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Ausgabe:

September/2015

Spalte:

993–995

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Lück, Christhard

Titel/Untertitel:

Religion studieren. Eine bundesweite empirische Untersuchung zu der Studienzufriedenheit und den Studienmotiven und -belastungen angehender Religionslehrer/innen.

Verlag:

Münster u. a.: LIT Verlag 2012. VIII, S. 9–248 = Forum Theologie und Pädagogik, 22. Kart. EUR 24,90. ISBN 978-3-643-11361-0.

Rezensent:

Michael Fricke

Christhard Lück stellt in diesem Band die Ergebnisse seiner im Jahr 2009 durchgeführten empirischen Untersuchung über Motive, Erwartungen, Belastungen und Ziele von Studierenden der evangelischen und katholischen Theologie vor. Die Studie fand an 16 Universitäten in Deutschland statt, dabei überwiegend an theologischen Instituten philosophischer Fakultäten. Sie nahm damit zum ersten Mal bundesweit Studierende mit dem Berufsziel »Religionslehrer/in« in den Blick, die bekanntlich die Mehrheit aller Theologiestudierenden bilden.
Von den 1603 Befragten erfüllten 90 % das für das Forschungs-interesse relevante Kriterium »Berufsziel Lehramt«. Alle Studien-se­mester waren in etwa gleichmäßig vertreten. Die Geschlech-terverteilung weiblich-männlich lag bei 79 % zu 21 %. Römisch-katholisch waren knapp 44 %, evangelisch über 49 %, evangelisch- freikirchlich weitere 4 % und ohne Konfession 2 %. 30 % der Teil-nehmer kamen aus dem Süden, 39 % aus Mitte/West, 19 % aus dem Norden und 13 % aus dem Osten. Die angestrebten Schulformen waren Grundschule und Gymnasium zu je 36 %, Realschule zu 23 %, Ge­samtschule 20 %, Hauptschule 17 %, Berufsschule 8 % und Förderschule 6 % (Mehrfachnennungen möglich).
Die Probanden bearbeiteten im Rahmen von Lehrveranstaltungen oder zuhause den Fragebogen mit 312 überwiegend geschlossenen Items (Zeitrahmen 30–40 min) und markierten dabei auf 6er-Skalen differenziert Zustimmung oder Ablehnung bzw. Zufriedenheit oder Unzufriedenheit. Der Bogen deckt ein großes inhaltliches Spektrum ab: Studienmotivation, Urteil über Studiengang und -si­tuation, Beurteilung des erlebten Religionsunterrichts, Einschätzung zu Zielen des Religionsunterrichts und zum konfessionellen Religionsunterricht, Verhältnis zum Gebet im Religionsunterricht und zur Bibel, Einschätzung zu Gott, Glaube, Kirche und eigener religiöser Sozialisation und Praxis (abrufbar unter http://www.ev-theologie.uni-wuppertal.de/fileadmin/ev_theologie/dokument e/ Lueck/Fragebogen_Theologiestudium_2015.pdf). Die Itemformu­lierungen wurden teils aus qualitativen Voruntersuchungen an Studierenden und anhand von Expertenbefragungen gewonnen, teils aber auch von anderen Untersuchungen übernommen (28 f.). Die Auswertung bietet neben den Mittelwerten und Standardabweichungen eine umfangreiche Faktorenanalyse, die Einzelaspekte zu größeren Dimensionen zusammenfasst und deren Interdependenzen berechnet.
