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Ausgabe:

April/2015

Spalte:

403–404

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Nicolai de Cusa

Titel/Untertitel:

Opera omnia. Bd. XV: Opuscula III, Fasc. 1: Opuscula Bohemica. De usu communionis. Epistulae ad Bohemos. Consilium. Intentio.
Hrsg. v. H. G. Senger u. S. Notelmann. Iussu et auctoritate Academiae litterarum Heidelbergensis ad codicum fidem edita.

Verlag:

Hamburg: Felix Meiner Verlag 2014. XLVII, 186 S. Kart. EUR 286,00. ISBN 978-3-7873-1873-5.

Rezensent:

Karl-Hermann Kandler

Endlich, zehn Jahre nach dem offiziellen Ende der Edition der Werke des Nikolaus von Kues, erschien jetzt der letzte Faszikel der Edition. Er enthält die Schriften, die Nikolaus zur Hussitenfrage zwischen 1432 bis 1462 verfasst hat, also über fast die ganze Zeit seines Wirkens. Sie alle setzen sich mit den Forderungen der Böhmen nach Gewährung der Kommunion unter beiderlei Gestalt auseinander. In seiner Zeit als Mitglied der Glaubensdeputation des Basler Konzils setzte er sich mit den sogenannten Prager Artikeln auseinander, vor allem mit dem ersten, der die Kommunion auch der Laien unter beiderlei Gestalt für heilsnotwendig bezeichnete. Befasste er sich 1433/34 in De usu communionis vor allem dogmatisch mit der Streitfrage, so ging es ihm später, 1452, als päpstlicher Legat in den drei Epistulae ad Bohemos darum, ein Schisma, eine böhmische Nationalkirche, abzuwehren, also vor allem darum, die Böhmen unter der päpstlichen Obödienz zu halten. In seinem Consilium von 1462 legte er seinem Freund, Papst Pius II., ein Gutachten vor, in dem er die Rechtsgültigkeit des vom Basler Konzil verabschiedeten, von Rom aber nie anerkannten Kompromisses, der Prager Kompaktaten, nachzuweisen versucht. Schließlich wird auch eine Intentio de eadem materia ediert, die als eine Vorarbeit zum Traktat von 1433 angesehen werden kann, aber als deren Autor Nikolaus nicht sicher nachzuweisen ist.
Wie stets in dieser Werkausgabe werden den Schriften ausführliche Vorworte (in lateinischer Sprache) vorangestellt, auch werden die Überlieferungs-, Editions- und Rezeptionsgeschichte abgehandelt, wobei Zeit, Ort und Anlass der Entstehung der Schriften geklärt werden. Drei bzw. vier Apparate erschließen den aus den Handschriften kritisch konstruierten Text. Sieben Indizes – nicht ganz fehlerfrei – sind beigegeben. So lässt auch diese Edition wohl keinerlei Wünsche offen.
Die Haltung von Nikolaus zur sogenannten Hussitenfrage war natürlich längst bekannt, aber es ist erfreulich, dass jetzt seine auf sie bezogenen Schriften gedruckt vorliegen.
De usu communionis liegt in drei Handschriften (in München und Trier, dazu kommt eine Abschrift in Stuttgart) und in zwei im 16. Jh. erfolgten Drucken vor: in der Pariser (1514) und in der Basler Ausgabe (1565) der Werke von Nikolaus. Im ersten Teil untersucht er die kontroversen Fragen. Abschließend bezeichnet er den Ungehorsam und das Schisma der Böhmen als damnabile (n. 29). Im zweiten Teil bringt er seine Gegenargumente vor. Er behauptet, das Urteil der Kirche sei konform mit dem göttlichen Urteil. Entscheidend sei also auch beim Ritus die Übereinstimmung mit der Kirche, d. h. mit Rom. Seit 1215 sei kein Christ zur Kelchkommunion verpflichtet. Abschließend ermahnt er die Böhmen zur Übereinstimmung mit Rom und zum Frieden.
Die Epistulae ad Bohemos stehen im Zusammenhang mit der Legation, die Nikolaus im Auftrag des Papstes durchführte und die sich ausdrücklich auch ad regnum Bohemie bezog. Die Briefe sind in zahlreichen Handschriften überliefert und wurden frühzeitig (erstmals 1488) gedruckt. U. a. erwähnt die Confessio Augustana in Art. XXII den dritten Brief, ebenso Johann Gerhard. Zu Gerhard ist zu ergänzen, dass er die Briefe auch in seinen Loci theologici (1610 ff.) erwähnt (tom. V, ed. Ed. Preuss, Berlin 1867, 43.47.63), worauf der Rezensent 1986 hinwies (Nikolaus von Kues als testis veritatis; Mitteilungen und Forschungsbeiträge der Cusanus-Gesellschaft, Band 17, 232). Auch Martin Chemnitz zitiert in seinem Examen Concilii Tridentini (1566/73) De usu communionis, I, n. 13 (Loc. V, Art. III, n. V). – Das Consilium liegt nur in einer Handschrift vor. Zweifelhaft ist den Editoren die Verfasserschaft der Intentio de eadem materia, die Nikolaus vor Abfassung von De usu communionis geschrieben haben könnte.
Leitmotiv seiner Böhmenbriefe sind Frieden und Einheit der Kirche. Sie haben für ihn oberste Priorität. 1433/34 fordert er von den Böhmen, dass sie, falls ihnen die Kommunion unter beiderlei Gestalt zugestanden würde, auf alle weiteren Forderungen – wie die nach Freiheit der Predigt und apostolischer Armut der Geistlichen – verzichten. Er ist der Überzeugung, die Kirche habe die Vollmacht, in der sekundären Frage der Sakramentenspendung Änderungen vorzunehmen. Wichtig sei allein die Übereinstimmung mit dem apostolischen Stuhl: »Die Wahrheit haftet an der Cathedra« (De usu, n. 12). Die sakramentale Form, das Essen und Trinken der konsekrierten Elemente, sei nur äußeres Symbol. Weder die Frage nach der res sacramenti noch die nach der virtus sacramenti spielen in den Böhmenbriefen eine Rolle, sondern allein die Frage nach dem usus sacramenti. Für die Böhmen ist die communio sub utraque specie heilsnotwendig (Ep. I, n. 12), während für Nikolaus diese Auffassung est insanire potius quam errare (Ep. II, n. 39).
Es ist sehr erfreulich, dass endlich die sogenannten Böhmenbriefe in einer sehr sorgfältigen Edition gedruckt vorliegen.