Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Mai/2015

Spalte:

502–503

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Augustinus [eingel., übers. u. kommentiert v. B. Berges, B. Goebel u. F. Hermanni bzw. M. Kudella]

Titel/Untertitel:

De natura boni – Die Natur des Guten. Zweisprachige Ausgabe, eingel., übers. u. kommentiert v. B. Berges, B. Goebel u. F. Hermanni; Contra Secundinum – Gegen Secundinusu. Epistula Secundini – Der Brief des Secundinus. Eingel., übers. u. kommentiert v. M. Kudella.

Verlag:

Paderborn u. a.: Ferdinand Schöningh 2010. 425 S. = Augustinus Opera – Werke, 22. Geb. EUR 58,00. ISBN 978-3-506-76346-4.

Rezensent:

Christoph Burger

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Augustinus: De mendacio – Die Lüge. Contra mendacium – Gegen die Lüge. Zweisprachige Ausgabe, eingel., übers. u. kommentiert v. A. Städele. Contra Priscillianistas – Gegen die Priszillianisten. Eingel., übers. u. kommentiert v. V. H. Drecoll unter Mitarbeit v. M. Kudella. Paderborn u. a.: Ferdinand Schöningh 2013. 385 S. = Augustinus Opera – Werke, 50. Geb. EUR 49,90. ISBN 978-3-506-77540-5.


