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Ausgabe:

Januar/2016

Spalte:

68-69

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Smither, Edward L.

Titel/Untertitel:

Mission in the Early Church. Themes and Reflections.

Verlag:

Cambridge: James Clarke (Lutterworth) 2014. 186 S. m. Abb. Kart. £ 22,50. ISBN 978-0-22717485-2.

Rezensent:

Jorg Christian Salzmann

Wer unter dem Titel »Mission in the Early Church« eine intensivere Auseinandersetzung etwa mit Harnacks »Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten« oder einen Forschungsbeitrag erwartet hatte, der aufgrund eingehenden Quellenstudiums einen neuen Entwurf präsentiert, wird enttäuscht. Der schmale Band kommt als Lehrbuch daher, was durch aktualisierende Kapiteleinleitungen und Reflexionsfragen jeweils am Kapitelende sowie durch immer wieder in Kästchen eingeschobene gegenwartsbezogene Miniaturexkurse unterstrichen wird. Ein paar über das Buch verstreute (technisch schlechte) Illustrationen vervollständigen das Bild.
Edward L. Smither präsentiert die gesamte patristische Periode bis etwa 750 n. Chr. und möchte dabei Kirchengeschichte als Missionsgeschichte schreiben. Er ist sich dessen bewusst, dass er lediglich exemplarisch vorgehen kann. Folgende Aspekte greift er heraus: Prosopographisch fragt er »Who were the Missionaries?«, um sich anschließend mit Verfolgung und Martyrium als Faktoren der Mission auseinanderzusetzen (»Suffering«). Sodann geht es um mis­sionarische Verkündigung (»Evangelism«), Bibelübersetzungen (»Bible Translation«, im Buch allerdings »Scripture« überschrieben) und Kontextualisierung des Evangeliums (»Contex-tualization«). Unter »Word and Deed« wird im Wesentlichen der Zu­sammenhang von Diakonie und Mission in der alten Kirche ab­gehandelt (es geht aber auch um Wunderhandlungen und ihre missionarische Wirkung), und schließlich betont S. noch einmal, dass Mission in der Antike immer ein kirchliches Unterfangen gewesen sei (»Church«). Vorgeschaltet ist auf 22 Seiten zur ersten Orientierung ein ganz kurzer Abriss der patristischen Kirchengeschichte (»Backgrounds«).
Es ist anregend, sich mit der Fragestellung auseinanderzusetzen, wie es zu der starken Ausbreitung der christlichen Kirche in der Antike kam. S.s Bemühen, aus seinen Beschreibungen immer auch Folgerungen für die Gegenwart zu ziehen, wirkt dabei teilweise etwas gewollt; es ist sicher auf die Unterrichtssituation zu­rückzuführen, aber auch auf den Kontext, in dem und für den er schreibt. S. verortet sich nämlich im evangelikalen Spektrum Nordamerikas, und wohl nicht zuletzt deshalb sieht er sich genötigt, immer wieder zu betonen, dass die Beschäftigung mit der Ge­schichte sinnvoll ist und dass man etwas daraus lernen kann. Auch wird er nicht müde darauf hinzuweisen, dass die christliche Mission nicht erst im 19. Jh. entstanden ist.
Gerade für ein auf das Verkündigungswort fixiertes Missionsverständnis sind zwei grundlegende Erkenntnisse aus dem Buch S.s sicher bedenkenswert: dass nämlich die Ausbreitung der christlichen Kirche auf unterschiedlichste Faktoren zurückzuführen ist und dass die missionarische Wirkung in aller Regel von den Kirchen und nicht so sehr von einzelnen »Missionaren« ausging. Unter diesem Blickwinkel ist der prosopographische Einstieg, den S. wählt, eher irreführend, im Blick auf sein primäres Hörer- wie Le-sepublikum aber verständlich. Auch in den übrigen Kapiteln des Buches bleibt S. stark auf Einzelakteure bezogen; durch die Quellenlage und die Entscheidung, exemplarisch vorzugehen, ist das allerdings kaum zu vermeiden.
Mission ist für S. die »Mission Gottes«. Er greift damit missionstheoretische Modelle des ausgehenden 20. Jh.s auf und ist so in der Lage, die verschiedensten Entwicklungen und Faktoren in seine Überlegungen mit einzubeziehen. Ein wichtiger, weil immer wieder genannter, Aspekt von Mission scheint für ihn die Überschreitung kultureller Grenzen zu sein, ohne dass dies jedoch zu einem zwingenden Kriterium wird, da letztlich für ihn jegliche Verkündigung und Lebensäußerung der Kirche unter »Mission« fällt. So kann er auf m. E. recht fragwürdige Weise selbst die (inner-)kirchliche Ketzerbekämpfung als Mission bezeichnen.
Leider gibt es immer wieder relativ breit angelegte deskriptive Passagen, aus denen erst spät oder gar nicht Schlussfolgerungen gezogen werden. Ein typisches Beispiel ist die eher ermüdende Auflistung von Lexikonwissen zu den altkirchlichen Bibelübersetzungen. S.s Haupteinsicht dazu, dass schon früh die christliche Botschaft in die Landessprachen und damit zu den Leuten drängte, hätte auch ohne das formuliert werden können. Auch die Beobachtung, dass christliche Theologen mit ihrer Apologetik intellektuell auf der Höhe ihrer Zeit waren, wird für den Missionsgedanken eigentlich nur in den an die Studierenden gerichteten Reflexionsfragen fruchtbar gemacht.
Für den deutschen akademischen Kontext ungewohnt ist, dass S. häufig Quellen nicht direkt, sondern aus anderen Werken der Sekundärliteratur zitiert. Das geschieht sogar dort, wo er wie zu Basilius von Caesarea explizit auf eigene Forschungsarbeit zurückgreift (132–139; hier macht er sich übrigens in der Bewertung des Basilius stark von Gregor von Nazianz abhängig, ohne das zu re­flektieren). Durch die ausgiebige Nutzung von Sekundärliteratur ist er aber dann auch in der Lage, Bereiche wie die armenische Kir che oder die noch weiter östlich sich erstreckende Mission der Nestorianer mit zu berücksichtigen.
Das Kapitel über Kontextualisierung ist mit seinen vielen Facetten besonders spannend. Bei der Grenzziehung zwischen Kontextualisierung und Synkretismus bleibt S. allerdings die theologischen Kriterien schuldig, so wie die Betrachtung auch sonst häufig an der Oberfläche bleibt. Freilich könnte man für jedes seiner Kapitel, so S. in seinem »Epilog«, ein eigenes Buch schreiben. Es bleibt also noch viel zu tun.