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Ausgabe:

September/1999

Spalte:

918

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Nicolai de Cusa

Titel/Untertitel:

Opera Omnia. IX: Dialogus de Ludo Globi, edidit, commentarisque, illustravit I. G. Senger.

Verlag:

Hamburg: Meiner 1998. XLII, 240 S. 4. Kart. DM 298,-. ISBN 3-7873-1309-5.

Rezensent:

Karl-Hermann Kandler

Zum ersten Mal liegt eine historisch-kritische Edition dieser Schrift des Nikolaus von Kues (= NvK) vor. Sie ist bisher in der Cusanus-Forschung verhältnismäßig wenig berücksichtigt worden. Handelt es sich nur um ein Spiel, das ein verspielter Kardinal hier vorstellt und beschreibt? Die Erfindung dieses Spiels reklamiert NvK für sich. Gespielt werden kann es. Vor einigen Jahren ist es als "das Kugelspiel des Nikolaus von Kues" erneut auf den Markt gebracht worden. Das Spielfeld hat neun konzentrische Kreise. Jeder ist ohne Anfang und Ende. Außerhalb der Kreise ist das Chaos. Gespielt wird mit einer Kugel, dem "Globulus". Er ist keine vollkommene Kugel, sondern er hat eine Delle als Ausdruck irdischer Unvollkommenheit. So rollt die Kugel auch nicht vollkommen geradeaus, sondern eigenwillig jeweils auf einer eigenen Bahn. Es liegt nicht nur an der Geschicklichkeit des Spielers, daß die Kugel zum Mittelpunkt rollt, er muß dabei auch seinen Verstand gebrauchen. Das Ende des Weges, der innere Kreis, symbolisiert die Gegenwart Christi (virtus virtutum): Die Gläubigen "wenden sich zur Mitte, zum Thron des Königs der Kräfte, des Mittlers zwischen Gott und Menschen. Den Fußspuren Christi folgend treiben sie ihre Kugel zu maßvollem Lauf an" (I, 51, S. 57).

NvK ist davon überzeugt: "Das ist die mystische Kraft des Spiels: Durch tüchtige Übung kann man auch die eingedellte Kugel zu einer Regel bringen, so daß ihre Bewegung nach vielen unstabilen Biegungen im Reich des Lebens zur Ruhe kommt" (I, 54, S. 60 f.). "Einem guten und beharrlichen Streben hilft Gott, der ja in der Bewegung gesucht wird, und bringt den guten Willen zur Erfüllung. Denn er selbst ist es ja, der den Glaubenden leitet, zum Vollkommenen führt und in seiner allmächtigen Güte dem Unvermögen dessen aufhilft, der auf ihn hofft" (I, 59, S. 66).

Entstanden ist die zweiteilige Schrift Ende 1462/Anfang 1463, sie gehört also zu den Spätschriften des NvK. In ihr verbindet er seine Erkenntnislehre in einer tiefsinnigen Spekulation über Gott, Universum und Mensch (vgl. De docta ignorantia) mit einer zuvor so von ihm noch nicht formulierten Intentionen- und Wertlehre.

Die Edition ist wieder mustergültig. Drei Apparate erschließen den Text, wobei die wesentlichen Überlieferungsvarianten (I), die herangezogenen Quellen (II) und die Parallelstellen im cusanischen Gesamtwerk (III) erfaßt werden. Im Vorwort erläutert der Hg. die Überlieferungsgeschichte, berichtet über die Edition, analysiert die Schrift und weist auf ihre Rezeptionsgeschichte hin. Sechs Indices sind beigegeben (zitierte Namen, zitierte Werke, Autoren, Handschriften, Bibliographie, Wortregister).

Der Herausgeber, der sich überhaupt mit der Erschließung des Werkes des NvK einen Namen gemacht hat, hat anderswo schon in einem Aufsatz diese Schrift in ihren geistesgeschichtlichen Zusammenhang gestellt und ihren Inhalt erschlossen (Globus intellectualis. Geistsphäre, Erkenntnissphäre und Weltsphäre bei Plotin, Nikolaus von Kues und Francis Bacon, in: Concordia discors. Studi su Niccolò e l’Umanesimo europeo offert a Giovanni Santinelli, hg. von G. Piaia, Padua 1993, 275-307 = Medioevo e Umanesimo, 84). - Es ist zu hoffen, daß bald wieder die kleine zweisprachige Ausgabe in der "Philosophischen Bibliothek" auf den Markt gebracht wird. Für die wissenschaftliche Edition gebühren Hg. und Verlag aufrichtiger Dank.

Inzwischen ist - 1999 - die kleine zweisprachige kommentierte Ausgabe in der "Philosophischen Bibliothek" erschienen (PhB 264 a/b). Für die wissenschaftliche Edition gebühren Herausgeber und Verlag aufrichtiger Dank.