Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

März/2016

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Honigman, Sylvie

Titel/Untertitel:

Tales of High Priests and Taxes. The Books of the Maccabees and the Judean Rebellion against Antiochos IV.

Verlag:

Oakland u. a.: University of California Press 2014. IX, 554 S. Geb. US$ 95,00. ISBN 978-0-520-27558-4.

Rezensent:

Michael Tilly

Das erste und das zweite Makkabäerbuch (1/2Makk) sind sicher keine informativen Mitteilungstexte, sondern erzählende Dichtungen mit einem intentionalen Bezug zur Wirklichkeit. Ihre Wahrnehmung als »geschichtliche« Dokumente, denen innerhalb eines bestimmten historischen Kontextes bestimmte textpragmatische Funktionen zukommen, bedingt deshalb die konsequente historisch-kritische Analyse und Interpretation ihres jeweiligen Erzählinhalts. In der vorliegenden Studie beabsichtigt Sylvie Honigman, Althistorikerin an der Tel Aviv University, mittels einer ausführlichen, literarisch und narratologisch orientierten Untersuchung der angeblichen »Religionsverfolgung« in Judäa unter Antiochos IV. Epiphanes im Spiegel der antiken jüdischen Quellenschriften sowohl die politischen und wirtschaftlichen Faktoren zu erhellen, welche den Widerstand der »altgläubigen« Rebellen um Judas Makkabäus provozierten, als auch die eigentliche Intention und Pragmatik dieser Texte insbesondere im Kontext der hasmonäischen Herrschaftslegitimation aufzudecken.
Die Einleitung des Buches (1–48) enthält umfassende Ausführungen zur Fragestellung und Methodik, zur Forschungsgeschichte seit Elias Bickermann und zum Aufbau der Untersuchung. Der erste Buchteil beginnt mit methodologischen Überlegungen zur Berechtigung einer Gegenüberstellung der Begriffe bzw. Deutungskategorien »Politik« und »Religion« (51–64). H. versteht eine solche Betrachtung im Hinblick auf die von ihr untersuchten Texte als Anachronismus und schlägt ihrerseits vor, »to replace the modern semantic fields of religion and politics with alternatives that coincide with the sets of royal and priestly prerogatives« (63). Ein 2Makk gewidmeter Abschnitt (65–94) begründet sodann die These, dass der antike Erzähler (bzw. Epitomator) hier keine linear-sequenzielle Aneinanderreihung einzelner Vorgänge und Ereignisse darlegt, sondern ein »cyclic pattern of the narrative units« (93) schafft, als dessen wesentlicher Inhalt die Vermittlung einer herrschaftsbegründenden und -sichernden »dynastic history« (94) anzusehen sei. Beide Bücher seien von erklärten Parteigängern der Hasmonäerdynastie abgefasst; in beiden seien durchweg parallele narrative Strukturen und komplementäre Kompositionsprinzipien zu beobachten, wenngleich in 1Makk die Makkabäerbrüder als (positiv konnotierte) strukturgebende Erzählfiguren fungierten, während diese Funktion in 2Makk den (negativ konnotierten) rivalisierenden Hohenpriestern und den Seleukidenherrschern zukomme. Die beiden nächsten Abschnitte unterstreichen zum einen, dass das Tempelmotiv in 2Makk mit traditionellen Vorstellungen seiner mythischen Bedeutung als mikrokosmische Entsprechung bzw. Garant der kosmischen Ordnung verbunden werde, was ebenfalls der narrativen Darstellung des Konnexes von (hasmonäischem) Königtum, Tempelweihe und intakter sozialer Ordnung diene (95–118), und beleuchten zum anderen die Bedeutung und Funktion des Neologismus Ἰουδαϊσμός (2Makk 2,21; 8,1; 14,38) im Sinne einer kultisch fundierten Sozialordnung (119–146): »Ioudaïsmos encapsulates a particular variant of the temple-building template devised to validate the legitimacy of the Hasmonean dynasty« (120). Der Schlussabschnitt (147–181) richtet sein Augenmerk auf die unterschiedliche narrative Darstellung der Berechtigung der (tatsächlich umstrittenen) personalen Vereinigung priesterlicher Würde und königlicher Autorität durch die Hasmonäerherrscher in 1/2Makk. Während 1Makk sowohl das Priestertum als auch das Königtum verschiedenen Erzählfiguren (Judas und Simon) zuordne, weise 2Makk beide Regimente allein Judas Makkabäus zu.
