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Ausgabe:

Oktober/2015

Spalte:

1106–1107

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Hesse, Hermann Klugkist

Titel/Untertitel:

Elberfeld und seine Kirche im Mittelalter und im Dreißigjährigen Krieg. Hrsg. v. H.-P. Eberlein u. D.-N. Reiher.

Verlag:

Kamen: Hartmut Spenner Verlag 2013. 241 S. Kart. EUR 14,80. ISBN 978-3-89991-147-3.

Rezensent:

Dirk Fleischer

Hermann Klugkist Hesse hat das hier angezeigte Buch zur Ge­schichte von Wuppertal und seinem urbanen Zentrum Elberfeld, das aus zwei eigenständigen Studien zur vorreformatorischen Geschichte Elberfelds und zur Geschichte Elberfelds im Dreißigjährigen Krieg besteht, nicht selber publiziert, sondern sie wurden nun posthum für ein »breites, stadtgeschichtlich interessiertes Publikum, das über den Kreis von Spezialisten hinausreicht« (11) veröffentlicht. Sie stammen aus dem Privatbesitz eines Pfarrers bzw. aus dem Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland. Sie zeigen zwei weitgehend unbekannte Epochen der Elberfelder Stadtgeschichte und der rheinischen Kirchengeschichte in einem neuen Licht. Dabei konnte H. auf Quellen zurückgreifen, die heute nicht mehr zur Verfügung stehen.
H., der am 16.12.1884 in Larrelt, heute Emden, geboren wurde, gehörte bekanntlich zu den besten Kennern der rheinischen Kirchengeschichte. Er war zunächst bis 1920 Pfarrer in Ostfriesland (in Wybelsum, Weener und Loga), dann von 1920 bis 1949 Pfarrer der damals größten reformierten Gemeinde Deutschlands in Wuppertal-Elberfeld und schließlich ab 1946 Superintendent des Kirchenkreises Elberfeld. 1935 wurde er Dozent für den Fachbereich Kirchengeschichte an der neugegründeten Kirchlichen Hochschule in Wuppertal. Seine wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigen sich vor allem mit reformierten Theologen und der rheinischen Kirchengeschichte. Seine erste größere Arbeit behandelt den ostfriesischen Reformator Menso Alting (Berlin 1928). Bekannt wurde er mit einer Arbeit über Adolf Clarenbach (Neuwied 1929), der 1529 als Kölner Märtyrer verbrannt wurde. In weiteren Studien untersuchte er u. a. Petrus Cürtenius, der von 1607 bis 1619 Pastor in Elberfeld war (Elberfeld 1928), den holländischen Theologen Hermann Friedrich Kohlbrügge (Wuppertal 1935) oder den Magister Werner Te­schemacher (ZBGV 77, 1960). Eine prägnante Zusammenfassung seiner zahlreichen Arbeiten bietet Die Geschichte der christlichen Kirche am Rhein (Neukirchen 1955). H. war in der Bekennenden Kirche und in dem von Martin Niemöller gegründeten Pfarrernotbund aktiv. Er starb am 24.8.1949 in Wuppertal.
In seiner Studie zur mittelalterlichen Geschichte Elberfelds schildert H. kenntnisreich die Christianisierungsversuche im Bergischen Land seit der Zeit des Frankenkönigs Chlodwig I. (482–511). Die immer wieder in der Literatur betonte Bedeutung von Suitbert (gest. 713), der auch als Apostel des Bergischen Landes bezeichnet wird, wird in diesem Zusammenhang eingehend besprochen, seine Bedeutung für die Christianisierung des Landes jedoch deut-lich relativiert. »Die Legende ist fruchtbarer als die gesicherte ge­schichtliche Überlieferung« (23).
Die Darstellung des kirchlichen Lebens im frühen und hohen Mittelalter bietet einen historisch-kulturellen Überblick über die unterschiedlichen Entwicklungen wie die herrschende Frömmigkeit, die Leistungen einzelner Männer für die Kirche oder den Altardienst. Die Darstellung belegt auch die enge finanzielle Verflechtung der führenden städtischen Familien, die sich »für die Kirche verpflichtet und verantwortlich gewusst« haben (80), mit der Pfarrei. Auch die Interessengegensätze und das Misstrauen zwischen den Grafen und Herzögen von Jülich und Berg und den Kölner Erzbischöfen werden sachgerecht dargestellt.
Abschließend beschreibt H. die Auswirkungen der Reformation auf die Kirche in Elberfeld. Sie habe »weithin sichtbare Risse« (104) zur Folge gehabt, die sich beispielsweise in einer »von kirchlicher Bevormundung befreiende[n] eigene[n] Frömmigkeit« (104) gezeigt habe. Zu Recht verweist H. auch auf die wirtschaftlichen Interes-sen der Kirche, die durch die Reformation bedroht wurden. Nach seiner Überzeugung hat das »Finanzgebaren im Raume der Kirche« (112) das Handeln ebendieser Kirche allzu sehr bestimmt. H. zu-folge gab es »keine Hemmungen mehr gegen das Abgleiten kirchlichen Lebens in die rein weltliche Sphäre« (112). Bildreich wird dann der Übergang Elberfelds zur Reformation beschrieben, wobei mit Recht die Be­deutung von Adolf Clarenbach hervorgehoben wird.
Die zweite Studie beschäftigt sich mit den Herausforderungen und Krisen, die die Elberfelder Gemeinde zwischen 1610 und 1635 erfahren hat. H. hat diese Studie nach dem Bombenangriff der Amerikaner und Briten am 25.6.1943 verfasst. Dies belegt der Hinweis auf die durch die Bomben zerstörte Elberfelder Kirche (213). Die Darstellung beginnt mit der Nachfolgeregelung für den im Jahre 1609 verstorbenen Herzog Johann Wilhelm von Kleve (Jülich-Klevischer Erbfolgestreit) und der Tagung der ersten Gesamtsynode der niederrheinischen Herzogtümer 1610 in der freien Reichsstadt Duisburg. Ein Ergebnis dieser Synode war der synodale Aufbau der Kirche von Kleve-Jülich-Berg.
Mit dem Beginn des Dreißigjährigen Krieges begann die Unterdrückung des reformierten Bekenntnisses am Niederrhein. Anschaulich beschreibt H. die Bedrückungen, die die Bewohner von Elberfeld in dieser Zeit erfahren haben. Besonders die »gegenreformatorischen Maßnahmen« (164), die von dem Jesuitenpater Wilhelm Boys durchgeführt wurden, werden ausführlich beschrieben. Ausdrücklich wird der passive »Widerstand der Elberfelder gegen die religiöse Überfremdung und für den Geist der Treue zur angestammten Kirche« (173) hervorgehoben. Zu Recht betont H., dass eine »tatsächliche katholische Überfremdung der Kirche nicht hat durchgeführt werden können« (165). Die Studie schließt mit einer Beschreibung der Gemeinde nach den gegenreformatorischen Unterdrückungen.
Die beiden Studien bieten viel Neues und Unbekanntes aus der Geschichte Elberfelds und des Bergischen Landes. Sie sind deutlich im reformierten Geist verfasst. Die beiden Herausgeber haben die beiden Texte eingehend kommentiert und durch neuere Literatur ergänzt.