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Ausgabe:

April/2016

Spalte:

433-434

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Bräuer, Martin

Titel/Untertitel:

Handbuch der Kardinäle. 1846–2012.

Verlag:

Berlin u. a.: De Gruyter 2014. X, 758 S. = De Gruyter Reference. Geb. EUR 179,95. ISBN 978-3-11-026944-4.

Rezensent:

Christian Volkmar Witt

»Die Biographien von Kardinälen sind vor allem in Zeiten von Konsistorien und Papstwahlen begehrt und interessant«, erklärt Martin Bräuer im Vorwort seines hier anzuzeigenden Handbuchs. Damit hat er sicher nicht Unrecht, doch beschränkt sich das Interesse am Kardinalskollegium im wissenschaftlichen Kontext ja nicht nur auf besonders öffentlichkeitswirksame Großereignisse katholischer Provenienz. Ganz im Gegenteil: Die Zusammensetzung des Kollegiums kann grundsätzlich für ordensgeschichtliche Fragestellungen genauso aufschlussreich sein wie beispielsweise für institutions-, rechts- oder auch theologiegeschichtliche. Entsprechend erfreulich ist es, nun mit B.s Handbuch Biogramme der von 1846 bis 2012, also unter den Pontifikaten von Pius IX. bis zu Benedikt XVI. kreierten Kardinäle an einem Ort zugänglich zu haben.
Der umfangreiche Biogrammteil (34–711) ist gerahmt durch eine Einleitung (1–33), ein Glossar zu ausgewählten Begriffen und Einrichtungen (712–744), Verzeichnisse der verwendeten Literatur (745–747) und Internetquellen (747) sowie einem Personenregister (748–758).
Die kleinteilig gegliederte Einleitung fasst vornehmlich den unkundigen Leser in den Blick und hat die Funktion, diesen über die Entwicklungen des Kardinalskollegiums von seinen Anfängen bis in die Gegenwart zu informieren. Die Ausführungen zur Ge­schichte des Kollegiums (1–13) bieten einen konventionellen Überblick, der seinerseits im Wesentlichen auf einigen wenigen Titeln jüngerer Sekundärliteratur ruht und Interessen oder Fragestellungen der neueren Forschung weitestgehend ignoriert. So bleiben die Erklärungen oder Deutungen der historischen Verschiebungen in der Bedeutungszuschreibung und Legitimierung des Kardinalsamtes genauso unterbelichtet wie die der Funktionswandlungen des Kollegiums insgesamt. Verlässlicher geraten ist hingegen der meist aus dem geltenden Kirchenrecht gearbeitete zweite Teil der Einleitung, der der »Stellung des Kardinalskollegiums heute« (13) gewidmet ist (13–28). Er informiert in aller gebotenen Kürze über die institutionellen, organisatorischen, zeremoniellen und rechtlichen Eigenarten von Amt und Kollegium. Den Abschluss der Einleitung bilden einige kurze Überlegungen B.s zur zunehmenden Internationalisierung des Kollegiums (28–30) und eine Übersicht über die geographische Herkunft seiner Mitglieder im Januar 2014 (30–33).
Eine den Einführungscharakter der Einleitung unterstreichende und besonders den genannten zweiten Teil derselben inhaltlich flankierende Ergänzung stellt das Glossar dar. Es bietet komprimierte Erläuterungen zu einschlägigen Fachtermini, wobei sich die Lemmata von Ämtern über Kleidungsstücke und Institutionen bis hin zu Ordenskürzeln erstrecken. Gerade Einsteigern bietet es im Zuge der Beschäftigung mit dem Kardinalsamt oder dem -kollegium, aber auch mit bestimmten Propria der Papstkirche Unterstützung. Dabei streift es punktuell auch wichtige historische Prozesse, wenn es beispielsweise unter dem Lemma »Apostolische Kanzlei« die wechselvolle Geschichte dieser Einrichtung andeutet (713 f.), unter »Kongregation« nicht nur aktuell bestehende, sondern auch aufgelöste Kurienbehörden nennt und ihre Funktion erklärt (725–729) oder unter »Primas« zumindest kurz auf die Bezeichnung »Fürstprimas« eingeht (739).
Eingebettet in die herausgestellten allgemeinen Informationsteile sind dann die Biogramme der im eingangs angeführten Zeitraum kreierten Kardinäle. Nach Pontifikaten sortiert und innerhalb dieser nach dem Datum der Kreation, werden die wichtigsten biographischen Daten des Werdegangs der Würdenträger zusammengestellt. Das Anordnungsprinzip der Kardinäle bei ein und demselben Kreationsdatum ist allerdings – wenn überhaupt – nicht ganz leicht zu entschlüsseln (z. B. 39–44.85–93.210–222). Dabei ist der Aufbau der einzelnen Biogramme konsequent gleichgehalten: Nach Nennung des Namens werden Geburtsdatum und -ort, zentrale Stationen des Bildungsweges und der kirchlichen Karriere sowie wichtige Funktionen und Ämter erwähnt; Informationen zu Sterbedatum, Beisetzungsort und gegebenenfalls Beatifikation und Kanonisierung beschließen die Ausführungen. Bei Kardinälen, die auf den Stuhl Petri aufrücken sollten, ist zudem aufgeführt, wie viele Kardinäle sie später in wie vielen Konsistorien selbst kreierten (z. B. 55.168.251.409).
Mit den dargebotenen biographischen Daten gehen gelegentlich anregende kurze Notizen zu bemerkenswerten kirchengeschichtlichen Ereignissen oder Prozessen einher, sei es zum Beispiel zur ersten Bischofskonferenz im deutschsprachigen Raum, sei es zur Reorganisation des Katholizismus in England oder zu theologischen Sozialisationsprozessen, die ihrerseits mit prominenten Namen wie Johann Michael Sailer verbunden sind (43–45). Mit Hilfe des Personenregisters lassen sich zudem aufschlussreiche Beobachtungen zur Frequenz und Verteilung sowohl einschlägiger Familiennamen als auch bestimmter Ordenszugehörigkeiten in­nerhalb des Kardinalskollegiums machen, die wiederum Rückschlüsse erlauben auf den Einfluss einzelner Dynastien und Orden auf jenes Gremium und innerhalb der Papstkirche insgesamt.
So sind dank der Mühe B.s im vorliegenden Handbuch also grundlegende Daten und Fakten gerade für die Anfangsbeschäftigung mit einer ganzen Reihe von Themen, vor allem aber mit dem Leben und der Karriere einzelner Kardinäle kompakt versammelt; nähere oder weiterführende Informationen muss sich der Leser dann bei entsprechendem Interesse mit zumutbarem Aufwand mittels der im Anhang genannten Bibliographie, der aufgelisteten Internetseiten oder anderer ihm bekannter Quellen zusammensuchen. Sollte sich allerdings das Interesse besonders des fortgeschrittenen Lesers nicht in den Biogrammen einzelner Kardinäle erschöpfen, sondern beispielsweise auf umfassendere Forschungsfragen rund um das Kardinalsamt und -kollegium abzielen, sind im Umgang mit dem Handbuch eine gute Portion Geduld und Entdeckerfreude gefragt – gerade angesichts der nahezu unbegrenzten Verfügbarkeit auch zuverlässiger Informationen durch Digitalisierung und Internet.