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Ausgabe:

Mai/2015

Spalte:

526–529

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Weigel, Valentin [Hrsg. u. eingel. v. H. Pfefferl]

Titel/Untertitel:

Handschriftliche Predigtensammlung (Un­voll­ständige Teilpostille). Einfältiger Unterricht. Vom himmlischen Jerusalem.

Verlag:

Stuttgart-Bad Cannstatt: frommann-holzboog 2013. XXXIV, 261 S. m. 10 Abb. = Valentin Weigel Sämtliche Schriften. Neue Edition, 6. Lw. EUR 386,00. ISBN 978-3-7728-1845-5.

Rezensent:

Ernst Koch

In rascher Folge ist ein weiterer Band der Weigel-Ausgabe erschienen. Er entspricht in seiner Gestaltung den veränderten Maßgaben, die den Verzicht auf die Darstellung der Vorgeschichte der gebotenen Texte, den Hinweis auf ihre theologische Bedeutung und auf Sachkommentierung und Nachweis von Zitaten einschließt (vgl. ThLZ 139 [2014], 369 f.). Ausdrücklich zu würdigen bleibt jedoch die Präzision, mit der unter diesen Vorgaben der Herausgeber die Textüberlieferung beschreibt. Sie stellt sich wiederum äußerst komplex dar, sofern sich vielfältige Zusammenhänge und Querverbindungen ergeben, die wohl auch auf inhaltliche Kongruenzen schließen lassen, die die anonym bleibenden Überlieferungsträger im Blick hatten.
Der Band dokumentiert drei Texte bzw. Textkomplexe aus der Zschopauer Wirksamkeit W.s:
– als bei Weitem umfangreichsten Text eine lediglich in einer Wolfenbütteler Handschrift überlieferte Predigtsammlung – der Herausgeber bezeichnet sie mit Recht als »unvollständige Teilpos­tille«; sie enthält neben einer auf den 11. Oktober 1574 datierten Vorrede 32 Predigten zu den Sonn- und Festtagsevangelien zwischen dem 1. Adventssonntag und dem Passionssonntag Judica, zur Epistel des Sonntags nach Weihnachten sowie einer kirchenjahreszeitlich nicht sicher einzuordnenden Predigt über Röm 8,36–37;
– einen vierfach handschriftlich überlieferten Traktat, »Einfältiger Unterricht« betitelt, der das für W. typische Ziel der Verinnerlichung des gehörten Predigtwortes, in einem Druck von 1618 ergänzt durch ein »Corollarium«, zum Inhalt hat;
– eine Abhandlung »Vom himmlischen Jerusalem«, überliefert in zwei Handschriften und dem bereits erwähnten Druck von 1618. Macht man sich klar, dass der letztgenannte Text auf der Predigt über das Evangelium des 1. Sonntags nach Epiphanias beruht, die die »unvollständige Teilpostille« überliefert, so kommt (lediglich nur) eine der Verschränkungen in den Blick, die zwischen den drei Texten des vorliegenden Bandes auszumachen sind.
Die »unvollständige Textpostille« war vom Herausgeber bereits für die von W. E. Peuckert und W. Zeller herausgegebene Ausgabe der Sämtlichen Schriften Weigels (Stuttgart 1977/78) bearbeitet worden. Er hat sich jedoch entschieden, die damals ausgelassenen Anhänge zu den Predigten 20 und 21 in die vorliegende Ausgabe zu übernehmen, weil er es für möglich hält, dass sie auf W. selbst zurückgehen (XX). Er weist im Apparat auf parallele Texte in der 12. Predigt der Postille und deren Bearbeitung im Jerusalem-Traktat hin (253–260). Auffallend ist, dass die Handschrift der Predigten drei unterschiedliche Auslegungen zum Evangelium des Sonntags Invocavit (Mt 4,1–11) sowie zwei unterschiedliche Auslegungen zum Evangelium des Sonntags Oculi (Lk 11,14–28) enthält, ohne dass dieser Befund wohl unter Berücksichtigung der durch die beschlossenen Maßgaben auferlegten Beschränkungen vom Herausgeber reflektiert wird.
Als selbstverständlich erweist es sich auch im vorliegenden Band für den Herausgeber, dass er genaue Rechenschaft über das Verhältnis zwischen Editionsvorlage und Edition gibt. In der Einleitung des Bandes taucht als Anhänger Caspar Schwenckfelds ein Pfarrer Johann Sigmund Werner als Verfasser einer Predigtpostille auf (XX, vgl. 154 und 261), ohne dass man von ihm mehr erfährt, was zu bedauern ist.
Der Einblick in die überlieferungsgeschichtlichen Zusammenhänge der gebotenen Texte bietet einen für die Überlieferung spiritualistisch orientierter Texte in der Frühen Neuzeit wohl typischen Befund: Die Texte werden oft mit Texten gleicher Prägung in Sammelhandschriften anonym zusammengefasst, jedoch nicht unbedingt als zusammenhängend weiter überliefert und treten damit nicht als geschlossenes Corpus auf, was ihre Identifikation erschwert. Auch auf diesem Hintergrund ist ihre Erschließung durch eine so hochqualifizierte Edition wie die unter der Herausgeberschaft von Horst Pfefferl nicht hoch genug zu würdigen.