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Ausgabe:

Juli/August/1999

Spalte:

749–751

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Rannikko, Esa

Titel/Untertitel:

Liberum Arbitrium and Necessitas. A Philosophical Inquiry into Augustine’s Conception of the Will.

Verlag:

Helsinki: Luther-Agricola-Society 1997. 262 S. 8 = Schriften der Luther-Agricola-Gesellschaft, 40. ISBN 951-9047-44-1.

Rezensent:

Christoph Burger

Diese philosophische Arbeit wurde unter der Leitung von Prof. Lars Hertzberg an der Universität von Turku begonnen und ebendort an der Abo Akademi fortgesetzt. Die Einleitung (11-34) informiert darüber, wie einige prominente Philosophen über freie Willensentscheidung gedacht haben (11-17, auf der Grundlage von Sekundärliteratur; theologischer Determinismus wird nur gestreift: 14), wie Augustin (A.) in ,De libero arbitrio’ (verfaßt 388-395) den Konflikt zwischen freier menschlicher Willensentscheidung, Gottes Allmacht und Güte zu lösen versucht (17-23), was er unter ,freier Willensentscheidung’ und ,Notwendigkeit’ versteht (23-28), und was die Ziele, Quellen und Methoden der Arbeit sind (29-34; auf S. 30 werden einige Arbeiten genannt, die ,die katholische Interpretation der Philosophie Augustins’ repräsentieren sollen, es folgen ohne nähere Kennzeichnung solche [lutherischer] Skandinavier).

Das zweite Kapitel soll die Entwicklung von Augustins Konzept des Willens darstellen (35-52), obwohl der Vf. an dem Wandel von A.s Auffassung vom Willen minder interessiert ist (32) und denn auch nur selten vermerkt, wann ein Werk A.s entstanden ist. De facto stellt er vor allem A.s Position zur Zeit von ,De libero arbitrio’ dar (35-44), einem Werk, das er bereits früher einmal untersucht hatte (7): Es ist aufschlußreich, daß er wiederholt schreibt: "after De libero arbitrio" (51/52). Auf den verbleibenden neun Seiten äußert er sich knapp über Aussagen zum freien Willen in den ,Confessiones’, in ,De spiritu et littera’, im ,Enchiridion’ und in ,De gratia et libero arbitrio’. In den folgenden Kapiteln wirkt sich diese chronologische Darstellung wenig aus (Ausnahmen etwa: 89. 111-112. 245). Nur in einer Fußnote (44, Anm. 28) bringt der Vf. die These zur Sprache, A.s stärkere Orientierung an Paulus seit 396/7 habe auch für seine Auffassung über den freien Willen tiefgreifende Folgen. Häufig bleibt es bei Aussagen wie "in früheren Schriften - später".

Eine nicht historisch entwickelnde, sondern thematisch bündelnde Darstellung von A.s Auffassung vom freien Willen des Menschen vor und nach dem Fall (53-128) und von der ,Notwendigkeit’ (129-219) bildet den Mittelteil der Arbeit.

Das dritte Kapitel handelt von A.s Aussagen darüber, ob Engel und Adam, gut geschaffen, aus freiem Willen gefallen sind (53-76). Für Nicht-Philosophen klärend ist die Übersicht über verschiedene Arten, einen Tatbestand zu erklären (70, Anm. 32). Zu selten kommt neben dem des Neuplatonismus auch der Einfluß der Bibellektüre auf A.s Denken zur Sprache (71, vgl. auch 93-94).

A.s Auffassung über menschliche Willensfreiheit nach dem Fall skizziert das vierte Kapitel (77-128). Weshalb der Vf. die wichtigsten Begriffe erneut definiert (78, vgl. bereits 23-24), bleibt unklar. Aussagen Luthers über den unfreien Willen werden erwähnt, aber nicht mit A.s Sichtweise ins Gespräch gebracht (111, Anm. 78).

Das fünfte Kapitel wendet sich dem ,Bereich der Notwendigkeiten’ zu (129-219). Gemeint ist: Kann des Menschen Wille frei sein, wenn Gott doch alles, was geschieht, vorher sieht und will (129)? Der Vf. skizziert Aussagen A.s über Gottes Sein (130-134), Allmacht (134-145), die Weltordnung (145-152), über das Verhältnis zwischen Gottes Vorsehung und des Menschen freier Entscheidung (153-174), das zwischen menschlichem Willen und Gottes Gnade (174-195), über Ursprungssünde (195-198) und Prädestination (199-219).

Auf der Grundlage der Kapitel zwei bis fünf kann der Vf. dann darstellen, wie sich für A. das Problem einer freien Entscheidung des Menschen darstellt (Kap. 6, 220-241). Er behandelt die Möglichkeit der Freiheit von Zwang (221-231) und das Verhältnis zwischen Prädestination und Determinismus (232-241).

Im siebenten Kapitel zieht der Vf. einige Schlüsse (242-246) wie etwa den, der Empfang des Glaubens könne als frei betrachtet werden, weil die Gnade nicht eine zwingende, sondern eine beglückende Kraft sei. Augustin habe eine bewundernswert konsistente Lösung der Probleme von Prädestination und Vorsehung geboten.

Der Vf. hat fleißig aus englischen Übersetzungen der Quellen gearbeitet, die lateinischen Zitate exakt vermeldet und sich mit zahlreichen Aussagen zeitgenössischer Philosophen auseinandergesetzt. Er hat freilich fast ausschließlich Werke in der englischen oder in einer der skandinavischen Sprachen herangezogen. Der weitgehende Verzicht auf französische und deutsche Arbeiten bedeutet aber in der A.forschung eine unzulässige Einschränkung. Ein Blick in A. Schindlers A.-Artikel in der TRE hätte ihm beispielsweise den Weg zu guten A.-Editionen außerhalb der Patrologia Latina und des Corpus Christianorum weisen und ihm die Bedeutung der Entwicklung in A.s Willenslehre deutlicher machen können. Es hätte sich ferner empfohlen, auf J. Gross’ ,Geschichte des Erbsündendogmas’ (Bd. 1, 1960, 257-366) oder auf K. Flaschs ,Logik des Schreckens’ (1990) einzugehen. Den Historiker erstaunt, daß der Vf. sich derart auf Freiheit des Geistes beschränken kann, wie das in einem Satz wie diesem zum Ausdruck kommt: "Die päpstliche Inquisition war nutzlos, weil keiner einen anderen zwingen kann, etwas zu glauben" (234). Ebenso wundert ihn angesichts der faktischen Theologiegeschichte die Frage, warum es denn so schwer zu akzeptieren sei, daß Gott Glauben geben könne, ohne daß der Betroffene frei zustimme (236). Daneben stört, daß die Titel den Inhalt von Abschnitten öfters nicht decken. Lediglich Abkürzungen von Werken Augustins sind verzeichnet.