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Ausgabe:

Mai/2015

Spalte:

551–553

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Haight, Roger

Titel/Untertitel:

Spirituality Seeking Theology.

Verlag:

Maryknoll: Orbis Books 2014. XIV, 194 S. Kart. US$ 26,00. ISBN 978-1-62698-077-8.

Rezensent:

Hanns Engelhardt

Roger Haight, amerikanischer Jesuit und auch auf dieser Seite des Atlantiks bekannt – vor allem durch seine Bücher über die Dynamik der Theologie, Jesus als Symbol Gottes und die christliche Gemeinschaft in der Geschichte (vgl. ThLZ 131 [2006], 779; 134 [2009], 360) sowie durch seine Probleme mit der römischen Glaubenskongregation –, legt hier ein tiefschürfendes Buch über das Verhältnis von Theologie und Spiritualität vor.
H. definiert Spiritualität als »the way persons and groups live their lifes with reference to something that they acknowledge as transcendent«. Sie ist also eine Form des Verhaltens und für den Glauben eines Menschen bezeichnender als alle Lippenbekenntnisse. Für Christen ist sie gebunden an eine Narrative: »Jesus’ life of ministry serves as a paradigm«. Spiritualität entwickelt sich ständig in der Zeit und im Lauf der menschlichen Lebenserfahrung. Sie geht der Kirche und damit auch der Theologie und der kirchlichen Lehre logisch voraus; das Leben der Kirche ist »corporate spiritual-ity«. Schließlich bildet sie – wegen dieser Priorität – eine Brücke für ökumenische Kommunikation und gegenseitiges Verstehen.
Das Buch ist in drei Teile gegliedert. Der erste Teil behandelt die Geschichte der Entstehung und Entwicklung des Universums und der menschlichen Spezies in ihm als Voraussetzung der Vorstellung Gottes als Schöpfers. Der zweite Teil wendet sich Jesus von Nazaret zu; er beschreibt das Wirken Jesu durch seine Predigt von der Gottesherrschaft und die Sammlung von Jüngern und betrachtet die spirituelle Bedeutung seines Todes und seiner Auferstehung. Der dritte Teil geht zu der christlichen Geschichte nach Jesus über und befasst sich mit der Entstehung der Kirche und abschließend mit der Trinitätslehre »and its roots in the corporate spiritu-ality of the church«. Am Ende findet sich jeweils eine Erörterung der Bedeutung des Dargestellten für die christliche Spiritualität.
Zum Abschluss des ersten Teils geht H. von den Gedanken dreier Theologen aus: Friedrich Schleiermacher, Karl Rahner und Edward Schillebeeckx, und kommt zu dem Ergebnis, dass das »fi-nite universe itself is too large for God to be an even bigger person or Father above it all«. Er fragt nach »new spontaneous symbols for what we mean by God« und kommt mit dem amerikanischen Theologen John Haught zu der Aussage, »God correlates with the source and ground of our being; God is the whither towards which all reality is moving«; es erscheint, »when one finally asks whether there is a point in asking questions at all«. Der deutsche Leser wird sich hier an Wilhelm Weischedel erinnert fühlen, wenn er den »Gott der Philosophen« als »das Vonwoher der Fraglichkeit« von Sein und Sinn beschreibt.
Anders als Weischedel, der einen Sohn Gottes in Menschengestalt aus seiner (philosophischen) Theologie verbannt, wendet H. sich alsbald der Person Jesu zu. Er betont die Bedeutung der Nachfolge Jesu als Voraussetzung der Christologie; die durch Jesus und sein Wirken vermittelte Erfahrungen Gottes und der Erlösung sind für ihn Voraussetzung von Christologie. Die Nachfolge Jesu, in verschiedener Weise beschrieben, stellt eine Spiritualität dar, nämlich »a way of life governed by an ultimate concern that centers one’s life and energies, and acts as a coordinator or measure of one’s identity« (auf evtl. Paul Tillich, an den dieser Satz erinnert, weist H. am Be­ginn des B uches auch ausdrücklich hin). Weitere Kapitel stellen dar, was Jesus über Gott offenbart und was diese Offenbarung für das menschliche Leben bedeutet. Die Erörterung der Erfahrung von Jesu Tod und Auferstehung leitet über zum dritten Teil, der sich mit der Wirkung des Heiligen Geistes und der Kirche und schließlich mit der Bedeutung der Trinitätslehre und dem »Ende der Geschichte« befasst. Den Zweck der Kirche definiert H. als »housing and nurturing ecclesial spirituality«; dieser Zweck könne nachhaltig nur erreicht werden in einer Gemeinschaft, die in institutionellen Strukturen organisiert ist, weil spirituelle Traditionen ohne solche Strukturen absterben würden. Die Trinitätslehre sieht H. als zentral an, weil sie die Erfahrung Gottes als Schöpfer, als offenbarendes Wort und Erlöser in Jesus und als Begleiter in der Geschichte zusammenhält als »dimensions of the Christian story that gives Christianity its historical identity«. Die Bedeutung der Eschatologie schließlich erblickt H. darin, dass sie in unserer Sicht der Wirklichkeit die Vorstellung einer statischen Räumlichkeit und wiederkehrender Muster ersetzt durch die Perspektive der Zeit, der Bewegung und des Werdens.
H. ermahnt den Leser, stets im Gedächtnis zu behalten, dass das Buch für Menschen geschrieben sei, die nicht Glaubende, sondern Suchende sind. »Seeking« und »Searching« sind Schlüsselbegriffe. Nicht umsonst nennt H. das Buch einen »Companion« zu seinem früheren Buch »Christian Spirituality for Seekers«; es bietet »a first address to people who are searching for a synthesis« und nicht »a reductionist version of the synthesis possessed by the churches«. Dies mag auch der Grund dafür sein, dass die Begriffe »prayer« und »liturgy« im Sachverzeichnis nicht vorkommen und der Rezensent auch keine Erörterung dieses Aspekts von Spiritualität in dem Buch gefunden hat. Natürlich beschränkt Spiritualität sich nicht auf »religiöse« Handlungen in diesem Sinne; gerade das Gebet kann aber auch nicht davon ausgeschlossen werden. Kann man zu einem »whither«, einem »Vonwoher«, beten, oder was kann angesichts dieser theologischen Begriffe Gebet (noch) bedeuten? Diese Frage könnten auch »Seeker« und »Searcher« stellen, wenn sie die spirituelle Praxis in den Kirchen mit Hilfe H.s. zu verstehen suchen.
Im Ganzen bietet H.s neues Buch eine Fülle wichtiger Einsichten, die es dringend wünschenswert erscheinen lassen, dass es auch von der deutschen Theologie zur Kenntnis genommen und gewürdigt wird.