Die Zufriedenheit mit dem Theologiestudium (M=2,41; mögliche Bewertungen von 1 bis 6) ist höher als mit dem anderen Studienfach (M=2,93) und dem Studium im Ganzen (M=3,01). Dabei spielt die Zufriedenheit mit den als interessant und anspruchsvoll erlebten theologischen Inhalten und der zwischenmenschlichen Zusammenarbeit in diesem Studium eine wichtige Rolle (202 f.). Die Mehrheit der Befragten lernt intrinsisch motiviert, setzt sich eigene Ziele und steht auch Belastungen durch (207 f.). Verbesserungsbedarf sehen die Befragten bei der organisatorischen Struktur, methodisch-didaktischen Gestaltung und bei der Prüfungsdichte (203 f.). Studierende wählen Theologie nur am Rande deswegen, weil sie ein leichtes Studium erwarten oder sich bessere Berufschancen ausrechnen, sondern vor allem weil sie ihr eigenes Wissen über Religion erweitern und später, im Religionsunterricht, mit jungen Menschen arbeiten und ihnen Werte vermitteln wollen (69 f.). Sie vertreten dabei ein breites Spektrum an Zielsetzungen für den Religionsunterricht, der z. B. junge Menschen etwas angeht, die eigene Herkunftsreligion nahebringt und Offenheit gegenüber anderen Religionen fördert (212 f.). Die konfessionelle Grundstruktur des Religionsunterrichts wird begrüßt, zugleich aber auch die ökumenische bzw. interreligiöse Lerndimension eingefordert.
Neben diesen globalen Aussagen sind folgende Details interessant: Studienmotive und -erwartungen korrelieren miteinander, so erwartet z. B. derjenige eine wissenschaftliche Vertiefung des Glaubens, bei dem Glaube ein wichtiges Motiv für das Studium ist (184). Ebenso stehen Studienerwartungen und religionsdidaktische Zielvorstellungen in starkem Zusammenhang, so korrelieren glaubensbezogene Studienerwartungen mit biblisch-theologischen, meditativ-praxisorientierten sowie kinder- und jugendtheologischen Zielvorstellungen für den Religionsunterricht; wer im Studium die Thematisierung anderer Religionen und Weltanschauungen wünscht, vertritt auch für den Religionsunterricht interkonfessionelle und -religiöse Zielvorstellungen (185 f.). Was die eigene Religiosität angeht, zeigen sich starke konfessionsbezogene Unterschiede (die besonderen Werte der evangelischen Freikirchlichen können aus Platzgründen hier leider nicht dargestellt werden). Katholische Befragte nehmen deutlich mehr an Gottesdienst und Kirchentagen als evangelische teil und praktizieren häufiger das Gebet, weisen aber eine substantiell niedrigere Kirchenverbundenheit auf, so fühlen sich 34 % der Evangelischen, aber nur 17 % der Katholischen mit ihrer Kirche »sehr verbunden« (217). Beiden gemeinsam ist jedoch eine gleichhohe Zustimmung zu den Items »es gibt eine überirdische Macht« bzw. »einen persönlichen Gott« (169). Konfessionsübergreifend kontrovers wurde das Item »Alle Religionen sind gleich wahr« bearbeitet, dem insgesamt 59 % zu­stimmten (167–170).
L. erkennt an, dass sich aus empirischen Befunden »keine un­mittelbaren Direktiven« ableiten lassen (221). Seine Folgerungen (221–223) beziehen sich zum Teil auf die erhobenen Daten, so sei z. B. das Theologiestudium weder »krankzujammern« noch zu »idealisieren« und Wissenschafts- und Berufsfeldorientierung nicht gegeneinander auszuspielen; teilweise gehen sie darüber hinaus, etwa wenn eine bessere personelle Ausstattung der Institute gefordert wird.
Anzumerken ist zum einen, dass zwei wichtige Items (Bibelverständnis, Beten im Religionsunterricht) wegen ihres single-choice-Formates aus dem Rahmen fallen; ein direkter Vergleich mit den anderen Items ist daher schwierig. Zum anderen könnte das – auch in anderen Erhebungen beliebte – Item »Es gibt einen persönlichen Gott« in Auseinandersetzung mit Bonhoeffers Diktum »einen Gott den ›es gibt‹, gibt es nicht« durchaus neu bedacht werden. Ansons­ten ist L. zu seiner Souveränität in Konzeption, Organisation und Auswertung der Studie sehr zu gratulieren – die Ergebnisse regen zu weiterem Nachdenken an.