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Ausgabe:

Oktober/2015

Kategorie:

Aufsätze

Autor/Hrsg.:

Eduard Lohse zum Gedenken

Titel/Untertitel:

Ferdinand Hahn zum Gedenken

(19. Februar 1924–23. Juni 2015)

Dr. theol. Eduard Lohse, Professor für Neues Testament an der Georg-August-Universität Göttingen, ist am 23. Juni 2015 verstorben. Er war von 1964–1971 als ordentlicher Professor und anschließend als Honorarprofessor an der Theologischen Fakultät tätig.

1924 in Hamburg geboren, studierte Eduard Lohse von 1945 an Theologie in Bethel und in Göttingen. Hier wurde er Mitarbeiter von Joachim Jeremias und erhielt 1949 aufgrund seiner Dissertation »Die Ordination im Spätjudentum und im Neuen Testament« die Doktorwürde. Als Konviktsinspektor an der Kirchlichen Hochschule Hamburg erarbeitete er die Studie »Märtyrer und Gottesknecht. Untersuchungen zur urchristlichen Verkündigung vom Sühnetod Jesu Christi«, mit der er sich 1953 in Mainz habilitierte. Er wurde 1956 außerordentlicher und 1962 ordentlicher Professor für Neues Testament in Kiel; 1964 kam er nach Göttingen zurück.

Die Qualifikationsschriften zeigen an, welcher Aufgabe sich Eduard Lohses zeitlebens widmete: einer umsichtigen Auslegung der neutestamentlichen Schriften unter Beachtung ihrer jüdischen Kontexte und in der Absicht, die in ihnen laut werdende Botschaft zu erheben und deren bleibende Bedeutung für die Kirche aufzuweisen. Demgemäß reicht sein Œuvre von der Edition eines Toseftatraktats und einer kommentierten Studienausgabe wichtiger Qumrantexte über drei gelehrte Kommentare (zur Offenbarung, zu Kolosser- und Philemon- sowie zum Römerbrief) bis zu einer Einführung in den »rechten Dienst der Christen«.

Seine vielen exegetisch-theologischen Studien erfassen das ge­samte Neue Testament, von der Jesusüberlieferung bis zu den späten Briefen. Diverse, mehrfach neu aufgelegte Lehrbücher zu Um­welt, Entstehung, Theologie und Ethik des Neuen Testaments haben eine ganze Generation von Theologiestudierenden geprägt. In detaillierten Untersuchungen (etwa zur Passionsgeschichte oder zum Vaterunser) und umfassenden Darstellungen (etwa zu Paulus oder zu den Wundertaten Jesu) erwies sich Eduard Lohse als ein Meister der Vermittlung – zwischen verschiedenen wissenschaft-lichen Positionen, zwischen Forschung und Lehre, zwischen Wissenschaft und Kirche. Letzteres bezeugt auch die ihm gewidmete Festschrift aus dem Jahr 1989 – und zuvor bereits seine Wahl in das Amt des Bischofs der Landeskirche Hannovers, das er von 1971 bis 1988 wahrnahm und mit weiteren Leitungsaufgaben in VELKD und EKD verband.

Die Fakultät ließ ihn seinerzeit nur ungern ziehen. Sie achtete nicht nur seine Expertise, die universitäts-, ja, weltweit gewürdigt worden ist: durch seine Aufnahme in die Akademie der Wissenschaften, durch drei Ehrenpromotionen und manche Preise, durch Übersetzungen seiner Bücher in etliche andere Sprachen. Die Kollegen schätzten seine Integrationskraft (weshalb er 1970, in politisch herausfordernden Zeiten, gar zum Rektor der Universität gewählt wurde), die Studierenden sein didaktisches Geschick – und alle, die ihn näher kannten, seine Sanftmut. Aber sie konnten alsbald erleben, dass dieser Diener des Wortes auch als Bischof viel Gutes bewirkte. Die Verbreitung der Bibel förderte er ebenso wie die ökumenische Verständigung, den christlich-jüdischen Dialog und das Gespräch zwischen Kirche und Politik. Überdies hielt er Göttingen und der hiesigen Theologie die Treue: als Forscher und Autor, als Lehrer und Förderer des wissenschaftlichen Nachwuchses. In den Köpfen und den Herzen vieler Menschen hat Eduard Lohse tiefe, wegweisende Spuren hinterlassen. Möge er nun selbst erfahren, was er auf seinem ganzen Lebensweg überzeugend verkündigt hat: »Die Liebe hört niemals auf […].« Die Theologische Fakultät zu Göttingen gedenkt seiner in Ehrerbietung und Dankbarkeit.

Reinhard Feldmeier, Dekan |/ Florian Wilk


(18. Januar 1926–28. Juli 2015)

Ferdinand Hahn wurde am 18. Januar 1926 in Kaiserslautern geboren. Dort machte er das Abitur und wurde noch vor Ende des Krieges zum Wehrdienst einberufen. Nach mehreren Jahren Kriegsgefangenschaft studierte er von 1947 bis 1953 evangelische Theologie in Mainz, Göttingen und Heidelberg.

