Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

März/2016

Spalte:

285-286

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Dorsch-Jungsberger, Petra E.

Titel/Untertitel:

Papstkirche und Volkskirche im Konflikt. Die Kommunikationsstrategien von Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus.

Verlag:

Münster u. a.: LIT Verlag 2014. VI, 502 S. = Religion – Medien – Kommunikation, 7. Kart. EUR 29,90. ISBN 978-3-643-12226-1.

Rezensent:

Hubertus Lutterbach

Die Münchener emeritierte Kommunikationswissenschaftlerin Petra E. Dorsch-Jungsberger legt eine Studie vor, die die katholische Kirche als global agierendes Kommunikationsunternehmen unter die Lupe nimmt. Ihre Untersuchungsperspektive ist darauf ausgerichtet, inwieweit die von den Päpsten verwendeten kommunikativen Strategien dazu dienten bzw. dienen, die Kirche als ein Projekt im Dienste der Menschen (»Volkskirche«, wie D.-J. das nennt) zu präsentieren. Oder benutzen die Päpste ihre Kommunikationsmedien, um sich selbst und ihre Politik innerhalb wie außerhalb ihrer Kirche umso heller und effektvoller zu inszenieren? Als Quellenmaterial dienen D.-J. sowohl Predigten und Ansprachen der untersuchten Päpste als auch die schriftliche (!) Berichterstattung (Zeitungsartikel etc.) über deren Wirken.
Die Monographie ist in 15 Kapitel untergliedert: Auf die einleitende Erläuterung der »Grundpfeiler kirchlicher Kommunikation« (Kapitel 1) führt D.-J. in Kapitel 2 in die »Kommunikation für Glaubenssachen« ein. Anschaulich beschreibt sie, dass sich die Päpste für die Verbreitung ihrer Botschaft immer wieder neuester Kommunikationsmittel bedient hätten. Kapitel 3 und 4 widmen sich unter diesem Fokus erstrangig dem Pontifikat von Papst Johannes XXIII. D.-J. untersucht seine Amtszeit dezidiert daraufhin, inwieweit die päpstliche Kommunikation entweder Einflüsse ›von unten‹ oder ›von oben‹ widerspiegelt. In den Kapiteln 5 bis 12 setzt D.-J. ihre Analyse mit gleicher Fragerichtung für das Pontifikat von Papst Johannes Paul II. fort. In einem ersten Schritt fragt sie nach dem Umgang dieses Kirchenoberhauptes mit den Medien, genauerhin nach seiner Instrumentalisierung von Journalisten und Medien. In einem zweiten Schritt geht es ihr um die »Alleinstellungsmerkmale der Kommunikationsstrategie von Johannes Paul II.« (Charisma, globale Präsenz, Weltjugendtage, PR-Bilder). Kapitel 13 legt den Schwerpunkt auf Papst Benedikt XVI.: ein gelehrter Theologe, dessen Pontifikat von mehreren Erschütterungen geprägt war (Piusbrüder, Pädophilieskandal), die er zudem noch im Sinne der Herrschaftskommunikation in die Öffentlichkeit vermittelt habe. Da sowohl Papst Johannes Paul II. als auch Papst Benedikt XVI. nicht auf die »Volkskirche« zugegangen seien, hätten sie sich aufbegehrenden Pfarrern und Theologen ebenso gegenübergesehen wie einer unzufriedenen Kirchenbasis. Der Papstkirche schreibt D.-J. hier sogar die Rolle eines »Krisenmotors« zu (343). Im Unterschied dazu attestiert sie Papst Franziskus eine weitaus größere Nähe zu den Menschen an der Basis (»Volkspapst und Herausforderer der Kurie«), überdies eine Verbesserung der päpstlichen Kommuni-kation – freilich ohne dass sie bei ihm die ihrer Meinung nach bei Päpsten traditionell anzutreffende Herrschaftskommunikation bereits endgültig überwunden sieht.
Aus christentums- und kulturgeschichtlicher Perspektive mangelt es der vorgelegten Untersuchung durchweg an begrifflicher und gedanklicher Präzision: Unübersehbar zeigt sich dieses Manko, wenn sich D.-J. nicht einmal um eine sorgsame Klärung dessen bemüht, was sie unter den titelgebenden und für ihre gesamte Untersuchung erstrangigen Termini »Papstkirche« und »Volkskirche« versteht. Überhaupt bleibt D.-J.s Kirchenbegriff von der ersten bis zur letzten Seite ihres Buches schillernd-undifferenziert: Seine beiden Vorgängerpäpste hätten Papst Franziskus eine »Kirche hinterlassen, die von der Spitze bis zur Basis emotional zerrüttet und organisatorisch gespalten war« (399). Über Papst Johannes Paul II. heißt es, dass er »bei seinem Dogma vom christlichen Intimleben blieb« (391). Der »dreieinige Gott schickte vor 2000 Jahren seinen Sohn auf die Erde« (1).
Ebenso wie es der Studie an einer theologischen Kriteriologie fehlt, mangelt es ihr an einem kommunikationswissenschaftlich tragfähigen Maßstab, um die Pontifikate unter diesem Fokus tiefenscharf miteinander zu vergleichen. Lässt sich damit auch erklären, dass man in dieser Studie zu Papst Paul VI. und seinem Um­gang mit den Medien fast nichts findet, obwohl sein Pontifikat inzwischen wissenschaftlich-interdisziplinär gründlich erschlossen ist? Auch die vorwärtsweisenden Untersuchungen von protes­tantischen Kirchenhistorikern wie Berndt Hamm zur Medialität des Heils sind D.-J. unbekannt geblieben, obwohl sie für ihre kommunikationswissenschaftliche Fragestellung viel austragen könnten. Weitere grundlegende Studien aus den Bereichen ›Medienwissenschaften‹ und ›Geschichte‹, die sich mit der Öffentlichkeitswirksamkeit der Kommunikation innerhalb der vergangenen sechs Pontifikate befassen, sucht man bei D.-J. gleichermaßen vergebens: unter anderem von Frank Bösch (Medienhistoriker), Lucian Hölscher (Historiker) oder Rene Schlott (Medienwissenschaftler und Historiker).
Kurzum: D.-J. hebt die Kommunikation zwischen den Päpsten und der globalen Öffentlichkeit als ein vielversprechendes Untersuchungsfeld hervor. Freilich leidet ihre eigene Studie darunter, dass sie sich als Kommunikationswissenschaftlerin auf ein ›Feld‹ vorwagt, für das sie sich keine Feldkompetenz angeeignet hat.