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Ausgabe:

April/2015

Spalte:

401–402

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Kandler, Karl-Hermann, Mojsisch, Burkhard, u. Norman Pohl[Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Die Gedankenwelt Dietrichs von Freiberg im Kontext seiner Zeitgenossen.

Verlag:

Freiberg: Technische Universität Bergakademie Freiberg 2013. 290 S. = Freiberger Forschungshefte, D 243. Kart. EUR 15,00. ISBN 978-3-86012-445-1.

Rezensent:

Gert Haendler

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Kandler, Karl-Hermann: Dietrich von Freiberg. Philosoph – Theologe – Naturforscher. Freiberg: Technische Universität Berg­akademie Freiberg 2009. 161 S. Kart. EUR 8,00. ISBN 978-3-86012-372-0.


Karl-Hermann Kandler ist den Lesern der ThLZ seit Jahrzehnten bekannt als treuer Rezensent von Büchern zum späten Mittelalter, insbesondere zu Nikolaus Cusanus. In den letzten Jahren galt sein Interesse auch Dietrich von Freiberg. Seit über 30 Jahren wohnt K. in Freiberg, wo eine Brunnenfigur und eine Straße an Dietrich erinnern. Einen wesentlichen Anstoß gab 2007 das Buch von Kurt Flasch Dietrich von Freiberg. Philosophie, Theologie und Naturforschung um 1300, das K. in ThLZ 133 [2008], 651–653 zustimmend rezensierte. Flasch hatte 1977–85 die erhaltenen 29 Werke von Dietrich in vier Bänden ediert im Rahmen des Corpus Philosophorum Teutonicorum Medii Aevi. Einige Schriften von Dietrich gelten als verloren, mehrere Arbeiten liegen in deutscher Übersetzung vor. K. zählt die heute bekannten Schriften auf (16–19). Er nennt die Dissertation von Burkhard Mojsisch, Die Theorie des Intellekts bei Dietrich von Freiberg, 1979, sowie ebenfalls 1979 den ersten einschlägigen Kongress in Paris, dessen Vorträge 1984 im Druck erschienen: Von Meister Dietrich zu Meister Eckhard. Seit 1984 gibt es das Hilfsmittel von Loris Sturlese, Dokumente und Forschungen zu Leben und Werk Dietrichs von Freiberg. Unter maßgeblichem Einfluss von K. folgten Symposien 1997 und 2001 in Freiberg. K. stellt fest: »Die Beschäftigung mit dem Werk Dietrichs ist in vollem Gange.« (34)
K. beginnt seinen Band mit einem biographischen Überblick: Erstmals wurde Dietrich von Freiberg 1274 erwähnt als Lesemeister und Student in Paris. K. vermutet seine Geburt um 1240, den Eintritt in den Dominikanerorden um 1260, Noviziat, Studium und Aufstieg bis zur Delegierung um 1270 nach Paris. 1280 war Dietrich Lesemeis­ter in Trier, 1293 wurde er zum Provinzialprior der Provinz Teutonica des Ordens gewählt. Die Provinz gliederte sich in Vikariate, als Vikar für Thüringen wirkte Eckhard von Hochheim, so dass spätes­tens damals Dietrich mit Meister Eckhard bekannt geworden sein muss. Mehrere Dominikanerklöster wurden in jenen Jahren neu ge­gründet, darunter Wismar, Luxemburg, Schwäbisch Gmünd, Schlettstadt, Aachen, Göttingen, Eger, Osnabrück und Nijmegen. Am 22. November 1294 starb der Generalmeister des Ordens, den Dietrich für 18 Monate vertrat. Er begegnet wieder als magister actu regens an der Pariser Theologischen Fakultät, vermutlich seit dem Studienjahr 1296/97. Seine Kollegen waren u. a. Gottfried von Fontaines und Jacob von Viterbo, in jenen Jahren lehrte auch Raimundus Lullus in Paris. 1302 kam Meister Eckhard nach Paris, vermutlich auf Betreiben von Dietrich, der in den Quellen erst wieder 1303 auftaucht: Auf einem Provinzialkapitel in Koblenz wählte man Dietrich zum Provinzialdiffinitor, einem Schiedsrichter in Ordensangelegenheiten. 1304 begegneten sich Dietrich und Meister Eckhard auf dem Generalkapitel in Toulouse als electores magistri. Im Winter 1310/11 hat Dietrich ein Provinzialkapitel in Speyer geleitet – das letzte bezeugte Lebenszeichen.
Der Band K.s enthält zehn Spezialarbeiten: Theologie und Philosophie nach Dietrich von Freibergs Traktat De subjecto theologiae; Der tätige Intellekt (intellectus agens); Die intellectuale An­schauung bei Dietrich von Freiberg; Erkenntnis und Glaube; »Die Wahrheit ist unveränderlich, weil sie in Gott, der ewigen Wahrheit, gegründet ist«; Dietrich von Freiberg und die arabische Philosophie; Zu Dietrichs von Freiberg Abhandlung über die Akzidentien; Die Bedeutung der Hl. Schrift; Theologische Implikationen der Philosophie des Dietrich von Freiberg; Die Auferstehung der Toten. Dabei sind Wiederholungen verständlich. Zuletzt nennt eine Bibliographie zwölf Arbeiten von K. zu Dietrich von Freiberg mit ihren Fundorten.
Der Sammelband bringt Vorträge der Freiberger Colloquien 2001 und 2010. Daher kommen manche Autoren zweimal vor. Kandler untersuchte 2001 den Traktat De substantiis spiritualibus et corporis futurae resurrectione und 2010 die Quaestionen. Markus L. Führer (Minneapolis) hielt Referate auf Englisch über Beziehungen zu Averroes und Thomas von Aquino, Gerhard Krieger (Trier) sprach 2001 über moderne Subjektivität bei Dietrich und Johannes Buridan und 2010 über Schöpfungsglaube und menschliche Weltverantwortung. Zweimal verwies Henryk Anzulewicz (Bonn) auf Zusammenhänge mit Albertus Magnus. Tiziana Suarez-Nani (Freiburg/Uechtland) bot Une contribution aux théories mediévales de lieu: Thierry de Freiberg et le lieu des substances spirituales. Thomas Dewender (Bochum) verwies auf Beziehungen zu Aristoteles, Andrea Colli (Mailand) auf solche zu Aristoteles und Augustin, Wouter Gotis (Nijmegen) nannte Dietrich einen Vertreter der platonisch-augustinischen Denkrichtung. Norbert Winkler zog eine Linie von Albertus Magnus über Dietrich zu Nikolaus von Kues. Hans-Ulrich Wöhler schilderte die Kontrarietätenlehre, Udo Reinhold Jeck grub Nachwirkungen von Dietrich bei Berthold von Moosburg auf. Beiträge von Uwe Richter und Andreas Handschuh, dem Kanzler der Universität Freiberg, erhellen die damalige Lage der Stadt Freiberg, Hannes Möhle ging auf Philosophie und philosophisches Studium um 1300 ein.
Das Colloquium 2001 wurde im spätgotischen Rathaus der Stadt Freiberg durchgeführt, das Colloquium 2010 fand »in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Bergakademie Freiberg und der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen« statt.