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Ausgabe:

Mai/2016

Spalte:

559-560

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Richter, Klemens

Titel/Untertitel:

Feiernde Gemeinde. Die Identität der Kirche und ihr Gottesdienst – eine Aufsatzsammlung. Hrsg. v. B. Kranemann, Th. Sternberg u. M. Stuflesser.

Verlag:

Münster: Aschendorff Verlag 2015. 432 S. Kart. EUR 29,90. ISBN 978-3-402-13111-4.

Rezensent:

Christian Grethlein

Der Band umfasst anlässlich seines 75. Geburtstags 22 Aufsätze des katholischen Liturgiewissenschaftlers Klemens Richter, die zwischen 1986 und 2015 erschienen. Durch deren kluge Auswahl und Anordnung kann diese Sammlung zugleich als eine Einführung in die Liturgiewissenschaft gelesen werden, die in der liturgischen Bewegung gegründet ist und sich zentralen Impulsen des II. Vaticanums verpflichtet weiß. Programmatisch führt in das dabei leitende Verständnis von Liturgiewissenschaft der Eingangsartikel »Die Liturgie – zentrales Thema der Theologie« ein.
Der erste, mit »Liturgie und Diakonie« überschriebene Hauptteil umfasst zwei Beiträge, die den Ort der Liturgie in der Trias Martyria – Leiturgia – Diakonia bestimmen. Biographisch vom Leipziger Oratorium geprägt (s. z. B. 43–49) arbeitet R. im kritischen Ge­genüber zu einem mittelalterlichen Kult-Verständnis eindrücklich die diakonische Dimension der Liturgie heraus. Die Impulse von Sacrosanctum Concilium stehen dann im Zentrum des zweiten Hauptteils »Erneuerung der Liturgie«. Unter Bezug auf wirksame Anregungen aus Münster – sowohl vom dortigen Bischof als auch der theologischen Fakultät – wird der Aufbruch des Konzils inhalt lich, und zwar sowohl in liturgiewissenschaftlicher als auch in ekklesiologischer Hinsicht, entfaltet. Das Konzept des »Pascha-Mysteriums« überwindet mittelalterliche Fixierungen wie die Siebenzahl der Sakramente oder die Unterscheidung von »materia« und »forma« und lässt den Charakter der Liturgie als anamnetisch-epikletisches Feiern wiedergewinnen. Auf diesem Fundament können dann unter der Überschrift »Theologie der Sakramentenliturgie« konkrete liturgische Themen behandelt werden: die Anrede im liturgischen Gebet; die Weitung des Sakramentsverständnisses hin zur Feier – gerade für Protestanten interessant am Beispiel eines eucharistischen Hochgebets ohne Einsetzungsworte ausgeführt; schließlich Impulse zu einem Verständnis der Beichte als »Feier der Versöhnung mit Gott und untereinander«.
Es folgen explizite Auseinandersetzungen mit den konkreten Herausforderungen der »nachchristlichen Situation«, in der heute Gottesdienst gefeiert wird. Zwei weitere Beiträge widmen sich dem Verhältnis von jüdischer und christlicher Liturgie. Einige kürzere Arbeiten zum Kirchenraum schließen sich an, durch die R. ganz praktisch Einfluss auf nicht wenige Gestaltungen von Kirchen nahm. Der letzte Teil »Liturgie – Mystagogie – Katechese« weitet noch einmal – in Entsprechung zum ersten Teil – den Horizont. Wie anfangs die Liturgie auf die Diakonie hin geöffnet wurde, so wird jetzt ihre katechetische Dimension aufgewiesen.
Insgesamt liegt ein gutes und sachlich engagiertes Lehrbuch vor. Es gibt auch evangelischen Lesern nicht nur einen guten Einblick in die derzeitige katholischen Liturgiewissenschaft, sondern darüber hinaus zahlreiche sachliche Impulse für die eigene Praxis. Durchgehend beeindrucken sowohl die detaillierten historischen Kenntnisse als auch die systematische Kraft, die verschiedenen Entwicklungen zu bündeln – auf die »Menschen­fähigkeit der Liturgie« (z. B. 117) hin. Ein Anhang, der die von R. betreuten Qualifikationsschriften nennt und somit von anderer Seite dessen breite Wirksamkeit bezeugt, rundet den Band ab (412–423).