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Ausgabe:

März/2015

Spalte:

253–255

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Fürst, Alfons, u. Christian Hengstermann [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Die Cambridge Origenists. Georg Rusts Letter of Resolution Concerning Origen and the Chief of His Opinions

Verlag:

Münster: Aschendorff Verlag 2013. 384 S. = Adamantiana, 4. Geb. EUR 52,00. ISBN 978-3-402-13714-7.

Rezensent:

Anders-Christian Jacobsen

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Bruns, Christoph: Trinität und Kosmos. Zur Gotteslehre des Origenes. Münster: Aschendorff Verlag 2013. 357 S. = Adamantiana, 3. Geb. EUR 48,00. ISBN 978-3-402-13713-0.


Christoph Bruns’ Buch hat eine sehr klare Struktur, die es dem Leser erleichtert, der oft komplizierten und detaillierten Argumentation zu folgen. Das Buch besteht aus zwei Hauptteilen. Der erste Teil handelt von der ontologischen und relationalen Beziehung zwischen Vater, Sohn und Heiligem Geist. B.s Hauptpunkt ist es in diesem Teil, dass Origenes die drei Personen in der einen Gottheit als selbständige Hypostasen betrachtet, die Teil des gleichen göttlichen Seins sind. B. zufolge gibt es daher zwischen den drei Personen keine ontologische Subordination, sondern eine relationale Subordination, da allein der Vater als einzige Hypostase die unbedingte Ursache allen Seins ist, aus dem alles Sein entspringt. Das Sein des Sohnes und das Sein des Heiligen Geistes werden abgeleitet aus dem Sein des Vaters. Der zweite Hauptteil des Buches handelt vom Heilswirken des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. In diesem Teil des Buches behandelt B. das Wirken des dreieinigen Gottes durch Schöpfung, Offenbarung und Erlösung. Der Vater ist der Ursprung der Schöpfung. Der Sohn ist als Weisheit Gottes, Sophia, der exemplarische Ursprung allen Seins und als Gottes Logos ist der Sohn der instrumentelle Ursprung allen Seins. Alles Sein ist im Ebenbild Gottes, dem Sohn, erschaffen, was auf den Sohn als exemplarischen Ursprung hinweist. Der dreieinige Gott verwaltet die Schöpfung durch seine Vorsehung (Pronoia) und seine Erziehung (Paideusis).
Im Kapitel über Trinität und Offenbarung zeigt B., wie der Vater sich laut Origenes ganz und gar im Sohn offenbart. Es gibt also nichts im Sein des Vaters, was nicht auch im Sein des Sohnes vorhanden wäre. Alle vernunftbegabten Wesen haben Teil am Sein des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes und sind daher empfänglich für Gottes Offenbarung durch den Sohn. Diese Form der Offenbarung nennt B. eine ›transzendentale‹ Offenbarung. Die Offenbarung der göttlichen Wesenheit findet man auch in der spezifischen historischen Form durch die Propheten des Alten Testamentes; in der Inkarnation des Sohnes in Jesus von Nazareth; und in den von Gott inspirierten Heiligen Schriften. Das Wirken des Heiligen Geistes ist entscheidend dafür, dass die erschaffenen vernunftbegabten Wesen die Offenbarung in Christus auch wirklich verstehen. Das Heil bringt es mit sich, dass es den rationalen Wesen gelingt, zu ihrem ursprünglichen Schöpfungszustand – geschaffen nach dem Bilde Gottes und ihm gleich – zurückzukehren, wo sie Gott erschauen und dadurch selbst göttlich werden.
B. liefert eine sehr gründliche Analyse von Origenes’ Trinitätslehre, die viele wichtige Aspekte davon untersucht. Die übergeordneten Prinzipien in Origenes’ Trinitätslehre verliert B. dabei keineswegs aus den Augen. Er versteht diese übergeordneten Zusammenhänge in Origenes’ Trinitätslehre und er ist in der Lage, dies auch an den Leser weiterzuvermitteln. Origenes ist ein systematisch denkender Theologe. Daher baut er seine Trinitätstheologie auf den gleichen Prinzipien auf wie seine Theologie insgesamt. Oder besser gesagt: Die Trinitätstheologie ist die tragende Struktur bei Origenes. Das Buch funktioniert daher auch gleichzeitig als eine grundlegende Einführung in Origenes’ Theologie als solche. B.s Analysen sind überzeugend – sie sind textnah und gleichzeitig philologisch und theologisch gründlich. B.s theologischer und dogmengeschichtlicher Überblick ermöglicht es ihm, Origenes’ Trinitätslehre in ihrem eigenen theologischen, von einer Auseinandersetzung mit dem Modalismus geprägten Kontext zu verstehen. Gleichzeitig vermag es B., Origenes’ trinitarische Theologie ohne Anachronismus in die Entwicklung der Dogmengeschichte einzuordnen, die zur späteren trinitarischen Dogmenbildung führte.
