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Ausgabe:

Juli/August/2015

Spalte:

764–767

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Buswell Jr., Robert E., and Donald S. Lopez Jr.

Titel/Untertitel:

The Princeton Dictionary of Buddhism.

Verlag:

Princeton u. a.: Princeton University Press 2013. XXXII, 1265 S. m. Abb. u. Ktn. Lw. US$ 65,00. ISBN 978-0-691-15786-3.

Rezensent:

Perry Schmidt-Leukel

»The Princeton Dictionary of Buddhism« ist ein überaus ambitioniertes Werk. Obwohl es explizit (VII) keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt (Lücken sind dem Rezensenten etwa im Bereich der Ikonographie aufgefallen), enthält es doch beachtliche mehr als 5000 Einträge. Diese umfassen die buddhistische Fachterminologie im Hinblick auf Lehre und Praxis, Titel buddhistischer Schriften, Namen buddhistischer Richtungen, Schulen, Organisationen, Orte, bedeutender Personen der buddhistischen Geschichte und schließlich auch einige herausragende Buddhismus-Forscher. Das besondere Merkmal des Werks ist der multilinguale Charakter der Lemmata. Sie decken prinzipiell die Sprachen Sanskrit, P āli, Tibetisch, Chinesisch, Japanisch und Koreanisch ab sowie darüber hinaus auch einige Begriffe und Namen in Burmesisch, Laotisch, Mongolisch, Singhalesisch, Thailändisch und Vietnamesisch. Wo im­mer möglich sind dem primären Stichwort (meist auf Sanskrit) Äquivalente in anderen, für den Buddhismus wichtigen Sprachen beigegeben. Dem multi-lingualen Konzept des Buches dienen auch die am Ende (1103–1265) gebotenen Listen intersprachlicher Querverweise, die bei der Suche nach Stichworten in Chinesisch, Japanisch, Koreanisch, P āli, Tibetisch (in wissenschaftlicher sowie in phonetischer Wiedergabe) zu dem jeweils primären Eintrag führen. Für die Umschrift chinesischer Ausdrücke wurde »Pinyin« (statt »Wade-Giles«) verwendet, für Japanisch »Revised Hepburn« und für Koreanisch »McCune-Reischauer«. Das Werk enthält zudem etliche Einträge in Englisch, beschränkt sich dabei aber auf solche Lemmata, für die es mehr oder weniger eindeutige Äquivalente in asiatischen Sprachen bzw. in buddhistischer Terminologie gibt (z. B. »celebacy«, »cause«, »heaven«, »hell«, »tonsure«, etc.), so dass sich hier zumeist, aber nicht immer, lediglich Querverweise finden.
Der multilinguale Charakter bereitet freilich auch Probleme. Da die ältere westliche Literatur zum chinesischen Buddhismus »Wade-Giles« verwendet, kann es bisweilen Schwierigkeiten geben, den entsprechenden Eintrag in »Pinyin« zu finden, vor allem, da Querverweise nicht konsequent gesetzt wurden. Beispielsweise findet sich für den berühmten chinesischen Indien-Reisenden »Hsüan-tsang« unter dieser Schreibweise (Wade-Giles) ein Querverweis auf den Eintrag »Xuanzang« (Pinyin), wohingegen der Reisende »I-tsing« (Wade-Giles) ohne Querverweis bleibt und nur unter »Yijing« (Pinyin) zu finden ist, was ihn für den Nichtfachmann eher unauffindbar machen dürfte. Gerade solche Nicht-Fachleute dürften jedoch den primär anvisierten Leserkreis bilden. Vergleichbare Probleme gibt es auch bei anderen Umschriften. So findet man die beiden gelehrten deutschen Therav āda-Mönche Nyanatiloka und Nyanaponika nicht unter diesen, von den beiden selbst verwendeten Schreibweisen, sondern unter den wissenschaftlich korrekten Umschriften »Ñāṇatiloka« und »Ñāṇaponika«. Solcher Purismus dürfte dem Sinn eines breit angelegten Lexikons jedoch eher abträglich sein.
Das Werk will kein reines Wörterbuch sein, sondern trägt enzyklopädischen Charakter. Die meisten Artikel sind ca. 200–600 Wörter lang, einige umfassen auch mehr als 1.000 Wörter (z.B. »bud-dha«, »nirvāṇa«, etc.), wobei jedoch eine größere Länge nicht immer einer größeren Bedeutung korrespondiert. Beispielsweise ist der Artikel zu dem zentralen mahāyāna-buddhistischen Begriff »śūnyatā« (»Leerheit«) etwa gleich lang (ca. 400 Wörter) wie der Artikel zu »sŭngkwa«, dem traditionellen staatlichen Prüfungssystem für Kleriker in Korea. Literaturhinweise werden, auch in längeren Artikeln, nicht gegeben. Angesichts der geographischen, religionsgeschichtlichen und terminologischen Breite und Diversität der