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Ausgabe:

November/2015

Spalte:

1323–1324

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Tamcke, Martin, u. Katja Weiland [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Herrnhuter in Behnesse. Die Diarien von Cornelius Claussen (1782–83), Gottlob August Roller (1775–1777) und Georg Winiger (1775–1782).

Verlag:

Würzburg: Ergon-Verlag 2014. 237 S. = Orthodoxie, Orient und Europa, 8; Herrnhuter Quellen zu Ägypten, 4. Kart. EUR 35,00. ISBN 978-3-95650-064-0.

Rezensent:

Uta Zeuge-Buberl

In den 1770er und 1780er Jahren unternahmen Missionare der Herrnhuter Brüdergemeine Reisen nach Nordafrika, wobei sie sich von 1769 bis 1783 in Ägypten aufhielten. Der nun vorliegende 4. Band aus den »Herrnhuter Quellen zu Ägypten«, herausgegeben vom Göttinger Kirchenhistoriker Martin Tamcke und nahezu allein erarbeit von der Studentin Katja Weiland, schließt die Dokumentation der Arbeit der Herrnhuter Missionare im ägyptischen Behnesse (arab.: al-Bahnassa) mit dem Jahr 1783 ab. Während die Diarien im 1. Band der Reihe Aufschluss über die Arbeit in der zentralen Niederlassung der Herrnhuter in Kairo seit 1769 bieten und der 2. Band die deutschen Übersetzungen arabischer Briefe zwischen den Herrnhutern und ihren ägyptischen Freunden und Sympathisanten darstellt, dokumentiert der 3. Band die Reiseaufzeichnungen des Herrnhuters Heinrich Dancke, der Behnesse von 1770 bis 1772 regelmäßig besuchte. Auch der 4. Band enthält Diarien, in diesem Fall jene der drei Herrnhuter Cornelius Claussen, Gottlob August Roller und Georg Wininger. Sie werden während ihrer regelmäßigen Aufenthalte bei den Kopten in Behnesse, die zumeist mehrere Wochen dauern, verfasst. Die Herrnhuter Missionare wurden zu vertrauten Gästen und berichten von ihrer Teilnahme am Alltagsleben der Kopten, an den Gottesdiensten, Festen oder auch Trauerfeiern. Sie laden zu erbaulichen Bibelstunden in ihre Gastunterkünfte und werden nicht selten um Rat und medizinische Hilfe für kranke Menschen der Gemeinde gebeten. Es ist eine Zeit, in der Ägypten noch unberührt von jeglicher westlicher Intervention zu sein scheint; Napoleon wird erst ca. 15 Jahre später zu seiner bekannten Expedition nach Ägypten aufbrechen und die britische Herrschaft liegt noch in weiter Ferne.
Der vorliegende Quellenband gilt zwar als Fortsetzung der vorherigen drei Bände, jedoch können die Diarien der Missionare auch für sich stehen. Schließlich verdeutlichen sie die Nuancen des Kulturkontaktes, die sich in herausfordernden Situationen, aber auch in bereichernden Begegnungen zeigen. Ohne Frage tritt in den Aufzeichnungen eine rein europäische Sichtweise auf das »Fremde« zutage, wobei Kopten und Herrnhuter dennoch ein vertrauensvolles Verhältnis zueinander aufbauen.
Der 4. Band der Herrnhuter Quellen verdeutlicht einmal mehr, dass der erleichterte Zugang zu den oftmals schwer lesbaren handschriftlichen Aufzeichnungen Forschenden die Möglichkeit bietet, die Quellen ohne Hindernisse von verschiedenen Fragestellungen ausgehend zu untersuchen. Um der Funktion als Quellenband gerecht zu werden, wären jedoch Zeilennummern hilfreich gewesen. Für jene, die, wie die Rezensentin, nur den 4. Band der »Herrnhuter Quellen zu Ägypten« in den Händen halten, hätte es eine kurze Einleitung zur Herrnhuter Mission in Ägypten leichter gemacht, die Inhalte des Bandes in ihrem historischen Kontext zu verorten. Zudem werden zwar die Signaturen, jedoch nicht der Name des Universitätsarchivs Herrnhut genannt. Des Weiteren fehlt eine Erläuterung, warum der Band mit den Aufzeichnungen von Cornelius Claussen beginnt, der sich als Letzter der drei Herrnhuter in Behnesse aufhält.
Schließlich gilt für diesen sowie auch für andere Quellenbände missionarischen Wirkens in der außereuropäischen Welt, dass sie, wie die Herausgeber zu Recht schreiben, langfristig »eine diffe-renziertere und ausbalanciertere Sicht europäisch-orientalischer Interaktion christlicher Akteure beider Pole« bieten (9). Dadurch werden sie nicht nur für die Theologie, sondern auch für andere geisteswissenschaftliche Disziplinen zu einem reichen Fundus.