Der von Alfons Fürst und Christian Hengstermann herausgegebene Sammelband besteht aus zwei Teilen – aus acht sehr interessanten Artikeln über die Rezeption der »Cambridge-Origenists« von Origenes’ Theologie und Philosophie und aus sechs von »Cambridge-Origenists« verfassten Texten. Die Artikel wurden auf einer Tagung an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster im November 2010 unter Leitung von Alfons Fürst erstmals mündlich präsentiert. Das Hauptthema der Tagung war George Rusts Letter of Resolution Concerning Origen and the Chief of His Opinions. Der Anfangsartikel des Buches wurde von dem einen Herausgeber des Buches, Christian Hengstermann, verfasst und trägt den Titel »George Rusts Letter of Resolu-tion Concerning Origen and the Chief of His Opinions. Manifest eines Neuzeitlichen Origenismus«. Der Artikel ist eine ausgesprochen gut geschriebene Einleitung zum Letter of Resolution und zum Cambridger Origenismus als philosophische und theolo-gische Bewegung. Hengstermann beschreibt den Hintergrund für das Entstehen des Cambridger Origenismus als eine Auseinandersetzung mit den Philosophien von Descartes, Hobbes und Spinoza. Die wichtigsten Grundgedanken des Cambridger Origenismus sind die Vorstellung von menschlicher Freiheit, einer objektiven Moral und der Güte Gottes. Diese Themen werden u. a. von Ralph Cudworth dargelegt, der sich bei seiner Religionsphilosophie an Origenes’ Ethik und Psychologie anlehnt. Der Hauptteil des Artikels besteht aus einer detaillierten Beschreibung des Netzwerkes von Origenisten, die zur Ragley Hall in Cambridge gehörten, einer Diskussion über die Frage des Verfassers (die Schrift wurde anonym verfasst) sowie einer Präsentation der in der Schrift dargelegten Hauptthemen (Trinität, Fall der Seelen und die Wie­derherstellung aller Dinge).
Dieser gründliche Anfangsartikel bereitet den Leser gut auf das Lesen der nachfolgenden Artikel vor, die größtenteils begrenztere Problemstellungen behandeln. Douglas Hedley hat sich mit Cudworths Verständnis von »Freiheit« beschäftigt, Josef Lössl hat über den von George Rust im Letter of Resolution beschriebenen Origenismusstreit berichtet und Thomas Karmann hat dargelegt, welche Rolle der Platonismus und Origenismus für die Trinitätstheologie im Letter of Resolution spielt. Der zweite Herausgeber des Buches, Alfons Fürst, hat mit einem sehr interessanten Artikel über George Rusts Theodizeegedanken einen guten Beitrag geleistet. Laut Fürst baut Rust seine Theodizeestrategie auf Origenes’ Vorstellung von der Präexistenz und der Emanation der Seele von ihrem göttlichen Ursprung auf. Diese Vorstellungen sind für Origenes’ Verständnis von der Schöpfung und dem Sein aller Dinge fundamental wichtig. Laut Origenes ist der Ursprung der Seelen im Göttlichen zu finden, woraus sie emaniert sind. Die Seelen sind mit Freiheit ausgestattet. Dies spielt eine große Rolle für Origenes, da diese Freiheit eine Erklärung dafür gibt, warum sich die Seelen von Gott abgewandt haben und warum Unterschiede zwischen den Seelen entstanden. Wenn einige Seelen mehr als andere leiden, dann liegt das nicht an Gott, sondern an den Seelen, die sich weiter von ihrem göttlichen Ursprung entfernt haben. Auf diese Weise entwickelt Origenes seine Theodizee. Rust folgt Origenes größtenteils, aber für Rust ist Freiheit nicht etwas eindeutig Positives. Rust hebt hervor, dass gerade die Freiheit die Menschen oder die Seelen immer tiefer ins Verderben geraten lässt. Freiheit scheint dazu determiniert zu sein, zu Verderben und Fall zu führen. Für Rust ist die Freiheit der Menschen daher etwas Ambivalentes. Rusts Gedanken zu diesem Thema sind ein wichtiger Beitrag zu der jahrhundertealten theologischen und philosophischen Debatte über Freiheit, Erbsünde, Prädestination und ähnliche grundlegende Vorstellungen. Fürst versteht es, Rusts Denken zu diesen Themen und die Relation dieses Denkens zu Origenes klar darzustellen.
Nach dem Artikel von Fürst folgt ein Artikel von Margit Wasmaier-Sailer über ethischen Realismus und das Universalitätsprinzip bei George Rusts Religionsphilosophie sowie ein Artikel von Christian Hengstermann über das Hinabsteigen zur Hölle und der Apokatastasis-Lehre im Letter of Resolution. Die Serie von Artikeln schließt mit einem gemeinsam verfassten Artikel der zwei Redakteure des Buches ab. Dieser Artikel handelt von Georges Rusts theologischer Physik.
Nach diesen Artikeln folgt, wie bereits erwähnt, eine Auswahl von eigenen Texten der »Cambridge-Origenists«. Es handelt sich um Texte von William Spencer, George Rust, Henry More, Joseph Glanvill und James Bellamy. Die Texte werden in den Originalsprachen (Latein und Englisch) und in einer deutschen Übersetzung wiedergegeben.
Nach der Lektüre des Buches fühlt man sich gründlich informiert über die Rezeption der »Cambridge-Origenists« von Origenes. Die historischen Umstände des sogenannten Cambridger Origenismus wurden gründlich beleuchtet: Wer waren diese Menschen? In welcher Situation haben sie ihre Schriften verfasst? Womit haben sie sich auseinandergesetzt? Etc. Die philosophischen und theologischen Gesichtspunkte der Gruppe wurden ebenfalls gründlich analysiert, so dass die Grundgedanken des Cambridger Origenismus einem klar und deutlich vor Augen sind. Dies gilt z. B. für deren tragende Vorstellungen über Freiheit, ethische Prinzipien, das Theodizeeproblem und die Eschatologie. Nicht zuletzt wird die Rezeption der »Cambridge-Origenists« von Origenes’ Theologie und Philosophie als Hintergrund für ihre Arbeit mit diesen Themen auch klar beschrieben.