Zum Gesamtunternehmen dieser zweisprachigen Ausgabe von Augustins Werken sei auf die Bemerkungen des Rezensenten in ThLZ 129 [2004], Sp. 1202, verwiesen. Den Benutzern wird außer den Texten mit Übersetzungen auch jeweils eine Einführung in die Werke geboten, die den gegenwärtigen Forschungsstand repräsentiert.
Für die Schrift De natura boni musste der von J. Zycha für die Edition in CSEL 25 konstituierte lateinische Text lediglich behutsam überarbeitet werden (5). B. Goebel zeichnet den Gang der Argumentation in De natura boni klar und verständlich nach (16–46). Seine Verweise auf andere Werke Augustins berücksichtigen freilich dessen Entwicklung nicht, sondern setzen implicite voraus, seine Auffassungen über das Böse seien nach seiner Abkehr vom Manichäismus stets dieselben geblieben. Dagegen weist B. Berges in ihren Fußnoten zur Edition auf Änderungen in Augus­tins Denken hin (vgl. z. B. 87, Anm. 8). F. Hermanni stellt Augustins Aussagen über das Gutsein alles Seienden und die Nichtigkeit des Bösen dar und setzt sich mit der Kritik an Augustins Privationslehre auseinander (47–68). Überschneidungen mit der Skizze Goebels sind dabei nicht zu vermeiden. Berges gibt einen kurz gefassten Überblick über den Stand der Forschung zu Mani und den Manichäismus (69–83). Aus ihrer Feder stammen auch die Fußnoten und die ausführlicheren Endnoten, die den Charakter von Exkursen haben (150–160; unschön ist die Formulierung, die Ma­nichäer betrachteten Gott als »in Teilen […] nicht erlösungsfähig«, 150). Die Übersetzung (85–149) der Schrift De natura boni erwies sich bei Stichproben als zuverlässig und gut lesbar (in Abschnitt 35 auf S. 116, Zeilen 4–6 sollte freilich nicht einfach indikativisch übersetzt werden).
Für die Edition des ›Offenen Briefes‹ (192) des Manichäers Secundinus an Augustin und der Schrift Augustins gegen Secundinus revidierte Kudella den von Zycha konstituierten Text (5.11–13.164–183). In einer ausführlichen Einleitung stellt sie eingangs die Überlieferungsgeschichte der Quellen dar, skizziert deren Aufbau, Inhalt und deren eigene Quellenbenutzung und informiert darüber, wie der Manichäer und der Bischof der katholischen Kirche inhaltlich aufeinander eingehen (161–218). Besonders lehrreich ist die Übersicht über Struktur und Inhalt des Briefes des Secundinus, der offenbar Schriften des aus seiner Sicht abtrünnig gewordenen Augustin gelesen hatte, und dessen Antwort (184–189). Als Zeitpunkt der Kontroverse vermutet Kudella etwa das Jahr 405 (197). Die Texte und die Übersetzungen folgen auf den Seiten 246–331. Auch hier zeigten Stichproben, dass gut und verständlich übersetzt worden ist. Es folgen 43 Endnoten, die den Charakter von Exkursen haben (332–365). Der Anhang (367–421) enthält ein Verzeichnis der bibliographischen Abkürzungen, der benutzten Quellen und Sekundärliteratur sowie Register der Bibelstellen, der zitierten Quellen, der Verweise auf Werke moderner Autoren sowie Sachregister, geordnet nach deutschen und lateinischen Stichwörtern. Abgeschlossen wird der Band durch eine Übersicht über das Gesamtunternehmen der zweisprachigen Ausgabe von Augustins Werken.
Allen an diesem Band Beteiligten ist zu einer gelungenen Hinführung zu Augustins Auseinandersetzung mit dem Manichäismus zu gratulieren.
Für seine Edition von Augustins Schriften gegen die Lüge (um 395 verfasst, vgl. 16) durfte der Bearbeiter A. Städele den von J. Zycha konstituierten lateinischen Text von De mendacio und Contra mendacium aus CSEL 41 übernehmen (10). Seine »Inhaltliche Einführung« in die Schrift Die Lüge (16–57) macht mit Augustins Argumentation vertraut. Für Augustin sei eine Lüge so gut wie immer unerlaubt, weil sie gegen die Wahrheit stehe, die für Augustin einen sehr hohen Wert besitzt. Städele zeigt, wie Augus­tin sich manchmal windet, um Widersprüche innerhalb biblischer Aus-sagen und Verhaltensweisen eben doch auszugleichen. Als entschuld­bar bezeichnet Augustin allenfalls eine Lüge, die niemandem schadet, wohl aber einen Menschen davor bewahrt, durch Vergewaltigung entehrt zu werden (49). Die Übersetzung der Schrift De mendacio (59–149) ist zwar nicht besonders elegant, Stichproben zeigten aber, dass sie zuverlässig ist.
Augustins Schrift an Consentius gegen die Lüge, datiert auf das Jahr 422 (181), wird ebenfalls durch eine »Inhaltliche Einführung« (150–182) eingeleitet. Die Auseinandersetzungen um den spanischen Asketen Priszillian, der Lüge und Verstellung mit dem Hinweis auf biblische Personen für erlaubt gehalten haben soll, lesen sich wie ein Kriminalroman (150–159). Bei Stichproben erwies sich die Übersetzung (183–277) als verlässlich. Es folgen Abschnitte »Zur sprachlich-stilistischen Gestaltung der Lügenschriften« (278–283), »Die Heilige Schrift als Quelle« (284–291) und »Vergleich der Lügenschriften Augustins mit Thomas von Aquin« (292-298). Weswegen Aussagen des Thomas von Aquin und nur von ihm zum Vergleich herangezogen werden, wird nicht begründet.
Für den lateinischen Text der an Orosius gerichteten Schrift Augustins gegen die Priszillianisten (wohl aus dem Jahr 414; vgl. 305) konnte M. Kudella auf eine ungedruckt gebliebene Disserta-tion von L. Bazant-Hegemark zurückgreifen. Die darin gebotene Textkonstitution bewertet sie als zuverlässiger als die von K.-D. Daur im Corpus Christianorum besorgte. Die »Inhaltliche Einführung« Drecolls (305–314) informiert über die Anfrage des Orosius, der um Rat gegen Anhänger des Priszillian und gegen Origenis-ten gebeten hatte, und über den Aufbau der Antwort Augustins. Augustin fasst sich in seiner Schrift kurz (315–345), kann er doch auf eigene Arbeiten gegen die Manichäer zurückgreifen (317). Die Übersetzung war an den geprüften Stellen elegant.
Der Anhang enthält eine Bibliographie der Quellen und der herangezogenen Sekundärliteratur, Register der Bibelstellen, der Quellenzitate, der Verweise auf Arbeiten moderner Autoren sowie der Sachen und Personen (347–381). Die Werkübersicht (382–385) macht übersichtlich deutlich, wie das große Unternehmen der zweisprachigen Ausgabe von Augustins Werken geplant ist und welche Bände bereits haben erscheinen können. Alle Beteiligten verdienen Dank für diesen Band, der Augustins nicht immer überzeugendes Bemühen, dem Phänomen der Lüge in Bibel und Alltag gerecht zu werden, dokumentiert.