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Ausgabe:

Juli/August/2015

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Neß, Dietmar

Titel/Untertitel:

Schlesisches Pfarrerbuch. Hrsg. v. Verein f. Schlesische Kirchengeschichte.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2014. Bd. 1: Einführung. Regierungsbezirk Breslau. Teil I: Die Kirchenkreise Breslau Stadt I und I; Der Kirchenkreis Breslau-Land. 330 S. u. 3 Ktn. Geb. EUR 68,00. ISBN 978-3-374-03724-7. Bd. 2: Regierungsbezirk Breslau. Teil II: Die Kirchenkreise Bernstadt-Namslau, Brieg, Frankenstein-Münsterberg, Glatz, Groß Wartenberg. 464 S. u. 1 Kt. Geb. EUR 78,00. ISBN 978-3-374-03886-2. Bd. 3: Regierungsbezirk Breslau. Teil III: Die Kirchenkreise Guhrau-Hernstadt, Militsch-Trachenberg, Neumarkt, Nimptsch, Oels, Ohlau, Schweidnitz-Reichenbach. 547 S. Geb. EUR 88,00. ISBN 978-3-374-03887-9. Bd. 4: Regierungsbezirk Breslau. Teil IV: Die Kirchenkreise Steinau, Strehlen, Striegau, Trebnitz, Waldenburg, Wohlau. 479 S. Geb. EUR 78,00. ISBN 978-3-374-03919-7.

Rezensent:

Albrecht Beutel

Aus der Gattung des Gelehrtenlexikons gingen im 18. Jh. die ersten evangelischen Pfarrerbücher hervor. Sie suchten alle Amtsinhaber einer Landeskirche mit den wichtigsten personenbezogenen Daten zu erfassen und stellten damit ein für verschiedene historische Disziplinen äußerst wertvolles Handbuch bereit. In den letzten Jahrzehnten hat die Erstellung oder Fortschreibung von Pfarrerbüchern einen beachtlichen Aufschwung erlebt. Die immense Datenfülle pflegt dabei entweder alphabetisch nach Personennamen oder institutionell gemäß der territorialen Kirchenverwaltungsstruktur geordnet zu werden.
Während Pfarrerbücher ihrem Wesen nach insofern ein offenes Projekt darstellen, als sie im Fortgang der Zeiten immer wieder aktualisiert und ergänzt werden müssen, ist das hier anzuzeigende Unternehmen historisch finalisiert: Eine »Evangelische Kirche in Schlesien« gibt es nicht mehr. Immerhin haben sich in der »Evangelische[n] Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz«, der »Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen« und anderen Einrichtungen gewisse Nachläufer erhalten.
Die Pläne für ein Schlesisches Pfarrerbuch gehen in das 19. Jh. zurück. Doch die Realisierungsphase konnte erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs beginnen und vollzog sich darum von Anfang an in dem Bewusstsein, »es würde ein abgeschlossenes Projekt, ein Vermächtnis sein« (Bd. 1, 5). Nachdem der aus Schlesien stammende Pfarrer Johannes Grünewald (1919–2003) in jahrzehntelanger Sammel- und Ordnungstätigkeit sehr weitreichende Vorarbeiten erbracht hatte, wird das Vorhaben nun von Pastor Dietmar Neß (*1938) schrittweise umgesetzt und hoffentlich auch zum Ziel geführt werden können. Über die inzwischen vorliegenden ersten vier Bände hinaus sollen die Kirchenkreise des Regierungsbezirks Oppeln, die Gemeinden der Unierten Evangelischen Kirche in Polnisch-Oberschlesien, die deutschen evangelischen Gemeinden in den (ehemaligen) Herzogtümern Jägerndorf, Troppau und Teschen (Bd. 5), ferner die Kirchenkreise des Regierungsbezirks Liegnitz (Bde. 6–8) und der schlesischen Oberlausitz (Bd. 9) abgedeckt werden. Zudem ist eine Porträtsammlung schlesischer Pfarrer (Bd. 10) sowie eine Erfassung der Sonderpfarrämter, des evangelischen Lebens in Schlesien nach 1946 und die Einbindung anderer Randposten geplant (Bd. 11).
Angesichts der wechselvollen (Kirchen-)Geschichte des Territoriums wird man es vorbehaltlos begrüßen, dass »Schlesien« hier in einem weit ausgreifenden historisch-geographischen Sinne gefasst ist (vgl. Bd. 1, 9). Das Pfarrerbuch folgt der parochialen Struktur des Landes und hat deshalb die ca. 17.000 dort wirkenden Pfarrer den etwa 1.400 evangelischen Kirchengemeinden Schlesiens zugeordnet. Jeder Band weist ein Register der Ortsnamen bzw. der Kirchengemeinden auf, doch ein Personenregister ist leider erst für den abschließenden Band angekündigt.
Bd. 1 bezieht sich auf die beiden Kirchenkreise Breslau-Stadt sowie auf den Kirchenkreis Breslau-Land. In einer knappen »Einleitung« (Bd. 1, 9–19) bietet Dietmar Neß einen prägnanten Abriss der schlesischen Kirchengeschichte. Zudem erläutert er die der Stoffdarbietung zugrundeliegenden strukturellen Entscheidungen; wer sich diese zu eigen macht (vgl. Bd. 1, 16 f.), wird sich in diesem lexikalischen Meisterwerk, ganz gleich was er sucht, mühelos zurechtfinden können. Überdies sind dem Band drei farbige Kartentafeln beigegeben: eine Übersichtskarte zur schlesischen Kirchengeschichte, eine Visualisierung der Parochialgemeinden der Stadt Breslau ab 1865 sowie eine Kartographie der evangelischen Kirchen und Kirchengemeinden im Fürstentum Breslau bis 1653/54 und im Kirchenkreis Breslau-Land bis 1946.
Bd. 2 dokumentiert die Kirchenkreise Bernstadt-Namslau, Brieg, Frankenstein-Münsterberg, Glatz und Groß Wartenberg; zudem hält er eine farbige Übersichtskarte zum evangelischen Schlesien im Regierungsbezirk Breslau bereit. Mit Bd. 3 folgt die Erfassung der Kirchenkreise Guhrau-Herrnstadt, Militsch-Trachenberg, Neumarkt, Nimptsch, Oels, Ohlau und Schweidnitz-Reichenbach; mit Bd. 4 sodann die Registrierung der Kirchenkreise Steinau, Strehlen, Striegau, Trebnitz, Waldenburg und Wohlau.
Man wird die archivalische Mühe und historiographische Sorgfalt, die den Bänden zugrunde liegen, gewiss nicht dankbar genug würdigen und den reichen multidisziplinären Nutzwert des Unternehmens kaum hoch genug einschätzen können. Möge dem Ge­samtprojekt ein zügiger, gedeihlicher Fortgang und seinem Be­treuer nicht erlahmende Arbeitsfreude beschieden sein! Das »Schlesische Pfarrerbuch« wird auch noch in Jahrzehnten, wenn ein Großteil der heute produzierten kirchengeschichtlichen Literatur längst makuliert worden ist, seinen Bestand haben, und dies nicht etwa in ungenutzt verstaubenden Bibliotheksregalen, sondern in den frisch gewaschenen Händen seiner zahlreichen, dankbaren Rezipienten.