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Ausgabe:

Juli/August/2015

Spalte:

764–767

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Böttrich, Christfried, Ego, Beate, u. Friedmann Eißler

Titel/Untertitel:

Adam und Eva in Judentum, Christentum und Islam.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2011. 199 S. = Judentum, Christentum und Islam, 4. Geb. EUR 24,99. ISBN 978-3-525-63028-0.

Rezensent:

Matthias Albani/Thomas Knittel

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Böttrich, Christfried, Ego, Beate, u. Friedmann Eißler: Abraham in Judentum, Christentum und Islam. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2009. 188 S. = Judentum, Christentum und Islam, 1. Geb. EUR 24,99. ISBN 978-3-525-63398-4.
Böttrich, Christfried, Ego, Beate, u. Friedmann Eißler: Jesus und Maria in Judentum, Christentum und Islam. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2009. 205 S. = Judentum, Christentum und Islam, 2. Geb. EUR 22,99. ISBN 978-3-525-63399-1.
Böttrich, Christfried, Ego, Beate, u. Friedmann Eißler: Mose in Judentum, Christentum und Islam. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2010. 181 S. = Judentum, Christentum und Islam, 3. Geb. EUR 22,99. ISBN 978-3-525-63018-1.
Böttrich, Christfried, Ego, Beate, u. Friedmann Eißler: Elia und andere Propheten in Judentum, Christentum und Islam. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2013. 183 S. = Judentum, Christentum und Islam, 5. Geb. EUR 22,99. ISBN 978-3-525-63396-0.


