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Ausgabe:

April/2016

Spalte:

411-413

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Theißen, Henning

Titel/Untertitel:

Einführung in die Dogmatik. Ein kleine Fundamentaltheologie.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2015. 189 S. = Greifswalder Theologische Forschungen, 25. Geb. EUR 34,00. ISBN 978-3-374-04164-0.

Rezensent:

Christian Danz

Seit Längerem schon wird in der protestantischen Theologie über die Etablierung einer Fundamentaltheologie debattiert. Inzwischen hat die Diskussion ihren Niederschlag auch in dem renommierten Nachschlagewerk Religion in Geschichte und Gegenwart gefunden, das in seiner vierten Auflage neben religionsphilosophischen Artikeln fundamentaltheologische zu bieten hat. Freilich kann man die Aufgabe einer Fundamentaltheologie nicht wie in der römisch-katholischen Theologie auffassen, die Vernunftgemäßheit der Kirchenlehre zu demonstrieren. Protestantische Theologen, die diesen Begriff aufgreifen, arbeiten sie deshalb eher als eine Art Einführung in die Dogmatik aus. Ganz in diesem Sinne versteht das hier anzuzeigende Buch des Greifswalder Privatdozenten für Systematische Theologie Henning Theißen Einführung in die Dogmatik mit dem Untertitel Eine kleine Fundamentaltheologie deren Aufgabe. Es traktiert gleichsam die Prolegomena der Dogmatik. Diese seien »eine spezifisch theologische Epistemologie mit allgemein epistemologischer, gewissermaßen externer Verantwortung« (11). Die dogmatischen Gehalte kommen nicht als solche in den Blick, sie werden im Hinblick auf ihre »Erkenntnisbedeutung« (ebd., vgl. 17) befragt. Faktisch behandelt das Buch in seinen sieben Kapiteln diejenigen Themen, die in der altprotestantischen Dogmatik in den Prolegomena zu finden waren, und ebenso wie dort steht bei T. die Schriftlehre im Fokus des Interesses. Sie wird allerdings vor dem Hintergrund sprachphilosophischer und kommunikationstheoretischer Überlegungen am Leitfaden von Gottes Wort reformuliert und erfährt von hier aus ihre spezifische Pointe.
Der rote Faden, der sich durch die Studie zieht, ist die Unterscheidung von Begriff und Name. »Ein Objekt begrifflich einzuführen, setzt voraus, dass die zur Verfügung stehenden Begriffe das Objekt erfassen können; ein Objekt mit Namen einzuführen, impliziert zu seiner Erkenntnis eine mehr oder weniger tiefgreifende Mo­difikation oder Neukonfiguration der bestehenden Begriffe.« (11) Der Gesichtspunkt des Namens und seines Verhältnisses zum Be­griff wird in den folgenden Abschnitten weiter ausgeführt. Ähnliche Überlegungen hatte bereits Saul Aron Kripke in seiner Studie Naming and Necessity von 1972 vorgelegt, auf die sich T. jedoch nicht bezieht. Mit seinen Überlegungen zur Bedeutung des Na­mens knüpft T. an seinen Greifswalder Lehrer Heinrich Assel an.
Die Einführung (9–20) nimmt die Unterscheidung von Begriff und Name in zwei Typen von Fundamentaltheologien auf, einer integrierten (für sie steht Karl Barth) und einer rahmentheoretischen Variante (sie wird durch die Vertreter des Theologischen Arbeitskreises Pfullingen repräsentiert). Weitergeführt wird die Differenzierung in den Abschnitten über Bibel (21–48), Bekenntnis (49–72), Glaube (73–91), Gottes Wort (93–140), Offenbarung (141–171) und Gottes Name (173–180). Der Schwerpunkt der Ausführungen liegt in den Kapiteln 5 und 6, die dem Wort Gottes und dem Offenbarungsbegriff gewidmet sind. Hier entfaltet T. die systematischen Grundlagen seines Sprachverständnisses, welches dem gesamten Buch zugrunde liegt und in der These gipfelt, »Namen lassen Abwesende in der Rede anwesend sein« (162), ohne diese auf begriffliche Merkmale zu fixieren. Für die Sätze der Fundamentaltheologie heißt das, sie muss den »ihr namentlich gegebenen Gegenstand auf den Begriff […] bringen, indem sie von ihm die mit diesem Namen genannten Eigenschaften prädizieren« (107).
In den Fokus der Fundamentaltheologie rückt bei T. mit der Er­kenntnisbedeutung des Namens die Sprachlichkeit der Wirklichkeit. Die theologischen und religiösen Gehalte existieren gleichsam allein in der religiösen Rede. Die Umformung des vormo-dernen Sprachverständnisses, welche Sprache als Abbildung der Wirklichkeit bzw. als Verweis auf diese verstand, wird von T. aufgenommen, wie der Durchgang durch diverse Theorien theologischer Sprachhermeneutik deutlich macht (vgl. 96–112). Die Sprache bezieht sich auf sich selbst und verweist nicht auf eine ihr äußere Wirklichkeit. Der Rekurs auf die Wirklichkeit der Sprache macht allerdings nicht deren Wahrheitsbezug obsolet. Diesen aufrechtzuerhalten, ist die Funktion der Unterscheidung von Name und Begriff. »Der Aussagesatz mit Gegenstand und Begriff lässt sich demgegenüber auch inhaltlich am Maßstab des Korrespondenzkriteriums überprüfen. Anders, als es die für dieses Kriterium einschlägige Abbildtheorie unterstellt, kann der Gegenstand eines solchen Satzes zwar nicht außerhalb der Sprache, sehr wohl jedoch als Satzgegenstand in der Sprache real präsent sein, sofern er mit Na­men genannt wird.« (105 f.) Gott begegnet allein im menschlichen Wort der religiösen Kommunikation, anwesend ist Gott, wenn diese fortgesetzt wird. »Wahre Prophetie ist allein diejenige, die im Namen Gottes gesprochen ist.« (123; vgl. 135) Die innere Strukturierung der religiösen Kommunikation beschreibt T. durchweg mit biblischen und dogmatischen Begriffen. Damit wird die Konkretheit der religiösen Selbstverständigung betont. Religiöse Rede ist stets an eine inhaltlich bestimmte Tradition gebunden. Dafür steht der Kirchenbegriff bzw. die reguläre Offenbarung (168 f.). Die Verschränkung von sünden- und gnadentheologischen Motiven steht für ein Reflexivwerden der Kommunikation. »Erst wenn Ge­richt und Umkehr eine Bedeutungseinheit bilden, kann von wahrer Prophetie die Rede sein, in der das prophetische Wort Gottes Wort zur Sprache bringt.« (122) Dem korrespondiert die Fassung des Offenbarungsbegriffs als Grenze – nicht Schranke – menschlicher Subjektivität (152.155).
Das Buch von T. zielt auf eine sprachhermeneutische Umformulierung der Prolegomena zur Dogmatik. Es reiht sich damit in die in jüngster Zeit vorgenommenen Versuche ein, einen kommunikationstheoretischen Religionsbegriff auszuarbeiten, der ohne die Annahme einer anthropologischen Allgemeinheit von Religion auskommt, und bietet gleichsam deren namenstheoretische Va­riante.