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Ausgabe:

November/2015

Spalte:

1318–1320

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Gugglberger, Martina

Titel/Untertitel:

Reguliertes Abenteuer. Missionarinnen in Südafrika nach 1945.

Verlag:

Wien u. a.: Böhlau Verlag 2014. 276 S. m. 31 Abb. = L’Homme Schriften, 22. Kart. EUR 34,90. ISBN 978-3-205-79613-8.

Rezensent:

Ulrich van der Heyden

Wissenschaftliche Abhandlungen zur Geschichte von Frauen in der Missionshistoriographie sind relativ selten. Nun liegt hierzu eine bemerkenswerte Studie vor. Zu deren Besonderheiten kommt im Vergleich zu anderen Darstellungen zur feministischen Mis-sionshistoriographie hinzu, dass es sich um eine Arbeit handelt, die sich mit dem südlichen Afrika befasst, einer Region, in der über Frauen in der christlichen Mission kaum geforscht und publiziert worden ist; schon gar nicht gibt es hierzu wissenschaftliche Ar-beiten in deutscher Sprache. Auch die Tatsache, dass es nicht eine Thematik ist, die ihren zeitlichen Schwerpunkt auf das 19. Jh. – zu dem bekanntlich die meisten missionsgeschichtlichen Untersuchungen bislang vorliegen – legt, sondern auf die Zeit nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges, kann als Novum betrachtet werden. Themen zur feministischen Missionsgeschichtsschreibung in Südafrika sind selbst in wissenschaftlichen Werken zur allgemeinen Missionsgeschichte Südafrikas weithin ein unbekanntes Feld. Und nun ist in der einschlägigen ausgewiesenen Reihe zur feministischen Geschichtswissenschaft des Böhlau-Verlages eine Monographie erschienen, die sich mit der Tätigkeit und der Bedeutung des Handelns von Missionarinnen in Südafrika nach 1945 befasst, also zu einer Zeit, als im Süden Afrikas die Rassentrennungspolitik, die Apartheid, zur Regierungsdoktrin geworden war.
Wenn auch noch in Betracht gezogen wird, dass zur katholischen Missionsgeschichte im Süden Afrikas kaum wissenschaft-liche Literatur vorliegt, kann das vorliegende Buch von Martina Gugglberger durchaus als Pionierleistung bezeichnet werden. Sie untersucht die Tätigkeit der österreichischen und deutschen Missionsschwestern der Kongregation der Schwestern vom Kostbaren Blut, die in den Nachkriegsjahrzehnten ihren Einsatz in Südafrika, vor allem in Natal in der Mariannhiller Mission begannen. Das Buch behandelt nach einer recht umfassenden Einführung in die katholische Missionsgeschichte im Land am Kap einige Lebensgeschichten der Missionarinnen. Diese basieren auf Interviews, die nach den Lebensabschnitten regionale Herkunft, Klosterraum und Missionsraum ausgewertet wurden und als Geschichten eines »re­gulierten Abenteuers« hier interpretiert werden. Deutlich wird die Sehnsucht der Frauen nach missionarischem Wirken in einer »an­deren Welt«. Die »Sehnsuchtsräume« Mission und Südafrika entsprachen indes in der erlebten Realität nur selten ungebrochen den ursprünglichen Vorstellungen der Missionarinnen.
Durch das Einfühlungsvermögen der Vfn. und ihre substantielle Kenntnis der von ihr behandelten Thematik ist es ihr gelungen, aus vielen subjektiven Sichten der Interviewten ein gut lesbares Kapitel der Geschichte der katholischen Mission im Süden Afrikas vorzulegen. Das Buch gewährt Einblicke in außergewöhnliche Frauenleben, die bislang von der historischen Frauen- und Ge­schlechterforschung und zum großen Teil auch von der Missionsgeschichtsschreibung so gut wie unbeachtet geblieben sind.
Gelungen ist die Darstellung des gewählten Themas nicht zu­letzt durch eine geschickte »Dreiteilung« der Forschungsergeb-nisse. Alle drei Komplexe sind in Kapitel untergliedert. Außerdem zieht die Vfn. ein Resümee und hat einen recht detaillierten An­hang mit Quellen- und Literaturverzeichnis erarbeitet. Ein Index fehlt leider.
Im ersten Teil bietet die Vfn. Erläuterungen über ihren persönlichen Zugang zur Thematik, erläutert Begrifflichkeiten und ordnet die Missionshistoriographie in die heutige geschichtswissenschaftliche Forschung ein. Am informativsten erscheinen dem Rezensenten die beiden Kapitel zur Geschichte der katholischen Mission in Südafrika zu sein und der historische und missionarische Kontext, in den sie diese einordnet.
Der zweite Teil ist direkt den Lebensgeschichten der Missionarinnen gewidmet. Hier wird, chronologisch gegliedert, dargelegt, wie und mit welchen Motivationen die Missionarinnen ins Kloster kamen, wie ihre Ausbildung verlief und wie sie nach Südafrika kamen. Leider wird nur recht kurz auf den Umgang mit den Auswüchsen der menschenrechtsverachtenden Apartheid direkt eingegangen. Selbstverständlich spielt der Umgang mit der Rassentrennungspolitik bereits zuvor in den Lebensgeschichten eine Rolle. Es gibt hierzu Stellungnahmen der Frauen bis hin zum Erleben des politischen Wandels in Südafrika in den 1990er Jahren. Sie waren direkte Zeuginnen eines alle gesellschaftlichen Sphären er­fassenden Wandlungsprozesses, den die Interviewten in unterschied-lichem Maße wahrnahmen. In Mariannhill in Natal, wo schon seit den 1960er Jahren schwarzafrikanische mit evangelischen Schwestern zusammengearbeitet hatten, wurden etwa die rassis­tisch definierten Unterscheidungen der Menschen weniger wahrgenommen als auf dem Lande. Nelson Mandela war auch für die Schwestern eine Ikone. Bezeichnend für die gegenwärtige politische Situation Südafrikas ist die ebenfalls in weiten Teilen des Landes zu beobachtende Feststellung, dass die «anfängliche Euphorie« teilweise »einer realpolitischen Ernüchterung gewichen« ist (232).
Der dritte Teil des Buches besteht aus zwei jeweils weiter untergliederten Kapiteln. Hier werden vergleichende Analysen der Interviews vorgenommen.
Alles in allem wartet auf den Leser eine interessante Lektüre mit vielfältigen methodologischen Ansätzen, denen man nicht immer folgen muss, die jedoch zum Nach- und Überdenken anregen. Es liegt eine Pionierleistung vor, die nicht genug zu würdigen ist. Deshalb mag man über einige Desiderata hinweggehen, wie die nicht ausgeprägte – oder gar nicht vorhandene – Komparatistik in der Ar­gumentation oder das Fehlen von Hinweisen und Versuchen der Analyse der Interaktionen zu den protestantischen Missionsgesellschaften in Südafrika. Eigentliche Kritik ist nur an den Verlag zu richten, der die Illustrationen in so schlechter Qualität gedruckt hat, dass kaum etwas darauf zu erkennen ist.