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Ausgabe:

Juli/August/2015

Spalte:

785–786

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Brueggemann, Walter, und William H. Bellinger, Jr.

Titel/Untertitel:

Psalms.

Verlag:

New York u. a.: Cambridge University Press 2014. XXVI, 639 S. = New Cambridge Bible Commentary, 4. Paperback £ 23,99. ISBN 978-0-521-60076-7.

Rezensent:

Bernd Janowski

Nach den Kommentaren zu den Büchern Genesis (B. T. Arnold), Exodus (C. Meyers) sowie Richter und Ruth (V. H. Matthews) ist der vorliegende Psalmenkommentar der vierte in der neuen Reihe des NCBC. Entsprechend seinem Profil, zwischen der Welt der biblischen Bücher und der Welt ihrer zeitgenössischen Leser zu vermitteln, nimmt der NCBC die exegetischen und historischen Ergebnisse der letzten 40 Jahre auf und macht sie für ein breiteres Publikum fruchtbar, ohne in Populärwissenschaft abzugleiten. Diesem Ziel sind auch W. Brueggemann (Professor emeritus am Columbia Theological Seminary) und W. H. Bellinger, Jr. (Professor of Reli-gion an der Baylor University), jeder von ihnen ein sehr anerkann ter Kollege, verpflichtet. Nach einer knappen, aber gehaltvollen Einleitung, die den Aufbau des Psalters und seiner Teilsammlungen sowie Fragen der Poetik, Stilistik und Gattung der Psalmen skizziert (1–12), folgt eine Bibliographie mit Hinweisen zu wichtigen Kommentaren, Einführungen und Spezialuntersuchungen (Monographien, Aufsätze), die erfreulicherweise auch die deutschsprachige Forschung berücksichtigt (13–26).
Die Kommentierung jedes Psalms ist relativ kurz gehalten und enthält nach einer Übersetzung (Text der New Revised Standard Version) eine knappe, aber sachlich dichte Auslegung, die jeweils abschnittsweise vorgeht (z. B. bei Ps 1: V. 1–3 und V. 4–6) und dabei auf die zentralen Begriffe und Themen eingeht. Eine Besonderheit des Kommentars besteht darin, dass jeweils eine Nahaufnahme(»A Closer Look«) und ein Brückenelement (»Bridging the Horizons«) eingebaut werden, durch die bestimmte Sachfragen vertieft und ausgewählte hermeneutische bzw. rezeptionsgeschichtliche Aspekte hervorgehoben werden. So wird bei der Auslegung von Ps 22 (111–121) in der Rubrik »A Closer Look« die Warum-Frage von V. 2 (bzw. nach der NRSV von V. 1, da die gewichtige Überschrift leider weggelassen wird!) mit ihrer Zitation in Mt 27,46 und Mk 15,34 verglichen (120) und in der Rubrik »Bridging the Horizons« die Interpretation dieser Rezeption bei J. Moltmann, Der gekreuzigte Gott, 1972, referiert (120 f.). Bei der Auslegung von Ps 23 (122–126) – dieses »most familiar and most beloved psalm« (122) – wird in der Rubrik »A Closer Look« auf den negativen Hirtenspiegel von Ez 34 und seine eindrücklichen Sprachbilder hingewiesen, die – wie etwas verkürzt argumentiert wird – die Erwartung des kommenden »Hirten Jesus« genährt haben (122). Man wüsste an solchen und ähnlichen Stellen gern etwas Genaueres über den (sehr komplexen) Überlieferungs- und Rezeptionsweg vom Alten zum Neuen Testament. Hilfreich wäre in diesem Zusammenhang auch eine Interpretation der clusterartigen Verbindung von Ps 22–24 gewesen, wie sie beispielsweise im Blick auf Ps 90–92 gegeben wird (399). Diese Beispiele ließen sich vermehren.
Das alles sind aber Wünsche, die den vorliegenden Kommentar über Gebühr aufgebläht hätten. Auch so stellt er mit seinen gut 600 Seiten ein geeignetes Arbeitsinstrument zur Erschließung der Sprache und Theologie der Psalmen dar. Dazu verhilft auch das nützliche Autoren-, Bibelstellen- und Sachregister (621–639).