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Ausgabe:

Juli/August/1999

Spalte:

818 f

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Munzel, Friedhelm

Titel/Untertitel:

Bibliotherapie und religiöses Lernen. Ein interdisziplinärer Beitrag zur "Theologie des Lesens" und zur Innovation des Religionsunterrichts.

Verlag:

Münster: LIT 1997. 400 S. m. Abb. gr.8 = Religionspädagogische Kontexte und Konzepte, 4. Kart. DM 58,80. ISBN 3-8258-3004-7.

Rezensent:

Christian Grethlein

Die vom Fachbereich Gesellschaftswissenschaften, Philosophie und Theologie der Universität Dortmund 1996 angenommene Habilitationsschrift hat das Ziel, "exemplarisch den Beitrag der Bibliotherapie zum Religionsunterricht darzustellen" (7). Im einzelnen will sie "Bibliotherapie als interdisziplinären Forschungsgegenstand innerhalb der pädagogischen und mediendidaktischen Diskussion und insbesondere unter theologischem Aspekt" beschreiben, "Bibliotherapie im bisher erarbeiteten theologischen Kontext" darstellen, "Bibliotherapie als religionspädagogische Innovation" aufweisen und dies an Unterrichtsbeispielen veranschaulichen (24). Offensichtlich ist der Vf. schon längere Zeit an einer entsprechenden Forschungsstelle der Dortmunder Universität tätig und kann in reichem Maß auf eigene Erfahrungen zurückgreifen.

Angesichts des geringen Bekanntheitsgrades von "Bibliotherapie" ist es gewiß sinnvoll, mit Hinweisen zur Begriffsbestimmung zu beginnen: "Bibliotherapie ist die Nutzbarmachung des Lesens (Vorlesens) zu therapeutischen Zwecken" (33). Dabei leisten - wie in den beiden ersten Teilen ("Bibliotherapie in pädagogischer und theologischer Fragestellung", "Bibliotherapie in Praxis und Forschung") gezeigt wird - unterschiedliche Disziplinen wie Medizin, Psychologie, Pädagogik, Psychiatrie, Germanistik, Bibliothekswissenschaft und nicht zuletzt Theologie einen Beitrag. Entsprechend dieser Vielfalt präsentiert der Vf. immer wieder interessante Einsichten aus unterschiedlichen Fächern. Leider ist es ihm aber wissenschaftstheoretisch nicht gelungen, die spezifischen Beiträge der einzelnen Disziplinen zur "Bibliotherapie" zu bestimmen; im Aufbau der Arbeit schlägt sich das in einem kaum entwirrbaren In- und Nebeneinander verschiedenster Perspektiven und methodisch höchst unterschiedlich gewonnener Einsichten sowie in reichlichen Wiederholungen nieder. Nur selten kommt der Vf. dabei aber wesentlich über die - vom Rez. auf Grund eigener Erfahrungen gerne geteilte - Beteuerung hinaus, daß Bibliotherapie von großer Wichtigkeit sei. In den Teilen 3 bis 5, die jedenfalls nach den Überschriften mehr ins Gebiet der Religionsdidaktik führen sollten (Teil 3 "Bibliotherapie im biblisch-theologischen Kontext", Teil 4 "Bibliotherapie in Lektürewirkung und Leseprozeß", Teil 5 "Bibliotherapie im Religionsunterricht"), wird der vorher noch einigermaßen durchgehaltene Bezug auf das "Buch" teilweise aufgegeben. Ohne die Differenzen zu markieren handeln die Ausführungen von "Buch", "Lesen", "Vorlesen", "Erzählen" und "Geschichten", ohne daß dies etwa mediendidaktisch oder rezeptionsästhetisch reflektiert würde.

Dann folgen über 100 Seiten zwei sehr ausführliche Unterrichtsmodelle (einschließlich umfangreichen Materialien), die den angestrebten bibliotherapeutisch akzentuierten Religionsunterricht anschaulich machen sollen.

Offensichtlich merkte der Vf. selbst, daß ihm eine Ordnung seines Materials nicht gelungen ist; nur so ist zu verstehen, daß der 7. Teil mit Ausführungen zur "Gesamtstruktur der Arbeit" beginnt, bevor er Ergebnisse der bisherigen Studie zusammenfaßt und in die Zukunft blickt.

Insgesamt hinterläßt die Arbeit einen zwiespältigen Eindruck. Es ist das Verdienst des Vf.s, nachdrücklich auf die therapeutischen und didaktischen Möglichkeiten ausgewählter Literatur und bereits vorliegende Arbeiten zur "Bibliotherapie" aufmerksam zu machen. Allerdings drängt sich bezüglich der Darstellung dem Rez. der Eindruck auf, daß sich der Vf. in der Gattung geirrt hat. Hier will ein in der Sache offensichtlich sehr engagierter Religionspädagoge mit praktischen Erfahrungen auf die Möglichkeiten der "Bibliotherapie" aufmerksam machen - und tut dies in der (wohl auch auf Grund der noch nicht hinreichenden Vorarbeiten) für das Erzählen von Praxiserfahrungen und damit zusammenhängenden Lesefrüchten wenig geeigneten Form einer Habilitationsschrift.