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Ausgabe:

April/2015

Spalte:

444–445

Kategorie:

Kirchenrecht

Autor/Hrsg.:

[Gerosa, Libero]

Titel/Untertitel:

Geist – Kirche – Recht. Festschrift für Libero Gerosa zur Vollendung des 65. Lebensjahres. Hrsg. v. L. Müller u. W. Rees.

Verlag:

Berlin: Duncker & Humblot 2014. 482 S. m. 1 Porträt = Kanonistische Studien und Texte, 62. Geb. EUR 59,90. ISBN 978-3-428-14393-1.

Rezensent:

Christian Grethlein

Die dem im italienischen und deutschen Sprachraum gleichermaßen wirkenden Schweizer Professor für Kanonistik Libero Gerosa zum 65. Geburtstag gewidmete Festschrift gibt einen guten Einblick in wesentliche Dimensionen des römisch-katholischen Kirchenrechts.
Nach einem persönlichen Grußwort des Wiener Kardinals Schön­born geht es in einem ersten Teil um »Grundfragen von Kirche und Kirchenrecht«. Kardinal Koch unterstreicht in einem Beitrag die spirituelle Bedeutung des Gehorsams, Kardinal Marx skizziert seine persönliche Sicht zur Leitungsaufgabe des Bischofs und Klaus Zeller erörtert Rechtsförmlichkeiten bei der kirchlichen Gesetzgebung.
Im zweiten Teil finden sich gehaltvolle Beiträge zu »Geschichte von Recht und Kirchenrecht«. Gabriela Eisenring untersucht »Ehevoraussetzungen und Ehehindernisse im klassischen römischen Recht und ihre Entwicklungstendenzen im spätklassischen und justinianischen Recht«; Georg May stellt zwei Beispiele der Exklaustration von Nonnen im 18. Jh. dar; Martin Grichtling berichtet von Demokratisierungsversuchen der katholischen Kirche in Italien im 19. Jh.; Stephan Haering interpretiert ein – auch als Dokument beigegebenes – hellsichtiges Votum Klaus Mörsdorfs zur Frage der Bischofskonferenzen aus dem Jahr 1962.
Der dritte Teil rückt an drei Beispielen »Die Grundvollzüge der Kirche und ihre rechtliche Ordnung« ins Zentrum. Eine aktuelle Änderung im Taufritus (Christoph Ohly) wird ebenso untersucht wie »Die Sonntagspflicht in moderner Zeit« (Reinhild Ahlers) und Probleme, die der Glauben des Ehegatten beim Ehesakrament aufwerfen kann (Dominik Burghardt).
Der vierte Teil widmet sich einem Themenbereich, den der Jubilar bereits in seiner Dissertation bearbeitete: »Kirchliches Sanktions- und Verfahrensrecht«. Angesichts der durch sexuellen Missbrauch aufgeworfenen Probleme bekommt diese Thematik neue Aktualität (Michael Werneke). Dazu werden Zensuren und Strafen im kanonischen Recht erörtert (Ludger Müller) und Alfred Hierold plädiert für eine Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Kirche und Wilhelm Rees geht der Frage nach dem Umgang mit dem »Scheitern« (etwa einer Ehe) in der römisch-katholischen Kirche nach.
Mit »Vergleichendes Religionsrecht und das Verhältnis zwischen Kirche und Staat« ist schließlich der fünfte Teil überschrieben. Hanns Engelhardt stellt den Primat in der Kirche von England vor; Martin Ötker und Stephan Leimgruber erörtern Probleme bei christlich-islamischen Ehen. Dann folgen noch drei Beiträge zu staatskirchenrechtlichen Fragen (Kirchenfinanzierung in der Deutschschweiz: Claudius Luterbacher-Maineri; grundsätzliches Verhältnis von Staat und Kirche: Arnd Uhle; Hinweise zu einer besonderen Entwicklung in Liechtenstein: Markus Walser). – Die umfangreiche Bibliographie des Jubilars schließt den Band ab.
Insgesamt beeindrucken durchweg die dichten Argumentationen der Beiträge und ihre vielfältigen differenzierten Bezüge zur kanonistischen Diskussion. Für den evangelischen Leser ist es aber erstaunlich, wie selbstreferentiell gegenwärtig Kanonistik noch getrieben werden kann. Gesellschaftliche Veränderungen oder gar evangelische Anfragen an den theologischen Status des Kirchenrechts bleiben unberücksichtigt.