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Ausgabe:

Juli/August/1999

Spalte:

830

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Plattig, Michael

Titel/Untertitel:

Gebet als Lebensform. Die spirituelle Getalt der Reform von Touraine in der Oberdeutschen Karmelitenprovinz.

Verlag:

Rom: Editioni Carmelitane 1995. 343 S. gr.8 = Institutum Carmelitanum. Vacare Deo, 13. ISBN 88-7288-036-X.

Rezensent:

Karl-Friedrich Wiggermann

Der Vf., jetzt Dozent für Theologie der Spiritualität an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Münster, legt seine Wiener theologische Dissertation vor.

Er skizziert zunächst die historische Entwicklung der karmelitischen Reform von Touraine zum Beginn des 17. Jh.s. Es gelingt dem Vf. in vorzüglicher Weise, neben dem zeitgeschichtlichen Hintergrund die Entstehung und das Profil der Reform darzustellen. "Um die kontemplative Atmosphäre des Klosters zu begünstigen, legten die Tourainer großen Wert auf die Übung der Stille und Einsamkeit. Auch hier konnten sie auf traditionelle, den Karmel prägende Vorschriften zurückgreifen. In dieser Stille ist es der Seele möglich, zum vertrauten Umgang zu gelangen. Stille und Einsamkeit bilden eine Einheit." (57) Der Vf. schreibt zusammenfassend: "Beachtung der Tradition und Anpassung an die Erfordernisse der Zeit, Rückkehr zu den Quellen und Integration zeitgemäßer Formen sind gleichermaßen Anliegen der Reform von Touraine." (83)

In der Oberdeutschen Karmelitenkonferenz wurde im Jahr 1648 der Konvent Bamberg der erste Konvent der Reform. Diese breitete sich rasch aus. Wichtig ist besonders die als "Tugendschul" (TS) bezeichnete Gebetslehre des Hyacinthus a Matre Dei für die Novizen der Oberdeutschen Karmelitenprovinz. Die "Tugendschul" ist die "literarische Basisgestalt des geistlichen Lebens der Oberdeutschen Provinz im 18. Jahrhundert" (13). Hyacinthus will, so macht er an mehreren Stellen deutlich, im Grunde nicht eine bestimmte Methode lehren, er will zu einer Gebetshaltung erziehen, zum Wandel in der Gegenwart Gottes, und dafür methodische Hilfen geben. Der Vf. merkt kritisch an, es sei "die Gefahr jeder Methodisierung und damit die Schwäche des Konzeptes der Reform von Touraine und des Entwurfes der TS, durch Überfülle und fast skrupulöse Ängstlichkeit bei der Ausfüllung der Tagesordnung letztlich nicht mehr Freiheit und Reife, auch und gerade in der Beziehung zu Gott, zu erreichen, sondern Engführungen und Gesetzesfixierungen. Das mag sicherlich nicht bei allen Lesern und Benutzern der TS der Fall gewesen sein, es bestand aber sicher strukturell diese Gefahr." (296)

Aus der historischen Arbeit führt der Vf. am Schluß seines Buches in die Praktische Theologie: "Thesen zur Pastoral des Gebetes". Hier werden Ergebnisse der Arbeit aktualisiert. Betont wird nicht zuletzt "geistliche Begleitung als Schwerpunkt zukünftiger (mystagogischer) Pastoral".

Dabei zeigt sich, "daß es für den/die Seelsorger/in als Begleiter/in auf dem Weg des Glaubens nicht nur um die Ausbildung auf diesem Gebiet geht, sondern auch um die Entwicklung eigener Erfahrungskompetenz und um eine Sensibilität, die bereit ist, sich immer wieder öffnend in Frage zu stellen" (310). Es geht um seelsorglichen Respekt vor der Kompetenz jedes Gläubigen aufgrund seiner Erfahrung oder seiner Erfahrungsfähigkeit. Zu betonen ist bibel- und christozentrisches Beten.

Der Vf. gibt in seiner Studie einen Einblick in eine Gestalt spiritueller Reformanliegen und fragt am Schluß nach der Möglichkeit der Aktualisierung. Beides, Geschichte und Aktualisierung, ergibt eine sehr gute Arbeit zur spirituellen Theologie.