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Ausgabe:

Januar/2016

Spalte:

141

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Reuter, Ingo

Titel/Untertitel:

Für ein couragiertes Selbst. Michel Foucaults Impuls für eine religionspädagogische Kritik schulischer Bildungsökonomisierung.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2014. 151 S. Kart. EUR 24,00. ISBN 978-3-374-03629-5.

Rezensent:

Ch. G.

Ingo Reuter legt hier eine Streitschrift gegen die Kompetenzdidaktik vor, die in Folge der PISA-Studien an den deutschen Schulen Einzug hielt. Er warnt vor einer damit verbundenen Ökonomisierung des Schulwesens.
Programmatisch beginnt er mit einer Einführung zu »Bildung, Religionspädagogik und Widerstand« (12–26). Der zweite Teil »Wissen und Macht« stellt die Foucaultsche Theorie der Macht als wesentliches Analyse-Instrument vor (27–71). Dabei entfalten teils ausführliche Zitate aus Foucaults Werk den Zusammenhang von Macht und Herrschaft. Ein knappes drittes Kapitel bestimmt »Die Grenzen des Wissens und die Grenzen der Macht« (72–86). Dabei versucht R., Foucaults Theorie, Äußerungen von Sokrates und Nietzsche sowie biblische Texte zu einer Kritik am »Homo oeconomicus« zu verbinden. Der vierte Teil »Fluide Machtstrukturen, Selbstsorge und parrhesiastische Existenz« vertieft dies in einem weiteren Rückgriff u. a. auf Texte der Weisheit, der Stoa und der Kyniker (87–118). Das Ganze mündet in eine »Grundlegung der Praxis« (119–139). Religionspädagogik wird hier an »Selbstsorge« und »Parrhesia« orientiert: »Die Sorge um sich selbst im Sinne einer Auseinandersetzung mit sich selbst […] muss pädagogisch und religionspädagogisch als gegenüber (sic!) einer Anpassungsleistung im Sinne eines Kompetenzerwerbs vorgängig und vorrangig betrachtet werden.« (119) Dazu gehört die »Freiheit der Rede« (129).
Erkennbar schreibt R. »cum ira et studio«. Das gibt seinen Ausführungen Schwung und Nachdruck, reduziert aber die Komplexität der Thematik. So bleibt die seit einigen Jahren in der Religionsdidaktik geführte Diskussion zur Kompetenzdidaktik und deren Modifizierung ausgeblendet. Dazu fehlen Differenzierungen nach Schulformen. Materialiter bezieht sich die Argumentation nur auf die Kernlehrpläne von Nordrhein-Westfalen, die anderer Bundesländer kommen nicht in den Blick. Auch unterbleibt die Frage, ob nicht – trotz aller Probleme – der kompetenzdidaktische Ansatz auf Problemstellen bisheriger Religionsdidaktik aufmerksam macht. Schließlich erscheint die positive Orientierung der Religionspä-dagogik mit den Begriffen »Selbstsorge« und »Parrhesia« in der vorgelegten Fassung schwierig. Denn sie ist – wie R. offen schreibt – mit einer »Sonderstellung« des Religionsunterrichts im »Kanon der schulischen Fächer« verbunden (124). Dies gefährdet nicht nur den Ort des Religionsunterrichts an der öffentlichen Schule, sondern unterschätzt auch die Diskussionen in anderen Fächern und deren Didaktiken.