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Ausgabe:

Mai/2015

Spalte:

591–592

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Gert Pickel, Dekan der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig
Rochus Leonhardt, Prodekan und Leiter des Inst. für System. Theologie

Titel/Untertitel:

Akademische Würdigung Martin Petzoldts

Am 13. März 2015 starb unser allseits geschätzter und beliebter Kollege Prof. Dr. em. Martin Petzoldt. Die Theologische Fakultät der Universität Leipzig schmerzt der Verlust eines so engagierten Kollegen sehr. Er hinterlässt eine Lücke, die so nicht wieder auszufüllen sein wird.

Martin Petzoldt ist der Universität Leipzig sein Leben lang treu geblieben. 1946 geboren in Rabenstein bei Chemnitz, studierte er an der damals noch nach Karl Marx benannten Alma Mater Lipsiensis Theologie. Nach dem Abschluss seines Studiums im Jahre 1969 widmete er sich der theologischen Wissenschaft. 1976 wurde er aufgrund seiner Dissertation über »Die Gleichnisse Jesu in ihrer Bedeutung für die christliche Dogmatik« promoviert. 1985 habilitierte er sich zum Thema »Theologie im Rahmen der Lebensgeschichte Johann Sebastian Bachs«. Gerade das Thema der Habilitation, die theologische Bachforschung, sollte ihn zeit seines Lebens beschäftigen. Von 1986 an war er Dozent und schließlich von 1992 bis 2011 Professor für Systematische Theologie mit dem Schwerpunkt Ethik an der Leipziger Theologischen Fakultät.

Martin Petzoldts Vita ist zutiefst mit den historischen Umbrüchen der jüngeren deutschen Geschichte verbunden. Als Student wurde er 1968 Zeuge der Sprengung der Universitätskirche Sankt Pauli, ein Ereignis, welches ihn für die Zukunft prägen sollte. So hat er den Wiederaufbau engagiert und konstruktiv begleitet. Vor allem ihm ist es zu verdanken, dass der (noch nicht fertiggestellte) Hauptraum die Bezeichnung »Aula/Universitätskirche St. Pauli« erhalten hat. Die deutsche Wiedervereinigung stellte auch die ostdeutschen Universitäten vor große Herausforderungen. In diesem Zusammenhang gestaltete Martin Petzoldt von 1991 bis 1994 als letzter Sektionsdirektor und erster Dekan nach dem Umbruch die Neustrukturierung der Theologischen Fakultät prägend mit. In diese Zeit fällt auch die nicht einfache Fusion der ehemaligen Sektion mit der Kirchlichen Hochschule Leipzig. Nicht umsonst erhielt er 1994 die Caspar-Borner-Medaille für die Erneuerung der Universität.

Petzoldts wissenschaftliches Engagement war stets von dem Interesse geprägt, geistliche Praxis und kritische Reflexion zu verbinden. Zugleich war es ihm wichtig, die Sache der Theologie auch über die Grenzen des eigenen Faches hinaus zur Geltung zu bringen. Beide Interessenaspekte spiegeln sich in seinen zahlreichen Arbeiten zur theologischen Bachforschung. Als langjähriger Vorstandsvorsitzender der Neuen Bachgesellschaft war er über die Grenzen Leipzigs und Deutschlands hinaus vernetzt – und hat mit seinen das Verhältnis von Theologie und Musik beleuchtenden Publikationen in wissenschaftlicher Hinsicht Maßstäbe gesetzt. Als Werke seien nur die Schrift »Bach als Ausleger der Bibel. Theologische und musikwissenschaftliche Aufsätze« und die mehrbändigen Bachkommentare genannt, die er nun leider nicht mehr zum Abschluss bringen konnte. Martin Petzoldt näherte sich von den unterschiedlichsten Seiten seinem zentralen Studienobjekt Jo­hann Sebastian Bach an. So, wie er die geistlichen Vokalwerke theolo-gisch kommentierte, so beschäftigte er sich mit der Kirchenmusik und der Bachinterpretation in der DDR. Seine Schriften, die vielfach in andere Sprachen übersetzt wurden, weisen ihn als den führenden Experten für die theologische Interpretation der Werke Bachs aus.

Über seine wissenschaftliche Tätigkeit in Lehre und Forschung hinaus wirkte Petzoldt, der seit 1998 Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande war, auch an vielen anderen Stellen. So ist zuerst auf seine langjährige – genau gesagt 11 Jahre dauernde – Tätigkeit als Erster Universitätsprediger hinzuweisen. In ihr brachte er die geistliche Dimension seines wissenschaftlich-theologischen Denkens zur Geltung. Zudem war Martin Petzoldt viele Jahre lang Mitglied der Ethik-Kommission der Leipziger Medizinischen Fakultät, Mitglied der Baukommission sowie der Kunst- und Orgelkom-mission der Universität Leipzig. Neben diesen inneruniversitären Tätigkeiten setzte er seit 1990 seine Energie als Mitglied der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie und seit 1991 vor allem als Mitherausgeber der Theologischen Literaturzeitung ein. Nicht vergessen darf man seine Tätigkeit als Vorsitzender des Verwaltungsrates der Diakonie Leipzig; die damit verbundenen Verpflichtungen hat er bis kurz vor seinem Tod engagiert wahrgenommen. Wie vielen Menschen Martin Petzoldt so in Erinnung bleiben wird, zeigte der überwältigende Besuch seines Trauergottesdienstes in der Leipziger Thomaskirche. Mehr als 800 Besucher zollten ihm dort durch ihre Anwesenheit Respekt, was seine Verankerung in Universität, Kirche und Gesellschaft noch einmal eindrücklich sichtbar werden ließ.

Die Universität Leipzig und die Theologische Fakultät verlieren mit Martin Petzoldt einen renommierten Wissenschaftler, geachteten Hochschullehrer und geschätzten Kollegen. Die Theologische Fakultät der Universität Leipzig gedenkt seiner mit Respekt und Dankbarkeit.