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Ausgabe:

April/2015

Spalte:

448–449

Kategorie:

Kirchenrecht

Autor/Hrsg.:

Pfannkuche, Sabrina

Titel/Untertitel:

Papst und Bischofskollegium als Träger höchster Leitungsvollmacht.

Verlag:

Paderborn u. a.: Ferdinand Schöningh 2011. 199 S. = Kirchen- und Staatskirchenrecht, 12. Kart. EUR 28,90. ISBN 978-3-506-77118-6.

Rezensent:

Theodor Dieter

Die hier vorzustellende kirchenrechtliche Studie der Autorin Sa-brina Pfannkuche hat das Ziel, »die Rechtsstellung des Papstes und des Bischofskollegiums in der lateinischen Kirche vom Ersten Vatikanischen Konzil bis zum CIC/1983 darzustellen« (175). Damit ist ein weites, komplexes Problemfeld eröffnet, zu dem die Frage nach dem Verhältnis von Erstem und Zweitem Vatikanum und die Frage, wie dogmatische Vorgaben in kirchenrechtliche Bestimmungen umgesetzt werden und wie diese zu interpretieren sind, ge-hören.
Um das Thema bearbeiten zu können, muss die Vfn. sich be­schränken. Leider entwickelt sie keine eigene Fragestellung über die Aufgabe der Darstellung als solche hinaus (13 f.). Dementsprechend zeichnet sie sehr textnah die Auffassungen der jeweiligen Dokumente nach und erläutert, was hilfreich ist, regelmäßig die verwendeten Begriffe. Sie geht sehr wenig auf die Konzilsdiskussionen, die hinter den Texten stehen, ein; sie arbeitet in ihren Auslegungen vor allem mit der Sekundärliteratur, die sie gut kennt. Bedauerlich ist, dass die wichtigen Studien von Hermann J. Pottmeyer fehlen. Nur an wenigen Stellen diskutiert die Vfn. Kontroversen in der Sekundärliteratur, so etwa bei der Frage nach dem Träger oder den Trägern der höchsten Vollmacht in der Kirche (Papst/Bischofskollegium mit dem Papst) (111–114) oder der Frage, ob der Bischof nach dem CIC/1983 »rechtlich als päpstlicher Beamter« zu verstehen sei (170–172). Die Vfn. enthält sich bei der Auslegung der Texte weitgehend eines Urteils; das hat den Vorteil, dass sie das Selbstverständnis der Dokumente zur Sprache bringt. Auch wenn das zu manchen Redundanzen führt, kann man sich mit Hilfe ihrer Darstellung gut über die einschlägigen Texte informieren; es hat aber die Kehrseite, dass kritische und darum weiterführende Fragen fehlen, zum Beispiel: Muss man nicht das Erste Vatikanum im Licht des Zweiten lesen? Was bedeutet das? Wird damit nicht eine maximalistische Interpretation des Jurisdiktionsprimats wie der päpstlichen Unfehlbarkeit ausgeschlossen (was im Übrigen auch eine historisch-kritische Analyse der Konzilsdiskussion er­gibt)?
Der Aufbau der Untersuchung ist klar: Erstes Vatikanum, CIC/ 1917, Zweites Vatikanum, CIC/1983. Jeder der vier Blöcke wird mit einer Zusammenfassung abgeschlossen. Diese Zusammenfassungen sind sehr stark auf die jeweiligen Themenblöcke bezogen, weniger auf deren Verhältnis zueinander. So wird etwa festgestellt: »Der CIC/1983 rezipiert die theologischen Vorgaben des Zweiten Vatikanischen Konzils hinsichtlich der Rechtsstellung des Papstes und des Bischofskollegiums.« (173) Aber das wird nicht im Einzelnen gezeigt, obwohl ja durchaus umstritten ist, welche Aspekte des Zweiten Vatikanischen Konzils im CIC/1983 aufgenommen worden sind und welche nicht. Es wäre auch aufschlussreich zu erfahren, ob der Codex nach Meinung der Vfn. als positives Recht aus sich selbst verstanden oder ob er (unter Umständen kritisch) im Licht der Konzilsdokumente gelesen und angewandt werden soll. Veränderungen im Zweiten Vatikanum gegenüber dem Ersten werden beschrieben: Es ist jetzt vom Bischofskollegium die Rede. Die Bischöfe stehen »nicht mehr in dem Abhängigkeitsverhältnis, das besonders den CIC/1917 geprägt hat, sondern verfügen über eigenberechtigte Vollmacht in ihren Diözesen. Die Bischöfe benötigen keine Fakultäten zur Ausübung ihres Dienstes, ebenso kann die bischöfliche Vollmacht nicht vom Papst abgeleitet werden.« (119 f.) Das sogenannte Konzessionssystem, nach dem der Papst Bischöfen gewisse Vollmachten gewährte, ist durch das Reservationssystem abgelöst worden, wonach der Papst sich bestimmte Fälle reservieren kann. Die letzten beiden Sätze des Buches (mit Bezug auf den CIC/1983) lauten: »Das Bischofskollegium kann nur in Gemeinschaft mit dem Papst handeln; der Papst entscheidet, ob die Sorge für die Gesamtkirche kollegial oder personal ausgeübt wird. Durch diese und weitere Bestimmungen des CIC/1983 wird dem primatialen Charakter der päpstlichen Vollmacht Rechnung getragen, die Kollegialität wird durch die Verbundenheit im Bischofskollegium ausgedrückt.« (176) Aber verbirgt sich nicht hinter diesen Zeilen das ungelöste Problem der angemessenen Verhältnisbestimmung von päpstlicher und bischöflicher Vollmacht, wenn man das Verständnis des Bischofs, das das Konzil entwickelt hat, ernst nimmt?
Die Arbeit der Vfn. ist eine Zulassungsarbeit zum Ersten Staatsexamen, freilich von ungewöhnlichem Umfang und beachtlicher Gründlichkeit. Eine Zulassungsarbeit ist keine Dissertation; man wird an sie andere Erwartungen richten. Die Vfn. hat einen Beitrag zu einem wichtigen Thema geleistet, das bisher wenig bearbeitet worden ist. Und sie beeindruckt durch die Kenntnis, die sie von den Quellen und der Sekundärliteratur hat. Es verdient Respekt, wie die Vfn. die theologischen und kirchenrechtlichen Sachverhalte klar und in einer schönen und verständlichen Sprache darzustellen vermag.