»Die lange Geschichte jüdisch-christlich-islamischer Beziehungen war häufig von Abgrenzung und Feindseligkeiten, von Pogromen, Kreuzzügen, Völkermorden und Terrorakten begleitet. Natürlich hat es auch an Phasen eines friedlichen Miteinanders nicht gefehlt […] Doch die breite Masse der Gläubigen tut sich nach wie vor schwer damit, in den jeweils Anderen auch Bruder und Schwester sehen zu können. Zu schwer wiegen die Erfahrungen jahrhundertealter Konflikte. Dabei ist eine Verständigung in unserer zu­nehmend enger vernetzten Welt dringlicher als je zuvor.«
Seit dieser Situationsbeschreibung aus dem Reihenvorwort (2009) hat die Dringlichkeit eines Dialogs der Religionen angesichts des zunehmenden islamistischen Terrors weltweit einerseits und der kontroversen öffentlichen Diskussionen hierzulande andererseits noch enorm zugenommen. Daher ist gerade die sich gegenwärtig verschärfende Lage der rechte Augenblick, um auf die wissenschaftlich fundierte und doch gut lesbare Reihe über die großen Glaubensgestalten hinzuweisen, welche Brücken zum wechselseitigen Verständnis der drei monotheistischen Weltreligionen bauen will.
Die Autoren – ausgewiesene Experten auf den Gebieten der Judaistik, der Neutestamentlichen Wissenschaft und der Islamwissenschaft – haben besonders christliche Leser anvisiert. Genau in dieser Zielgruppe bestehen nach Wahrnehmung der Rezensenten nach wie vor große Defizite in Kenntnis und Verständnis der an-deren beiden monotheistischen Religionen – besonders der isla-mischen Traditionen. Es ist daher zu hoffen, dass die interreligiöse Reihe ein möglichst breites Leserpublikum findet, denn die fünf Taschenbücher (ca. 200 Seiten pro Band) führen sachkundig, in­struktiv und anregend in die trotz gemeinsamer theologischer Schnittmengen recht unterschiedlichen religiösen Vorstellungswelten ein. Dabei erleichtert die Konzentration auf berühmte Personen und ihre jeweilige Darstellung den Zugang zur komplexen und oftmals fremdartigen Glaubenswelt der anderen Religionen. Nach der Lektüre bereits eines der fünf Bände erscheint die eigene Tradition tatsächlich jeweils in einem neuen Licht, was ein erklärtes Ziel der Verfasser war.
Obwohl sich die Reihe vornehmlich an christlich geprägte Leser richtet, hat das Bemühen Vorrang, dem Selbstverständnis der je­weiligen Religion so weit wie möglich gerecht zu werden. Inwieweit dies für Judentum und Islam gelungen ist, können freilich nur jüdische bzw. muslimische Leser entscheiden. Doch allein durch die ausführliche Zitierung von Texten – etwa aus dem Koran – und die aufschlussreichen Erläuterungen dazu, bekommt der Leser einen anschaulichen Eindruck der jeweiligen Tradition vermittelt und erhält so die Chance, sich ein eigenes differenziertes Urteil über die Eigenheit und das Selbstverständnis der jeweils anderen Religion zu bilden.
Jeder Band besteht aus drei Teilen (z. B. Abraham im Judentum, Christentum und im Islam), die vom Aufbau her ähnlich konzipiert sind. Auf eine einführende Problemanzeige folgt jeweils ein erster Überblick über die wesentlichen Quellen. Dieser hilft dem Leser, die folgende Wanderung durch die einzelnen Texte (zum Teil auch ikonographische Traditionen) nachzuvollziehen. Abschließend werden dann jeweils die Ergebnisse zusammengefasst und weiterführende Literaturhinweise gegeben. Durchgängig sind die Beiträge von einer allgemeinverständlichen, klaren und zuweilen originellen Sprache geprägt.
Die Reihe eröffnet mit dem ersten Band gleichsam den Weg über die ›Abraham-Brücke‹ ins gelobte Land des interreligiösen Trialogs, denn bei dieser grundlegenden Urgestalt der monotheistischen Re­ligionen geht es um die fundamentale Frage nach der Bedeutung und Gestaltung des Glaubens an den einen Gott. Im Unterschied zu Abraham treten im zweiten Band über »Jesus und Maria« eher die schwerwiegenden Differenzen zwischen Judentum, Christentum und Islam zutage.
Hier kann man die Gesamtanlage des Bandes anfragen. So sehr es an sich nachvollziehbar ist, dass die drei abrahamitischen Religionen in der Reihenfolge ihrer Entstehung besprochen werden, so scheint dies doch im Blick auf Jesus und Maria nicht ganz überzeugend. Ganz offenkundig reagieren doch sowohl die jüdische als auch die islamische Überlieferung auf das christliche Bild von Jesus und Maria. Und diese christliche Perspektive erweist sich selbst wiederum, wie Chr. Böttrich sehr anschaulich aufzeigt, als spezifische Deutung historischer Geschehnisse. Hätte man daher nicht eine andere Reihenfolge der Darstellung wählen sollen, etwa in der Weise, dass zunächst die beiden Gestalten Jesus und Maria in historischer Perspektive dargestellt, sodann die christliche Deutung derselben (im Neuen Testament und der darauf aufbauenden theologischen Tradition) und schließlich jüdische und islamische Reaktionen auf das christliche Bild vorgestellt werden? Vielleicht wäre damit gerade das Aufeinander-Verwiesensein der verschiedenen Religionen noch deutlicher hervorgetreten. Unbeschadet dessen kann aus Sicht der Rezensenten festgehalten werden, dass mit dem vorliegenden Band ein sehr informativer und dem Gespräch der Religionen dienender Überblick über die verschiedenen Perspektiven auf Jesus und Maria im Judentum, Christentum und Islam gelungen ist.
Der dritte Band über Mose thematisiert vor allem die Bedeutung des Rechts und der Ethik in den drei Religionen. Im vierten Buch wird anhand der Traditionen um »Adam und Eva« das ebenfalls grundlegende theologische Thema »Schöpfung« reflektiert. Und schließlich behandelt der fünfte Band über »Elia und die anderen Propheten« das Phänomen der Prophetie, wobei auch hier eher die Unterschiede ins Auge fallen. Allein schon die Zuordnung Noahs, Hiobs, Davids und anderer biblischer Gestalten zu den Propheten im Koran macht dies deutlich. Die fünf Taschenbücher bieten eine Fülle von aufschlussreichen Perspektiven und »Aha-Erlebnissen«, die hier leider nicht im Einzelnen gewürdigt werden können.
Im Unterschied zu vielen gut gemeinten Trialogversuchen erliegen die Autoren jedenfalls nicht der Versuchung, einen kleins­ten gemeinsamen »monotheistischen Nenner« – etwa im Konzept einer »abrahamischen Ökumene« (L. Massignon; H. Küng; u. a.) – zu finden. Denn die Einigung auf eine sehr abstrahierte und reduzierte Abrahamgestalt trägt wenig zum gegenseitigen Verstehen bei. Wenn man etwa Abraham als gemeinsamen »Vater des Glaubens« in allen drei Religionen herausstellt, so ist bereits die inhaltliche Bestimmung dessen, was unter »Glauben« jeweils verstanden wird, grundverschieden, wie F. Eißler zu Recht betont. Abraham ist im Koran im Grunde das prototypische Spiegelbild des Propheten Muhammad. Es ist daher nicht viel gewonnen, einen »abrahamischen Geist« als Gemeinsamkeit zu beschwören, wenn dabei nur eine »Hülle ohne Inhalt« übrigbleibt (182).
So ist am Beispiel des ersten Bandes zu würdigen, dass in der Taschenbuchreihe die Konkurrenz der Religionen in Sachen Wahrheit nicht wegdiskutiert und Widersprüchliches und Gegensätzliches nicht verharmlost wird. Nur aus der genauen Wahrnehmung und Akzeptanz der Eigenheit, Andersartigkeit und auch der Fremdheit von Judentum und Islam kann ein konstruktives Ge­spräch entstehen, welches nicht auf »kalte Gleichschaltung«, sondern auf »mehr Respekt« hinausläuft (184). Dazu bietet die Reihe wichtige religionswissenschaftliche Grundlagen und Einsichten. Für F. Eißler eignet sich Abraham vor allem zur Einübung von »wechselseitiger Gastfreundschaft und Beherbergung« im gesellschaftlichen Miteinander, nicht zu einer nebulösen interreligiösen »Ökumene« (185). Insgesamt kann festgestellt werden, dass den Autoren ein sehr instruktiver und anregender Überblick gelungen ist, welcher zweifellos Interesse an weiterer Auseinandersetzung mit der jeweils fremden Religion weckt und so hoffentlich zu einem friedlichen Miteinander von Juden, Christen und Muslimen in der gegenwärtigen Konfliktsituation beiträgt.