste Hälfte des 19. Jh.s zurückreichenden Ge­schichte der überseeischen protestantischen Mission wurde diese kritisiert, oft versehen mit dem Hinweis auf die Tatsache, dass die Missionare Handel mit Vertretern der »einheimischen« Völkerschaften führten, unter denen sie tätig waren. Auch Vorwürfe der wirtschaftlichen Ausbeutung »ihrer Eingeborenen« wurden erhoben. Die Forschungen der letzten Jahrzehnte haben solche Kritiken nicht belegen können, aber ernsthaft damit befasst hat sich kaum jemand.
Die mehr oder minder rigoros vorgetragenen Kritiken und die kaum solche Vorwürfe abweisenden Erwiderungen von Missionshistorikern bedeuten jedoch nicht, dass es nicht auch von Missionaren betriebene Handelsorganisationen und sonstige marktwirtschaftlich orientierte Geschäftsinteressen europäischer Missionsgesellschaften gegeben hat. Einige sind der Forschung mehr oder minder bekannt, andere harren noch der historischen Aufarbeitung. Sich eines Themas aus der »Missionsökonomie« anzunehmen, ist ein Verdienst an sich.
Ein solches wichtiges Buch ist in Überarbeitung einer an der Universität Zürich verteidigten Dissertation nunmehr erschienen. Unter Beachtung unternehmensethischer und wirtschaftshistorischer Fragestellungen hat sich Heinrich Christ mit der Geschichte der Basler Missions-Handlungs-Gesellschaft in den Jahren 1859 bis 1917 beschäftigt. Als Aktiengesellschaft aus der Basler Mission gegründet, war die Handelsgesellschaft ein selbständiges Unternehmen, welches mit der Basler Missionsgesellschaft zeit seiner Existenz eng verbunden blieb. Auf den Missionsfeldern in Afrika und Indien verkauften die Händler mit Unterstützung der Missionare europäische Waren und erstanden aus dem Profit begehrte tropische Produkte wie Palmöl und später Kakao. Vornehmlich in Europa verkauft, konnte aus diesen Dreiecksgeschäften nicht un­wesentlicher Gewinn erzielt werden.
Auf dem indischen Subkontinent betrieb die Basler Missions-Handlungs-Gesellschaft zudem Ziegelfabriken und Webereien, die offiziell zur Missionsgesellschaft gehörten. Der daraus erzielte Profit war so bedeutsam, dass die Missions-Handlungs-Gesellschaft bis zum Ersten Weltkrieg zu einem Großunternehmen mit mehreren tausend Mitarbeitenden und Millionenumsätzen anwuchs.
Das Unternehmen stand in einem permanenten Spannungsverhältnis zwischen religiös-gemeinnützigem und gewinnorientiertem Handeln. Wie sie damit umgegangen ist, wie sich das Verhältnis zur Basler Mission gestaltete, welchen unternehmensethischen Grundlagen sich die Verantwortlichen verpflichtet fühlten, untersucht der Vf. in acht, jeweils weiter untergliederten Kapiteln. Zum Teil sehr detailliert geht er auf die Unternehmensstrategie, Finanzierungen, auf das alltägliche Geschäft, Personalwesen und Ge­winnverteilung ein. Er gelangt zu der Schlussfolgerung, dass die Missions-Handlungs-Gesellschaft mit ihrer besonderen Form der Wertschöpfung scheinbar widersprüchliche Welten verband. Dies mag in der damaligen Zeit weitgehend funktioniert haben. Aber die Vorstellung, dass dies auch heute noch weltweit aktive Unternehmen inspirieren könne, wie der Vf. am Ende des Buches vorschlägt, erscheint ein wenig weltfremd.
Um bis zu dieser Empfehlung zu gelangen, werden vom Vf. viele Themen und Fragestellungen der aktuellen Missionsgeschichtsforschung angesprochen. Es sei nur auf seine detaillierte Untersuchung des sozialen Status und der Tätigkeiten der einheimischen Hilfskräfte in Afrika und Indien verwiesen. Auch die zum Anfang des Buches platzierte kurze Darstellung der Geschichte der Basler Mission unter Verwendung aktueller Forschungsergebnisse ist interessant und wertvoll.
Das Buch enthält Tabellen und einige historische Abbildungen. Wollte man etwas zu Kritisierendes finden, so gelangt man lediglich zu dem Wunsch, dass die sich im historischen Kontext der untersuchten Handelsgesellschaft ergebenden Fragestellungen zu Kolonialismus, Welthandel, indigenen Entwicklungen und Handelsgesellschaften anderer Missionsgesellschaften hätten ausführlicher berücksichtigt werden können. Diese Monita werden nicht zuletzt in der im Anhang aufgelisteten verwendeten Literatur deutlich.
Insgesamt gesehen hat der Vf. sich an ein wichtiges wie schwieriges Thema gewagt und damit ein bedeutendes Kapitel Missionsgeschichte behandelt.