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Ausgabe:

November/2015

Spalte:

1299-1300

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Littger, Benno

Titel/Untertitel:

Christliche Hospiz- und Palliativkultur. Grundlagen, Erfahrungen und Herausforderungen.

Verlag:

Würzburg: Echter Verlag 2014. 532 S. = Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge, 90. Kart. EUR 48,00. ISBN 978-3-429-03692-8.

Rezensent:

Martina Plieth

Benno Littger avisiert, in seiner Dissertation »christliche Hospiz- und Palliativkultur als theologisches Konzept und praktische Realität zu erfassen, dabei charakteristische Fundamente und Qua-litätskriterien zu erarbeiten und ihre Bedeutung für Kirche und Gesellschaft zu beschreiben« (14). Und genau das tut er auch und erweist sich dabei als sachkundiger und akribisch arbeitender Wissenschaftler.
In insgesamt acht Hauptkapiteln mit zahlreichen Unterkapiteln zeigt L. auf, welche Ziele, Grundlagen und Herausforderungen das Wirken christlich geprägter Akteure und Akteurinnen im Umfeld von Hospiz und Palliativ Care bestimmen. Dabei rekurriert er zunächst in einem ersten Zugang auf nachhaltig wirkende Gründerpersönlichkeiten der modernen Hospizbewegung (Dame Cicely Saunders, Heinrich Pera sowie Paul Türks) und stellt heraus, dass sie alle – trotz mancherlei Unterschieden in den von ihnen entwickelten Konzeptionen – durch Pragmatismus, christliche Grund­haltung und kompromisslose Ablehnung aktiver Sterbe-hilfe bestimmt waren und dadurch Maßstäbe für die aktuelle, stark institutionalisierte sowie ausdifferenzierte Hospiz- und Palliativ Care-Arbeit gesetzt haben und auch postum immer noch Herausforderungen für dieselbe bieten.
In einem zweiten Zugang nimmt L. eine qualitative Inhaltsanalyse verschiedener Texte zur Hospiz- und Palliativkultur (Dokumente weltanschaulich neutraler Institutionen, kirchliche Dokumente und leitbildartige Texte sowie Mitarbeiter-Interviews) vor und erschließt dabei die Grunddimensionen komplexer diako-nischer Qualität (Konzept-, Struktur-, Prozess- und Ergebnisqua-lität).
Besonders positiv anzumerken ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass ein römisch-katholisch geprägter Theologe und Autor sowohl auf ökumenische als auch auf katholische und evangelische Texte eingeht. Auf diese Weise entsteht ein guter Gesamtüberblick über zentrale christlich-kirchlich orientierte Verlautbarungen und deren Grundlagen. Übereinstimmungen und Differenzen werden in ihm ohne konfessionelle Verengungen erfreulich klar erkannt und benannt. Reizvoll wäre es sicher auch gewesen, neben die Interviews mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus der katholischen Caritas solche mit in der evangelischen Diakonie Tätigen zu rücken und die herauszulesenden Hauptaussagen (so wie die von Priestern und Pfarrerinnen und Pfarrern) miteinan-der zu vergleichen, aber es ist natürlich durchaus nachvollziehbar, warum dies im Rahmen einer Dissertation im römisch-katholischen Raum unterbleibt. Bei einer ähnlichen Arbeit im protestantischen Feld wäre sehr wahrscheinlich Gleiches festzustellen.
Aufs Ganze gesehen gelingt es L. sehr gut, christlich geprägte Hospiz- und Palliativkultur als »organisationale Qualität […], die sich in inklusiven und exklusiven Qualitätsmerkmalen entfal-tet« (489) zu beschreiben. Auch das für hospizliche und palliative Kontexte konstitutive »Zusammenspiel von theoretisch-idealistischer Vision und empirisch-situativer Praxis mit jeweils eigenem Geltungsanspruch« (494) vermag er deutlich konturiert herauszustellen.
Hilfreich bei der Lektüre der umfangreichen, hochkomplexen Ausführungen L.s sind die am Ende jedes Unterkapitels angefügten Zusammenfassungen sowie die synoptischen Überblicke bzw. Schautafel-Tabellen zu einzelnen besprochenen Ansätzen. Sie er­möglichen ein schnelles Erinnern der Inhalte bereits gelesener Passagen; und das ist gut so, denn kaum jemand wird in der Lage sein, ein Buch wie das hier besprochene (mit annähernd 500 Textseiten und beträchtlicher Gedankendichte) en bloc zu lesen. Letzteres ist aber auch nicht nötig, denn die Doktorarbeit von L. kann auch als eine Art Lehrbuch zum Thema Hospiz- und Palliativkultur genutzt und dementsprechend partiell bzw. sukzessive durchgearbeitet werden.