Auch der zweite Buchteil, der die Darstellung und Deutung der makkabäischen Erhebung durch die Verfasser von 1/2Makk in den Blick nimmt, beginnt mit Ausführungen zur Methodik der Untersuchung (189–196), in deren Verlauf H. ausführlich auf den prägenden »cultural code« (191) zu sprechen kommt, dessen eigenständige literarische Übertragungen in Erzählinhalte vor allem der unlösbaren Verbindung von göttlicher Weltordnungsmacht und sozialen Strukturen Ausdruck verleihen solle. Es folgt ein Abschnitt, in dessen Verlauf zum einen die narrativen und rhetorischen Stilmittel erkundet werden, mittels derer die Antagonisten, namentlich Jason, Menelaos und Alkimos, ihre Delegitimation erfahren, und zum anderen die Verwendung der emotional aufgeladenen Kampfbegriffe Ἑλληνισμός und Ἀλλοφυλισμός (2Makk 4,13) einer umfassenden Klärung zugeführt wird (197–228). Die perspektivisch verzerrende Darstellung der militärischen Reaktion des Antiochos IV. auf einen vermeintlichen Aufstand der Provinzbewohner als eine ebenso umfassende wie tiefgreifende »Religionsverfolgung« in 1Makk 1,41–64, 2Makk 6,1–11 und Dan 11,29–39 sowie die unzulässige Ge­genüberstellung von »Hellenisten« und »Traditionalisten« als oppositioneller Aktanten beider Erzählungen bzw. als historisch fassbare Gruppen innerhalb der judäischen Gesellschaft werden im zweiten (229–258) und dritten (259–286) Abschnitt behandelt.
Im dritten Teil des Buches unternimmt H. den Versuch einer umfassenden Rekonstruktion der eigentlichen Ursachen und des Verlaufs der antiseleukidischen Erhebung auf der Basis ihrer bisherigen Analysen und Interpretationen. Einem Zwischenfazit (291–295) folgen zwei Abschnitte, welche die Eroberung und Besetzung Coilesyriens durch Antiochos III. (297–315) sowie die gründliche administrative und fiskalische Neuordnung der Provinz durch Seleukos IV. (316–344) thematisieren. Auf dieser Grundlage rekonstruiert H. den Umfang der von Antiochos IV. bald nach seiner Machtübernahme getroffenen Zwangsmaßnahmen (Umwandlung Jerusalems in eine Polis, Erhöhung der Tributforderungen, Ablösung des amtierenden Hohenpriesters, radikale Reorganisation der Macht- und Besitzverhältnisse) und deren kausale Bedeutung für die Rebellion eines Teils der Judäer (345–377). Der letzte Abschnitt der Untersuchung (378–404) enthält eine eigenständige Rekonstruktion der Geschehensfolge bis zum Tod des Seleukidenherrschers. Indem H. die Erhebung der Judäer gegen die syrische Besatzungsmacht bereits zur Zeit des Ägyptenzuges Antiochos’ IV. datiert, gelangt sie zu dem Schluss, dass die Bestrafung der aufständischen Provinzbewohner nach Kriegsrecht und die Stationierung einer bewaffneten Garnison in der (in den jüdischen Quellen gleichsam als »Antitempel« gestalteten) Akra nicht die eigentliche Ursache, sondern die Folge der Rebellion war. Infolgedessen wiederum seien die in 1/2Makk nachträglich als »Makkabäeraufstand« dargestellten Ereignisse tatsächlich als »judäische Rebellion« zu betrachten. Deren modifizierende literarische Inanspruchnahme zugunsten der Inszenierung der Makkabäerbrüder als fromme und – mit Gottes Hilfe – erfolgreiche Streiter für Tempel und Tora wiederum sei somit als Beitrag zur Herrschaftslegitimation der aus ihnen hervorgehenden Hasmonäerdynastie zu betrachten. Beigegeben sind zwei Appendizes (405–411), welche filigrane Gliederungen von 1/2Makk enthalten. Den Endnoten (417–511) folgen Verzeichnisse der Sekundärliteratur (513–532), Stellen (533–538) und Sachen (539–554).
Auch wenn man den umsichtigen, gründlichen und innovativen, durchweg entschieden vorgetragenen Analysen und Interpretationen H.s nicht allesamt unterschiedslos beizupflichten vermag, sind gerade die methodisch reflektierte Verschränkung von historischen und literaturwissenschaftlichen Ansätzen und die Akzentuierung der (meines Erachtens noch immer nicht abschließend geklärten) Frage nach der eigentlichen historischen Referenz von 1/2Makk als propagandistische »Heldengeschichten« bedeutende Vorzüge der Studie, die einen überaus lesenswerten Beitrag zur Forschung darstellt.