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Ausgabe:

März/2015

Spalte:

227–228

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Labahn, Michael, and Outi Lehtipuu [Eds.]

Titel/Untertitel:

Imagery in the Book of Revelation

Verlag:

Leuven u. a.: Peeters Publishers 2011. XVI, 233 S. = Contributions to Biblical Exegesis & Theology, 60. Kart. EUR 39,00. ISBN 978-90-429-2494-9.

Rezensent:

Franz Tóth

Die Johannesapokalypse ist bekannt für ihre reiche und faszinierende Bildersprache. Ohne umfassende traditions- und religionsgeschichtliche Kenntnisse ist ein sachgemäßer Zugang zu dieser apokalyptischen Bilderwelt jedoch nicht möglich. Die Apokalypseforschung hat sich deshalb auch immer wieder diesem zentralen, wenn auch breiten und kaum erschöpfend zu behandelnden Themenbereich zugewandt. Auch der vorliegende Sammelband, der aus einem von SBL und EABS 2007 gemeinsam abgehaltenen Tagungsseminar hervorgegangen ist, widmet sich dezidiert diesem Fragenkomplex. Inhaltlich ist der Band interdisziplinär ausgerichtet, insofern die Beiträge verschiedene hermeneutische, exegetische und methodische Zugänge präsentieren: Die Ansätze reichen von narrativen Analysen über Intertextualitätsstudien und sozio-historische Untersuchungen bis hin zu Gender Studies. Die Vielseitigkeit der Forschungszugänge will der Komplexität des letzten Buches der Bibel Rechnung tragen, dessen Bildmaterial aus den verschiedensten Traditionen und Lebenswelten geschöpft ist. »Revelation is an example of a cultural encounter that ranges from interchange to delimitation and even claims of domination.« (IX)
D. Barr fragt unter dem Titel »Idol Meat and Satanic Synagogues: From Imagery to History in John’s Apocalypse« (1–10) nach den möglichen Bezugspunkten zwischen der narrativen Bilderwelt der Johannesapokalypse und der realen Lebenswelt von Autor und Adressaten. Diesbezüglich mahnt Barr zunächst zur Vorsicht: »John’s Apocalypse does not provide a window into late first century Asian culture; it is an imaginative construct of that world – a mirror reflecting John’s vision.« (1) Anhand zweier zentraler Motive (Götzenopferfleisch und Synagoge des Satans) werden gleichwohl Indizien gesucht, die mögliche Brückenschläge zwischen »sym-bolic story« und »history« andeuten. J. Beutler wendet sich in seinem knappen, aber hermeneutisch interessanten, gleichwohl nicht unproblematischen Beitrag »Die Hermeneutik der Apokalypse und ihrer Bildersprache angesichts ihrer fundamentalistischen Deutungen« gegen eine einseitige Betonung der Eschatologie. Die Jo­hannesapokalypse sei vielmehr ein »Trostbuch« für eine bedrängte (!) Adressatengemeinde zur Bewältigung ihrer Gegenwart (17). Das Nacheinander von Unheil und Heil hingegen ist als literarisches »Stilmittel« zu begreifen (27), das keine zeitliche Abfolge impliziert – entsprechend ist auch das Reden vom Neuen Jerusalem nicht rein jenseitig zu verstehen, sondern vielmehr Ausdruck einer neuen geschichtlichen Wirklichkeit (19). M. Frenschkowski vergleicht in seiner Studie »Utopia and Apocalypsis. The Case of the Golden City« die Vision vom Neuen Jerusalem mit Lukians Verae Historiae und bringt dabei zugleich apokalyptische und utopische Diskurse ins Gespräch. S. J. Friesen diskutiert in seinem instruktiven Artikel »Roman Imperial Imagery in Revelation: Space, Know­ledge and Time« den ambivalenten Bezug der Johannesapokalypse zum römischen Imperium mithilfe des von Michel de Certeau entwickelten Konzeptes von »strategy« und »tactic«. In seinem Beitrag »Apocalyptic Motifs in the Early Christian Literature and Art: The Book of Revelation and Its Contribution to the Formation of Apocalyptic Art« untersucht L. A. Hubbes die Wirkungsgeschichte der Bildersprache der Johannesapokalypse, wobei sich zwei Rezeptionsstränge aufzeigen lassen: »a plastic-figurative line represented by the depictions of the last judgment, and a dramatic-narrative line of eschatological Antichrist and Armageddon stories« (55). Unter dem Titel »Die Ernte des Menschensohngleichen. Zur Ambivalenz eines Gerichtsbildes in der Johannesoffenbarung« wägt K. Huber sachkundig den ambivalenten und offenen Charakter der apokalyptischen Gerichtsbilder ab. M. Labahn analysiert in einem instruktiven Artikel »›Apokalyptische‹ Geographie. Einführende Überlegungen zu einer Toponomie der Johannesoffenbarung« die textuelle Geographie des Werkes, die als »kognitive Karte« (mental map) einen »Sinnatlas« (108 f.) mit subversiver Kraft (128) entwirft, insofern der Himmel als »Gegenwelt« zum irdischen Lebensraum gezeichnet ist (111). K. Siitonen thematisiert unter dem Titel »Merchants and Commerce in the Book of Revelation« erneut die kri-tische Haltung des Apokalyptikers zu Gilden, Kommerz und Wirtschaft. Detailliert diskutieren R. Skaggs und T. Doyle in ihrem Artikel »Revelation 7: Three Critical Questions« die Identität der zwei Gruppen in Apk 7: Die 144.000 seien danach »faithful remnant of ethnic Israel«, die unzählbare Volksmenge hingegen »the Right-eous of all Time« (178). Einen Beitrag zum Bereich der Gender Studies leistet H. Stenström mit der Leitfrage: »Is Salvation Only for True Men? On Gendered Imagery in the Book of Revelation«. Am Beispiel der 144.000 erweist sich nach Stenström die Johannesoffenbarung als »androcentric« und zugleich »misogynistic« Text (198) mit einem herrschaftskritischen Unterton. Abschließend bringt R. J. Whitaker in ihrem Artikel »Falling Stars and Rising Smoke: Imperial Apotheosis and Idolatry in Revelation« römische Bestattungszeremonien und die Vorstellung von der Apotheose mit der Johannesoffenbarung ins Gespräch.
Der Sammelband zeichnet sich durch eine große Breite der Themen aus, ohne zwingend auf das Leitthema abgestimmt zu sein, wie die Herausgeber selbst einräumen (XIV). Eine mögliche Tendenz lässt sich gleichwohl konstatieren: Immer wieder wird in den Beiträgen der ambivalente, multiperspektivische und offene Charakter der Bildersprache der Johannesoffenbarung notiert (so be­sonders 51.53 f.83 f.105 f.154.198) – daran kann die künftige Apokalypseforschung anschließen.