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Ausgabe:

Januar/2016

Spalte:

112-113

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Janowski, Bernd, u. Christoph Schwöbel [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Dimensionen der Leiblichkeit. Theologische Zugänge.

Verlag:

Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Theologie 2015. XIV, 117 S. = Theologie interdisziplinär, 16. Kart. EUR 24,99. ISBN 978-3-7887-2912-7.

Rezensent:

N. O. O.

Die in diesem Sammelband zusammengestellten Aufsätze wurde 2014 auf dem Symposion »Dimensionen der Leiblichkeit« in Tübingen vorgetragen. Kern und Proprium der sechs Beiträge aus biblisch-theologischer, kirchengeschichtlicher und systematisch-theologischer Sicht ist das Eröffnen eines theologischen Zugangs zu aktuellen Fragen der Leiblichkeit und eines von den Heraus-gebern diagnostizierten »Körperkultes« (VII f.) und aller damit verbundenen bioethischen wie anthropologischen Herausforderungen. Dabei erarbeiten die Autoren eine explizit theologische Alternative zu aktuellen Tendenzen, den menschlichen Körper entweder zum fremdbestimmten Objekt zu machen oder ihn im Rahmen einer Selbstgestaltung zu optimieren. So steht im Beitrag von Bernd Janowski das Personenverständnis des Alten Testaments unter besonderer Berücksichtigung des Beziehungsbegriffs im Mittelpunkt, den der Autor am Herz als zentralem Beziehungsorgan originell entwickelt (9 ff.). Andreas Wagner beschäftigt sich in der Folge mit der Gestalt Gottes und der des Menschen im Alten Testament (46 ff.), wobei er den Schwerpunkt auf den Körperbegriff und dessen kulturelle Prägung legt, um anschließend die Entsprechungen des göttlichen und des menschlichen Körpers im Alten Testament zu markieren. Michael Tilly beschreibt dann Aspekte der Leiblichkeit im paulinischen Denken (69 ff.) in der frühchrist-lichen im Vergleich zur hellenistischen Umwelt. Dem folgt Volker Leppins Beitrag zur Leiblichkeit bei Luther (»Madensack und Tempel des Heiligen Geistes«, 86 ff.), der seinen originellen Spannungsbogen aus der Verbindung des monastischen Erbes mit einer ausgesprochenen Körperwahrnehmung des Reformators auf der Wartburg und besonders nach seiner Heirat gewinnt. Anthropologisch ordnet dann Elisabeth Gräb-Schmidt den Begriff der Leiblichkeit in der Dichotomie von Materialität und Kommunikation ein (98 ff.), um systematisch-theologisch auf die Gründe dafür einzugehen, warum das Problem des Leib-Seele-Verhältnisses (100 f.) bis heute im Spannungsfeld von Theologie und Kognitionswissenschaften nicht abgeschlossen ist, ja sich verschärft. Dies wird besonders mit Blick auf aktuelle Fragen der Medizin- und Bioethik (101) und neuere Forschungen der Kognitionspsychologie in ihrem Spannungsfeld zum Freiheitsbegriff extemporiert.
Insgesamt ist die besondere Stärke dieses Sammelbandes, dass bereits in der Einleitung von Christoph Schwöbel durch den Leiblichkeitsbegriff ein belastbarer roter Faden entwickelt wird, der sich konsequent durch alle Beiträge und alle theologischen Fächer hindurchzieht. Das macht den Band innerhalb der Theologie und be­sonders durch die systematisch-theologischen und alttestamentlichen Beiträge auch interdisziplinär zu einem echten Gewinn – an Erkenntnis, aber eben auch an praktischer Urteilsfähigkeit hinsichtlich aktueller Themen der Bioethik und Anthropologie.