in diesem Werk erfassten Ausprägungen des Buddhismus stellt sich unvermeidlich die Frage, welche Autoren all dieses Spezialwissen zusammengetragen haben. Dabei stößt man auf ein besonders be­eindruckendes, zugleich aber auch problematisches Merkmal dieses Werks: Die Artikel werden allein von den beiden Autoren (!) – nicht Herausgebern – Robert Buswell und Donald Lopez verantwortet. Obwohl beide hochverdiente und international renommierte Buddhismus-Experten sind (Buswell, University of California, mit Schwerpunkt koreanischer Buddhismus; Lopez, University of Michigan, mit Schwerpunkt tibetischer Buddhismus), fragt man sich dennoch, ob sie ein solch enormes Feld wirklich alleine abzudecken vermögen. Der Leser erfährt, dass dies nur möglich war mit Hilfe (»assistance«) von zwölf namentlich genannten Post-Docs sowie weiteren 19 in den »Acknowledgements« aufgeführten Post-Docs und neun namhaften Kollegen (z. B. Gregory Schopen, Luis Gómez, Robert Sharf). Der Leser erfährt jedoch nicht, wer für welchen Artikel wie viel Zuarbeit geleistet hat. Das heißt, Zuordnun gen von einzelnen Artikeln zu speziellen Autoren werden nicht vorgenommen, so dass letztlich nur Buswell und Lopez als ver-antwortliche Autoren erscheinen. Nach Ansicht des Rezensenten könnte dies erklären, warum sich in einigen Artikeln wichtige Korrekturen neben der unveränderten Weiterführung hergebrachter Fehleinschätzungen und Klischees finden. Nur zwei Beispiele zur Illustration: In dem Artikel »buddha« wird mit Recht die Auffassung verworfen, dass der »Buddha« der nicht-mahāyānistischen Schulen weniger »übermenschlich« sei als der des Mahāyāna. Zu­gleich wird aber das falsche Klischee weitergeführt, dass ein Pratyekabuddha »nicht lehrt«. Das konnte man schon in Nyanatilokas »Buddhistisches Wörterbuch« von 1952 bzw. 1976 (rev. Aufl.) richtiger und genauer nachlesen (er lehrt zwar, vermag aber andere nicht zur Erleuchtung zu führen). Zweites Beispiel: In dem Artikel »bodhisattva« findet sich die wichtige Korrektur des verbreiteten Irrtums, ein Bodhisattva schiebe seine Erleuchtung hinaus. Gleichzeitig wird jedoch im selben Artikel weiterhin der Fehler tradiert, der Terminus »bodhisattva« beziehe sich im älteren Buddhismus exklusiv auf den »historischen Buddha« vor dessen Erleuchtung (dass dem nicht so ist, zeigt neben vielen anderen Texten das kanonische Sutta Dīghanikāya 14). Solche Kritik mag angesichts der enormen Wissensfülle, die dieses Werk bietet, beckmesserisch sein. Sie will hier jedoch lediglich dafür sensibilisieren, dass die Exper-tise, die man von zwei Autoren erwarten darf, auch wenn diese immens ist und vielfach der Rat anderer hinzugezogen wurde, ihre Grenzen hat. Ein großes Autorenteam unterschiedlicher Buddhismus-Experten wäre einem solchen Projekt vielleicht dienlicher ge­wesen.
Vorangestellt sind dem Werk die gerade für den Nicht-Fachmann nützlichen Übersichten zu indischen, chinesischen, koreanischen und japanischen Geschichtsperioden, einige Karten (In­dien, China, Korea, Japan, Tibet; chinesische Pilgerrouten, klas-sische buddhistische Kosmologie) sowie eine sechs Seiten lange Zeittafel. Letztere bietet in sechs Kolumnen (Indien, Sri Lanka, Südostasien, Ostasien, Tibet und Zentralasien, Allgemeine Weltgeschichte) einen synoptischen Überblick zur Entwicklung des Bud-dhismus in jedem einzelnen Jahrhundert. Allerdings bleiben dabei etliche Felder blank, d. h. bei einer Reihe von Jahrhunderten finden sich für einzelne Kolumnen keine Einträge. Datierungsprobleme (mit Ausnahme der Datierung des Buddha) werden in der Tafel weitgehend ausgeklammert. Für Indien wird der Eindruck er­weckt, als markierten die Angriffe von Truppen islamischer Herrscher auf Nālandā und Vikramaśīla den Untergang des Buddhismus, obwohl der Artikel zu »Nālandā« korrekt auf Evidenzen dafür verweist, dass dort bis ca. 1400 weiter gelehrt wurde.
Insgesamt liegt mit diesem Werk ein bisher in dieser terminologischen Breite und Dichte einzigartiges und begrüßenswertes Hilfsmittel vor. Die angedeuteten Probleme und Grenzen zeigen jedoch auch, dass es nicht den zusätzlichen Rückgriff auf andere, spezialisiertere Werke erspart.