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Ausgabe:

März/2016

Spalte:

234-235

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Strauß, Salomo

Titel/Untertitel:

Gemeinschaft mit dem Heiligen. Zur Ekklesiologie Peter Brunners.

Verlag:

Neuendettelsau: Freimund Verlag 2014. 190 S. Kart. EUR 18,90. ISBN 978-3-86540-181-6.

Rezensent:

Michael Plathow

Unsere Gedenkkultur prägt auch das gegenwärtige Erinnern der widerständigen Frauen und Männer der Bekennenden Kirche im »Dritten Reich«. Für Peter Brunner, den mutigen Pfarrer der Bekennenden Kirche schon zu Beginn des aufkommenden Nationalsozialismus, der vom 20. März bis 4. Juni 1935 zur »Inschutzhaftnahme« im KZ Dachau mit anderen Pfarrern einsitzen musste, bescheinigte Konrad Fischer (Prota, Eschata, Existenz. Bemerkungen zur Theologie Peter Brunners, 3) schon 1994, dass er »fast vergessen« ist. Stefanie Huesmanns Untersuchung zu P. Brunners Widerstand in »Mut zum Bekenntnis« (2012) könnte den weitgeistigen, ökume nisch engagierten Lutheraner P. Brunner, Dogmatikprofessor in Heidelberg von 1947 bis 1968, neu in Erinnerung bringen. Die Münchner Dissertation von Salomo Strauß (2011/12) möge dazu im Blick auf P. Brunners Kirchenverständnis einen Beitrag leisten.
1. Aus den nahezu vollständig gesammelten einzelnen, auch kontextuell bestimmten, Veröffentlichungen P. Brunners – sie finden sich im Literaturverzeichnis (177 ff.) – reformuliert der Vf. den ekklesiologischen Gesamtentwurf des Heidelberger Dogmatikers (24). »Von innen«, mit den Augen des Glaubens (25) entfaltet P. Brunner in der Erwählungs- und Heilsgeschichte des dreieinen Gottes von den Prota zu den Eschata die Kirche als »Gemeinschaft mit dem Heiligen«, wie der Titel der Promotionsschrift lautet, als »Gemeinschaft des Heiligen« (24.26), als »Gemeinschaft mit dem dreieinen Gott« (26).
Im I. Teil (27–66) wird die Kirche als Werk des dreieinen Gottes beschrieben: als »protologische Kirche« hat sie an Gottes konde-szendenter und Freiheit eröffnender Selbstbestimmung »allgemeiner Offenbarung« Anteil (27.33.37); als »Leib Christi« hat sie Anteil an der kenotischen Liebe Gottes in der Erlösung Jesu Christi (44 f.); als Geschöpf des Heiligen Geistes, d. h. als »Volk Jahwes« und »Volk Gottes«, das dann nach Christi Tod und Auferstehung »Leib Christi« genannt wird (55 f.), ist sie Vermittlerin des Geist Gottes (58) in der Wortverkündigung und in der Taufe.
Im II. Teil schildert der Vf. die Kirche als »communio sanctorum« (67–105). Entsprechend dem von W. Hahn inspirierten Teilgabe-Teilhabe-Gedanken, antwortet die »Gemeinschaft der Heiligen« auf die Teilgabe am sakramentalen Christusereignis mit dem Lobpreis Christi und des dreieinen Gottes. Die »sakramentale communio Gottes« verbindet sich als »sakrifizielle communio der Menschen« (98) im eschatologischen Freudenmahl.
Der III. Teil expliziert die Verleiblichung der Wesensattribute der noch verborgenen Kirche: Einheit, Heiligkeit, Katholizität und eben Apostolizität, die »die eine heilige katholische Kirche gleichzeitig in den Bereich eines greifbaren geschichtlichen Geschehens hinein[stellt]« (107 f.).
2. In seiner profunde dogmatische Einsichten vermittelnden Reformulierung der heilsgeschichtlich konzipierten Ekklesiologie P. Brunners mit ihrer Verortung im Gottesdienst der im Namen Jesu versammelten Gemeinde weist der Vf. die Kontinuität in P. Brunners ekklesiologischem und theologischem Denken nach (153 ff.). Auf das Thema Ordination von Frauen zum primär personal verstandenen Amt, auf die P. Brunners theologisches Wirken nicht eingeengt werden sollte, geht der Vf. nur kurz in Anm. 632 ein. Die wechselnde begriffliche Verwendung von »Gemeinschaft mit dem Heiligen«, »Gemeinschaft des Heiligen«, »Gemeinschaft der Heiligen« und »Gemeinschaft mit dem dreieinen Gott« sollte für den Leser eine theologiegeschichtliche und dogmatische Differenzierung erfahren.
3. In unserer Zeit, in der im Zusammenhang von Kirchen- und Gesellschaftstheorien empirische Erhebungen zu Kirchenmitgliederentwicklungen sowie wichtige soziologische, system-, organisations- und betriebswissenschaftliche Forschungen für effiziente Gemeindearbeit mit Prognosen kirchlicher Zukunft zugenommen haben, bisweilen bestimmend geworden zu sein scheinen, kann P. Brunners Glaubenserkenntnis von der universalen Heilsgeschichte der Kirche des dreieinen Gottes, an der die glaubende Gemeinde durch Teilgabe Anteil hat, in seiner dogmatischen Geprägtheit als entlastend, befreiend und vergewissernd erfahren werden.