Nach zwei Jahren im Dienst der pfälzischen Landeskirche wurde er 1956 wissenschaftlicher Assistent für Neues Testament am Lehrstuhl von Günther Bornkamm in Heidelberg, wo er 1961 mit einer Arbeit über die Anfänge der christologischen Traditionen promoviert wurde. Schon 1963 habilitierte er sich mit einer Arbeit über das Verständnis der Mission im Neuen Testament. Beide Schriften wurden 1963 veröffentlicht und kurz darauf ins Englische übersetzt. Vor allem die Dissertation, die unter dem Titel »Christologische Hoheitstitel. Ihre Geschichte im frühen Christentum« erschien und zu einem Standardwerk der neutestamentlichen Forschung wurde (1966 bereits in dritter Auflage), begründete Hahns weltweiten Ruf. Sie erreichte bis 1995 fünf Auflagen, die letzte mit einem umfangreichen Nachtrag.

Nach einer Lehrstuhlvertretung in Göttingen 1963–64 wurde Ferdinand Hahn 1964 auf den Lehrstuhl für Neues Testament an der Universität Kiel berufen. 1968 folgte er einem Ruf an die Evangelisch-Theologische Fakultät in Mainz. Von 1976 bis zu seiner Emeritierung 1994 lehrte und forschte er als Nachfolger von Leonhard Goppelt an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München. Hier war er von 1991 bis 1992 Dekan. Hahn betreute eine Vielzahl von Dissertationen und Habilitationen. Viele seiner Schüler und Schülerinnen erhielten Lehrstühle in Deutschland und im Ausland. Von 1971 bis 1997 war er Herausgeber der renommierten wissenschaftlichen Kommentar-reihe »Kritisch-exegetischer Kommentar über das Neue Testament«, von 1967 bis 2005 Mitherausgeber der Monographienreihe »Biblische Studien« bzw. »Biblisch-theologische Studien« sowie von 1969 bis 1997 der Reihe Wissenschaftliche Monographien zum Alten und Neuen Tes­tament. Er war langjähriger Mitherausgeber der Zeitschriften »Evangelische Theologie« und »Verkündigung und Forschung«. 1998 erhielt er die Ehrendoktorwürde des Theologischen Instituts in Klausenburg und Hermannstadt. Festschriften wurden ihm jeweils zum 65. und 75. Geburtstag gewidmet: »Anfänge der Christologie« (1991); und: »… was ihr auf dem Weg verhandelt habt« (2001).

Ferdinand Hahn war ein außergewöhnlich breit ausgerichteter Neutestamentler. Bis ins hohe Alter veröffentlichte er zahlreiche wegweisende Aufsätze zu fast allen Bereichen der neutestamentlichen Forschung. Schwerpunkte bilden methodologische Studien zur Formgeschichte und zur Rückfrage nach dem Historischen Jesus, Fragen zur Überlieferung und Theologie des Markus- und des Johannesevangeliums sowie immer wieder zur Mission im frühen Christentum, ferner Beiträge zur frühen Bekenntnistradition und zur paulinischen und deuteropaulinischen Theologie, zu den katholischen Briefen und zur Apokalyptik und der Johannesapokalypse. Ein großer Teil der Aufsätze wurde in Sammelbänden nachgedruckt: Mission im Neuen Testament (1999); Studien zum Neuen Testament. Bd. I: Grundfragen, Jesusforschung, Evangelien. Bd. II: Bekenntnisbildung und Theologie in urchristlicher Zeit (2006).

Ferdinand Hahn bemühte sich intensiv um den Dialog mit dem Judentum und das ökumenische Gespräch. Seine Beiträge zum jüdisch-christlichen Dialog sind in dem Band »Die Verwurzelung des Christentums im Judentum« (1996) gesammelt worden. Ein großes Anliegen war ihm die Verständigung mit der römisch-katholischen Kirche. Er war Mitglied in zahlreichen ökumenischen Gremien, unter anderem im Ökumenischen Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen, dessen Stellungnahme zum Herrenmahl er entscheidend mitgeprägt hat. Hahn trug we­sentlich dazu bei, dass die Einheitsübersetzung der Bibel im Bereich des Neuen Testaments in ökumenischer Verantwortung erarbeitet werden konnte. Seine ökumenischen Bemühungen do­kumentiert der Aufsatzband »Exegetische Beiträge zum ökume-nischen Ge­spräch« (1986), in dem Hahn grundlegende Studien zur Frage von Schrift und Tradition, zum Problem des »Frühkatho-lizismus«, zum Herrenmahl und zur Frage nach dem kirchlichen Amt vorgelegt und besonders auch den Beitrag der katholischen Exegese zur neutestamentlichen Forschung gewürdigt hat.

Ferdinand Hahn krönte sein Lebenswerk mit einer monumentalen, zweibändigen »Theologie des Neuen Testaments« (2001), die wie sein Erstlingswerk zu einem Standardwerk wurde (3. Aufl. 2011). Dafür wurde er 2003 als erster Preisträger mit dem Forschungspreis der Eugen-Biser-Stiftung ausgezeichnet. Mit diesem Werk setzte Ferdinand Hahn am Ende seines Wirkens noch einmal Maßstäbe und wies der neutestamentlichen Forschung auf einem ihrer schwierigsten Felder neue Aufgaben, aber auch neue Lösungswege.

Am 28. Juli 2015 starb Ferdinand Hahn nach kurzer Krankheit in seinem 89. Lebensjahr. Die Evangelisch-Theologische Fakultät der Ludwig-Maximilians Universität gedenkt seiner mit großem Re­spekt und in Dankbarkeit.

David du Toit / Christoph Levin, Dekan